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Renault Espace im Test: Noch immer ein Familienfreund?

Weil viele Eltern Großraumlimousinen inzwischen zum Gähnen finden, hat Renault aus seinem einstigen Vorzeige-Van Espace ein SUV gemacht. Bis zu sieben Sitzplätze und räumliche Variabilität sind dem Franzosen aber geblieben. Reicht das, um auch weiterhin Familien zu überzeugen? Der Renault Espace mit 200 PS starkem Vollhybrid-Antrieb im kicker-Test:

renault espace im test: noch immer ein familienfreund?

Renault Espace: Die sechste Generation will ein SUV sein. Hersteller

Was er ist:

Blicken wir zunächst zurück auf das, was er einmal war: Ein Van nämlich, und einer von geradezu historischer Bedeutung obendrein, denn der erste, 1984 vorgestellte Espace gilt bis heute als Gründervater der Großraumlimousinen. Ihre Blütezeit erlebten die Vans in den 1990er- und 2000er-Jahren. Dann setzte der Abwärtstrend ein, denn die platzbedürftige Kundschaft fand die neuen SUVs auf einmal deutlich schicker. Und so brach auch der Espace-Absatz immer mehr ein, bis Renault im Jahr 2023 schließlich die Reißleine zog und aus dem Raumgleiter ein zeitgeistgerechtes und verkaufstechnisch vielversprechenderes SUV machte.

So viel zur Geschichte. Die heute aktuelle, sechste Espace-Generation basiert auf dem VW-Tiguan-Konkurrenten Renault Austral sowie dessen coupéhaftem Ableger Rafale und stellt letztlich deren verlängerte Version dar. Das Trio setzt auf der sogenannten CMF-CD-Plattform der Alllianz Renault-Nissan-Mitsubishi auf, die auch beim Mitsubishi Outlander und beim Nissan X-Trail zur Anwendung gelangt.

Wie er aussieht:

Kann ja sein, dass Renault den Espace jetzt als SUV anpreist. Wir finden: So ganz hat er das Van-artige noch immer nicht verloren. Das mag daran liegen, wie sich die Maße zueinander verhalten: Mit 1,65 Metern ist der Espace in etwa so hoch wie der VW Tiguan, mit 4,72 Metern aber gleichzeitig fast 20 Zentimeter länger. Dadurch entsteht ein stretchiger Look, dem ein aufrecht stehender Kühlergrill mit vertikalen Streben, beplankte Radhäuser, ein steiler Heckabschluss sowie eine gewisse Breitschultrigkeit Charakter geben.

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Wie er eingerichtet ist:

Unser Testwagen entsprach der Topausstattung “Iconic”, das gilt es zu berücksichtigen, wenn wir die geschmackvolle Zusammenstellung von wertig unterschäumten Kunststoffflächen, schöner Holz-Deko und perforierten Lederpolstern in hellem Sandgrau loben. Ein opulentes Panorama-Glasdach (1000 Euro) lässt eine wahre Lichtfülle in den Fahrgastraum, das perfektioniert die freundliche Atmosphäre. Die Innenseite der Scheibe ist beschichtet, um UV- und Infrarotstrahlen zu filtern sowie Wärme zu reflektieren. Öffnen lässt sich das Dachfenster allerdings nicht.

Beim Infotainment setzt Renault auf das sogenannte “OpenR-Link”-System, das auf Android Automotive basiert und insofern die üblichen Google-Dienste bereitstellt, von Google Maps zum Navigieren bis hin zur Sprachsteuerung Google Assistant. Die Menüführung ist weitgehend, aber nicht durchweg logisch aufgebaut, ein paar Rätselaufgaben muss der touchende und tippende Nutzer lösen, bis er sich vertraut gemacht hat mit den verschiedenen Informationswegen. Nichts zu mäkeln gibt es an der fixen Reaktionsschnelligkeit des Systems und der brillanten Bildgebung der beiden großen Displays, einem digitalen Kombiinstrument hinterm Lenkrad einerseits und dem hochkantigen Multimedia-Touchscreen andererseits. Vervollständigend lässt sich ein Head-up-Display hinzubuchen. Das Smartphone lädt induktiv und verbindet sich kabellos über Android Auto beziehungsweise Apple CarPlay.

Keine glückliche Idee ist es gewesen, rechts am Lenkrad gleich drei Bedienelemente zu installieren – ganz oben den Wählhebel für die Fahrstufen, mittig den Lenkstockhebel für die Scheibenwischer und ganz unten noch einen Satelliten fürs Audiosystem, allzu leicht vertut man sich da. Aufgrund ihrer fingerfreundlichen Größe lassen sich aber die kapazitativen Touchflächen am Lenkrad gut und zielgenau bedienen.

