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Renault 5 E-Tech Electric: Zurück in die Zukunft

Renault hat den R5 neu aufgelegt, als Elektroauto für den Stadtverkehr. Und als Preiskracher: Die Basisversion soll keine 25.000 Euro kosten.

„Wir wollen bewusst ein kleines Auto bauen, nicht die Verkleinerung eines großen. Ein Auto, das Männer und Frauen gleichermaßen gefällt. Ein Auto für die Stadt ebenso für die Reise. Ein Auto schließlich, das in der Lage ist, soziale Grenzen zu überschreiten – weil sich die Frau von Welt, der Arzt und der Arbeiter mit ihm vor einer roten Ampel treffen und sich dabei gleichermaßen wohl fühlen können.“

Über 50 Jahre ist es her, dass Renault-Designer Michel Boé diese Worte sprach – bei der Vorstellung des Renault 5 im Frühjahr 1972. Die Autoindustrie befand sich damals in schweren Turbulenzen – die erste Ölkrise hatte die Absatzzahlen einbrechen lassen und auch schon die Frage aufgeworfen, ob das Auto überhaupt noch eine Zukunft hat. „In diese graue und gedämpfte Stimmung platzte der bunte und fröhliche Renault 5 wie Komiker Louis de Funés in eine Beerdigungsgesellschaft“, heißt es in einer Festschrift zum 30-jährigen Jubiläum der Silikone, von der die Franzosen zwischen 1972 und 1994 mehr als neun Millionen Exemplare verkauften.

renault 5 e-tech electric: zurück in die zukunft

Grüne Pop-Art Leuchtende Farben, die dem Farbenkatalog der 1970er Jahre entnommen sind, sollen dem Renault 5 Aufmerksamkeit bescheren. Die extrovertierte Lackierung in „Pop Green“ gibt es in der Ausstattung Techno sogar ohne Aufpreis.

Nun kehrt der Renault 5 auf den Markt zurück, in einer ähnlichen Zeit des Umbruchs wie damals, unter ähnlichen Vorzeichen und mit ähnlichen Erwartungen. „Es wurde nicht nur entwickelt, um den Übergang zu elektrischer, vernetzter Mobilität zu unterstützen – als Teil eines umweltschonenderen und nachhaltigeren Ansatzes – sondern auch, um eine Schlüsselrolle bei Wandel der Renault Group zu einem Automobilunternehmen der nächsten Generation zu spielen“, sagte Renault-Chef Luca de Meo bei der Enthüllung des Renault 5 E-Tech Electric auf dem Genfer Automobilsalon (26. Februar bis 3. März).

Neuauflage im „retrofuturistischen“ Design

„Der kleine Freund“, wie ihn Renault seinerzeit bewarb, bewahrt mit vielen Design-Zitaten den Charme des Klassikers. Allerdings ist die Neuauflage im „retrofuturistischen“ Design deutlich größer geraten: Aus 3,51 Meter Länge sind 3,92 Meter geworden, die Breite wuchs um 22 Zentimeter auf 1,77 Meter. Und auch nach oben ging es um zehn Zentimeter: Die gestiegenen Sicherheitsanforderungen fordern ebenso Tribut wie der flüssigkeitsgekühlte Akku, der nun im Fahrzeugboden sitzt, um den kleinen Revolutionär lärm- und emissionsfrei in eine klimafreundliche Zukunft zu tragen. Auf 18 Zoll großen Rädern und einer neuen, „AmpR Small“ genannten Plattform, die leicht skalierbar ist. Schon bald wird sie unter anderem eine elektrische Neuauflage des kaum weniger legendären Renault 4 tragen.

renault 5 e-tech electric: zurück in die zukunft

Im Stil der neuen Zeit Farbenfroh geht es auch im Innenraum des Renault 5 zu, wird die Ausstattung „Iconic Five“ gewählt. Das Cockpit zitiert mit seiner abgestuften Struktur und der gestoppten Polsterung den Klassiker aus den 1970er Jahren.

Mit elektrischen Kleinwagen kennt sich Renault aus: Vom Zoe hat der Konzern seit der Markteinführung 2013 bis heute über eine halbe Million Exemplare verkauft. Die Erfahrungen damit – sowohl gute wie schlechte – sind in die Entwicklung des R5 Electric eingeflossen, der den Zoe ablöst und alles viel besser machen soll als sein (nicht mehr bestellbarer) Vorgänger.

Und der dabei angeblich nicht teurer wurde, sondern eher günstiger: Angeboten werden soll die Basisversion des R5 im kommenden Jahr schon zu einem Preis von unter 25.000 Euro. Das sind zwar einige Tausender mehr als 2013 für die erste Generation der Zoe aufgerufen wurde (21.000 Euro). Aber die hatte auch nur einen 22 kWh großen Akku an Bord – der obendrein auch noch gemietet werden musste. Inklusive 50 kWh-Akku wurden für eine topausgestattete Version Zoe 135 der zweiten Generation zuletzt Preise von fast 40.000 Euro aufgerufen. Daran wird sich der R5 Electric zu messen haben.