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Wie viel Platz er hat:

Espace heißt Raum, und sollte dieser Name als Auftrag zu verstehen sein, wird er bestens erfüllt. Hinsichtlich Platzangebot und Variabilität ist der große Familien-Frachter noch immer ganz Van. Auch wenn die Fans der ersten Espace-Generation deren ausbaubaren und drehbaren Einzelsitzen nachtrauern dürften: Beim aktuellen Modell lässt sich zumindest die Rückbank um 22 Zentimeter längs verschieben, neigungsverstellbare Lehnen hat sie auch. Zudem kann sich der Kunde aussuchen, ob er den Espace als Fünf- oder als Siebensitzer haben möchte, einen Unterschied beim Preis macht das nicht. Bei Nichtgebrauch wird die letzte Sitzreihe flach weggefaltet. Von der Bestuhlung hängt dann auch das Kofferraumvolumen ab. Es reicht von 212 Litern (Siebensitzer) über 782 Liter (Fünfsitzer) bis hin zu 2054 Litern, wenn auch Reihe zwei umgelegt wird.

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Hüftsteiferen Menschen ist der Weg ganz nach hinten allerdings nicht zu empfehlen, denn er ist mit einer arg ungraziösen Plackerei verbunden, um die sich nur Passagiere im gelenkigen Kindesalter mühelos herumwinden. Der Sitzkomfort selbst fällt dann aber gar nicht so übel aus, ein paar Kurzstrecken-Kilometer überstehen auch Erwachsene unverkrümmt.

Kleinkram kann in zahlreiche Ablagen verräumt werden, die insgesamt ein Volumen von 39 Litern aufweisen. Allein das Handschuhfach fasst sechs Liter, hinzu kommen zwei Liter unter der verschiebbaren Handauflage, und auf längeren Reisen erweist es sich als angenehm, jeweils eine Einliter-Flasche Trinkvorrat in den Türverkleidungen unterbringen zu können.

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Was ihn antreibt:

Ein Vollhybridsystem, das sich aus einem 96 kW/131 PS starken 1,2-Liter-Dreizylinder-Turbobenziner und zwei Elektromotoren zusammensetzt. Der stärkere leistet 51 kW/69 PS, ist ins Getriebe integriert und dient dem Antrieb, Strom bezieht er aus einer Lithium-Ionen-Batterie mit 1,7 kWh Kapazität. Bei der schwächeren E-Maschine handelt es sich um einen Startergenerator mit 18 kW/25 PS. Unterm Strich steht eine Systemleistung von 147 kW/200 PS, die Kraftübertragung an die Vorderräder übernimmt eine kupplungslose Multi-Mode-Automatik mit sechs Gängen.

Möglich sind drei verschiedene Betriebsarten: Vollelektrisch, serieller Hybrid oder Parallelhybrid. Rein elektrisch geht es nur beim Anfahren und, kurzzeitig, bei niedrigen Geschwindigkeiten voran. Serieller Hybrid wiederum bedeutet, dass der Elektromotor den Vortrieb übernimmt, untätig bleibt der Verbrenner derweil aber nicht, denn er lädt als Stromgenerator die Batterie. Im Parallelhybrid-Modus schließlich wirken Verbrennungs- und E-Motor gleichzeitig auf die Vorderräder. Der Wechsel zwischen den Antriebsarten erfolgt situationsbedingt und automatisch.

Der Vollhybrid ist die einzige Antriebsoption für den Espace. Einen Diesel gibt es ebensowenig wie einen Plug-in-Hybrid mit extern aufladbarer Batterie.

Wie er sich fährt:

Seine 200 PS reichen dem Espace völlig aus, der Vortrieb fühlt sich nicht übertrieben stürmisch, aber angemessen hurtig und tatkräftig an. Die Zusammenarbeit zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor geht weitgehend unauffällig vonstatten, allerdings kommt die an und für sich harmonisch schaltende Automatik bei abrupter Leistungsanforderung kurzfristig aus dem Konzept. Die Wippen hinterm Lenkrad sind übrigens nicht dazu da, sich durch die Fahrstufen zu flippern, sondern dienen dem Ansteuern der Rekuperationsstufen.

Vor allem in der Stadt nutzt der Espace überraschend oft den rein elektrischen Antrieb und rollt dann nicht nur effizient, sondern auch wohltuend leise dahin, was umso mehr auffällt, als der Dreizylinder-Benziner ein knurriger und nicht sonderlich kultivierter Geselle ist.

Über Fahrbahnunebenheiten schwingt der französische Raumgleiter souverän hinweg, zwingt man ihn aber auf kurvigem Geläuf zur Eile, quittiert er das bauartbedingt mit einer gewissen Wiegeneigung. Den höheren Ausstattungsvarianten spendiert Renault serienmäßig die Allradlenkung namens “4control advanced”, mit deren Hilfe es gelingt, den großen Familienfreund mit eleganter Wendigkeit in Parklücken zu manövrieren. Dankbar waren wir dabei für die serienmäßige Rückfahrkamera, denn an der Übersichtlichkeit der Karosserie hapert es etwas. Hat man bei der Bestellung ein entsprechendes Assistenzpaket angekreuzt, übernimmt der Adaptivtempomat das gültige Tempolimit, was ziemlich gut funktioniert und vor Punkte-Post bewahrt.

Was er verbraucht:

Die Normerfüllung – 4,9 bis 4,7 Liter pro 100 Kilometer – hat der Espace in der Praxis deutlich verfehlt. Zwar ist es mit viel Disziplin und dank der elektrischen Phasen im Stadtverkehr möglich, unter sechs Litern zu bleiben. Als Schnitt haben wir aber glatte 7,0 l/100 km notiert.

renault espace im test: noch immer ein familienfreund?

Was er bietet:

Das Basismodell “Techno” bringt unter anderem 19-Zoll-Leichtmetallfelgen und eine sensorgesteuerte elektrische Heckklappe mit, ferner Zwei-Zonen-Klimaautomatik, die Kombination aus 12,3-Zoll-Tachodisplay und 12-Zoll-Touchscreen inklusive Open-R-Link-Infotainment und Navi, außerdem Assistenzsysteme wie Rückfahrkamera, Tempomat und Verkehrszeichenerkennung. Die Hinterradlenkung “4control advanced” kommt ab mittlerem Level “Esprit Alpine” hinzu. Das Topmodell “Iconic” ist darüber hinaus mit Around-View-Monitor, Lenkradheizung und Lederpolsterung sowie elektrisch verstellbaren und beheizten Vordersitzen ausgestattet. Zu den aufpreispflichtigen Extras gehören beispielsweise Matrix-LED-Scheinwerfer, Adaptivtempomat, Head-up-Display oder der Active Driver Assistant mit teilautomatisierten Fahrfunktionen.

Was er kostet:

Ab 43.800 Euro.

Was wir meinen:

Der Renault Espace VI gibt sich als SUV. Doch was Platzangebot, Variabilität und Praktikabilität anbelangt, ist er dem ursprünglichen Wesen eines Vans treu geblieben. Familien dürften nach wie vor große Freude an dem Franzosen haben. Der Vollhybridantrieb ist nicht ganz perfekt, aber ausreichend leistungsstark und angesichts von Fahrzeuggröße und -gewicht noch hinreichend sparsam.

Ulla Ellmer

Datenblatt: Renault Espace E-Tech Full Hybrid 200 (7-Sitzer)

Antrieb: Otto-Vollhybrid, 6-Gang-Automatikgetriebe, Vorderradantrieb

Benzinmotor:

Hubraum 1199 ccm

Zylinder 3

Leistung 96 kW/131 PS

max. Drehmoment 230 Nm bei 17500 U/min

Elektromotor:

Leistung 51 kW/69 PS

Hybridantrieb:

Systemleistung 147 kW/200 PS

Batterietyp Lithium-Ionen

Batteriekapazität 1,7 kWh brutto

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Höchstgeschwindigkeit 174 km/h (abgeregelt)

Beschleunigung 0 – 100 km/h 8,8 sec

Normverbrauch WLTP 4,9 – 4,7 l S/100 km

Testverbrauch 7,0 l/100 km

CO2-Emission 110 – 107 g/km

CO2-Klasse C

Schadstoffnorm Euro 6d-ISC-FCM

Länge 4,72 m

Breite 1,84 ohne, 2,08 m mit Außenspiegeln

Höhe 1,64 m

Radstand 2,74 m

Sitzplätze 7

Gepäckraum 212 bis 2054 l

Tankinhalt 55 l

Leergewicht 1694 kg

zulässiges Gesamtgewicht 2255 kg

Anhängelast 1500 kg (gebremst), 750 kg (ungebremst)

Stützlast 85 kg

Dachlast 80 kg

Reifengröße 205/55 R19

Versicherungs-Typklassen 23 (HP), 24 (TK), 23 (VK)

Preis ab 43.800 Euro

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