Zum Start gibt’s erst mal nur die Topversion

Aber erst einmal wird es wohl nicht viel günstiger. Denn Renault startet im Herbst den Verkauf des R5 Electric zunächst nur in den Topversionen – irgendwoher muss das Geld ja herkommen. In den Ausstattungsvarianten „Techno“ und „Iconic Five“, mit einer Nickel-Mangan-Cobalt-Mangan-Akkumulator mit 52 kWh Speicherkapazität und einem Elektromotor, der auf dem des Mégane E-Tech aufbaut und hier bei einem maximalen Drehmoment von 245 Newtonmetern eine Spitzenleistung von 110 kW oder knapp 150 PS aufbringt. Und das bis zu einer Spitzengeschwindigkeit von 150 km/h.

Aufgrund der hohen Leistungsdichte der Batteriezellen und einer neuen Generation von Leistungselektronik sollen sich damit Reichweiten von bis zu 400 Kilometer darstellen lassen. Das wären immerhin ein paar Kilometer mehr als mit der Zoe, die spätestens nach 385 Kilometer eine Ladesäule aufsuchen musste.

renault 5 e-tech electric: zurück in die zukunft

Seitenverkehrt Geladen wird der Akku des Renault 5 über einen Ladeport vorne links – bei Ladesäulen am Straßenrand wird der Fahrer gezwungen, gegen die Fahrtrichtung zu parken. Und das länger: Statt 22 kW nimmt der R5 Wechselstrom nur mit 11 kW auf.

Auch bei der Ladegeschwindigkeit gibt es einen kräftigen Zuschlag. Am Schnelllader nimmt die Version mit großem Akku den Gleichstrom serienmäßig mit bis zu 100 kW auf, bei der Variante mit 40 kWh sind maximal 80 kW drin.

Der besondere Clou aber ist die Fähigkeit des R5 Electric, Wechselstrom mit bis zu 11 kW bidirektional zu laden – also den im Akku gespeicherten Strom über eine geeignete Wallbox auch wieder abgeben zu können. Ins Haus- (V2H) oder öffentliche Netz (V2G) – oder (per Adapter) ganz einfach zum Betrieb eines externen Elektrogeräts.

Das bidirektionale Wechselstrom-Ladegerät hat Renault allerdings nur in den beiden stärkeren Versionen des R5 mit 90 und 110 kW Antriebsleistung verbaut. Im 70 kW starken Modell fließt der Strom weiterhin nur in einer Richtung. Und im Unterschied zur Zoe auch nur noch mit 11 kW. Weiteres Manko: Statt wie bei der Zoe in der Front oder vorne rechts wie bei Megane wurde der Ladeport beim R5 vorne links montiert. Da muss wohl ein Brite am Werk gewesen sein: Nur in Ländern mit Linksverkehr bringt diese Positionierung Vorteile. In Ländern mit Rechtsverkehr wie in Deutschland ist es eher ein Handicap.

renault 5 e-tech electric: zurück in die zukunft

Schau mir ins Auge, Kleiner Für eine Interaktion zwischen Mensch und Maschine sorgen die pupillenförmigen LED-Scheinwerfer, die dem Besitzer zublinzeln, wenn er sich dem Auto nähert. Hier die Version des R5 Electric in Nacht-Blau. Fotos: Renault

Aber wir wollen mal nicht zu kleinlich sein und uns lieber an den vielen netten Details erfreuen, die Renault seinem neuen R5 mitgegeben hat, um die Erinnerung an die Vergangenheit wach zu halten – oder das Fahren angenehmer und komfortabler zu machen. Der frühere Lufteinlass auf der Motorhaube wurde in eine Ladeanzeige umfunktioniert, das Armaturenbrett in Struktur und mit Bezügen dem im Klassiker nachempfunden. Begrüßt wird der Fahrer mit einem Klangteppich, den der bekannte französische Komponist Jean-Michel Jarre komponiert hat. Und wenn der Fahrer nicht mehr weiter weiß, kann er „Reno“ zu Hilfe rufen – einen interaktiven Avatar, der alles über das Auto weiß und auch erklären kann, wie man im Notfall einen Reifenwechsel kann.

Elektrische Pop-Kultur

Die Renault-Ingenieure haben dem R5 eine geräuschdämmende Frontscheibe und ein „smart cocoon“ genanntes Schallschutzsystem spendiert, um den kleinen Stromer auch für die Insassen flüsterleise zu machen. Und obendrein gibt es jede Menge Assistenzsysteme – die fünf Sterne beim Euro-NCAP-Sicherheitscheck sind damit garantiert. Und weil die Welt derzeit so trist ist, hat Renault die alte poppige Farbpalette hervorgekramt, mit der vor 52 Jahren der erste R5 die Lebensfreude betonte. Zu Orange und Himmelblau konnten sich die Designer nicht durchringen, aber mit „Pop Yellow“ und „Pop Green“ gibt es zwei Lackierungen, die den R5 Electric ganz sicher aus der grau-schwarzen Masse herausheben werden.

Das alles sind gute Voraussetzungen für die Wiederholung des Markterfolgs. Zumindest die des klassischen R5 mit Benziner. Die elektrische Variante, die zwei US-Amerikaner entwickelt hatten und in den USA unter dem Namen „Lectric Leopard“ anboten, hatte nur ein kurzes Leben: Nach 400 Exemplaren hatte damit die „Renaulution“ ein Ende. Damals war die Zeit dafür noch nicht reif.

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