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Elektroautos von Renault: Retten uns die kleinen Franzosen?

elektroautos von renault: retten uns die kleinen franzosen?

Willkommen zur retrofuturistischen Offensive, denn eine Legende ist zurück, in elektrisch: Renault 5 E-Tech Electric

Es hat eine lange Tradition, dass man, wenn man sich einen Renault kauft, ein Kunstwerk gratis mit dazubekommt. Das Symbol des Autoherstellers, der Rhombus, wurde zum Beispiel 1972 von dem berühmten Künstler Victor Vasarely neu designt – als flimmerndes Op-Art-Streifenkunstwerk. Wer sich den im gleichen Jahr vorgestellten Renault 5 kaufte, hatte auf der Motorhaube eines der erfolgreichsten Multiples der Welt kleben: Bei dem Autohersteller, der die Massen motorisierte, gab es also 1972 Kunst für alle. Der Renault 5, der in verschiedenen Versionen bis 1996 gebaut wurde, war einer der erfolgreichsten Kleinwagen der Welt: Neun Millionen Kunden kauften das Auto mit den charakteristischen Plastikstoßstangen, dessen wohlig knurrender Einlitermotor lange zur Klangkulisse französischer Städte gehörte.

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Modern, übersichtlich, erschwinglich: Dieses Auto könnte viel verändern

Jetzt gibt es wieder einen Renault 5 – allerdings keinen knurrenden Verbrenner mehr, denn der neue R5 ist ein Elektroauto. Aber man bekommt beim Kauf wieder ein Kunstwerk dazu – diesmal keins zum Anschauen, sondern eins zum Hören: Alle Sounds, von Begrüßungs- bis zu Warngeräuschen, hat Jean-Michel Jarre, der heute 75-jährige französische Pionier der elektronischen Musik, komponiert.

Nicht nur deswegen ist der popbunte, mit 25.000 Euro Kaufpreis vergleichsweise erschwingliche Mini-Konkurrent, der auf dem Autosalon in Genf vorgestellt wurde, ein Auto, das vieles verändern könnte. Denn bisher gibt es mit der im Hinblick auf das Klima gewünschten Umstellung des Massenverkehrs auf Elektroautos ein Problem. Die Politik will sie, die Umweltverbände wollen sie – nur die, die sie fahren sollen, wollen sie eher nicht. Jedenfalls nicht in dem Maße, in dem es nötig wäre. Die Kunden kaufen mehrheitlich immer noch lieber Verbrenner.

Dafür gibt es viele Gründe, einer von ihnen lautet: Design. Kein Elektroauto, das für Normalverdiener erschwinglich ist, sah bisher so aus, dass man sich denkt, Ladeprobleme hin oder her, das da muss ich unbedingt haben. Der Tesla – Model 3 – hat eine Nase wie Darkwing Duck, dem Fiat 500 haben die Gestalter in seiner Elektroausgabe einen Schnitt durch die Scheinwerfer­augenlider gezogen, sodass er nun aussieht wie der dicke Kater Garfield, den man aus dem Mittagsschlaf gerissen hat. Vom Design aktueller Elektro-Volkswagen kann man ohne Schauder nicht sprechen – der 2,2 Tonnen schwere ID.4 sieht aus wie ein Passat, der ein Nilpferd verschluckt hat.

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Das klassenlose Gefährt für alle: Der Renault 5 von 1972 wurde einer der erfolgreichsten Kleinwagen der Welt

Paris trotzt SUV-Trend

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Der neue Clio E-Tech Hybrid – inklusive genähter Trikoloren

Klein, leicht, günstig: Das schien in der Automobilwelt vorbei zu sein. Die Gewichtszunahme der Autos hat alle Fortschritte, die die Motorenentwicklung seit 1990 vorzuweisen hatte, wieder zunichtegemacht. Dazu kommt, dass ausgerechnet im Moment der Klimakrise die Hersteller ihre kleinsten Modelle einstellen, weil sie nicht genug Rendite abwerfen: Mercedes kippt die A-Klasse, Ford stellt den Kleinwagen-Klassiker Fiesta ein. Wir schreiben das Jahr 2024, und die ganze Welt wird mit adipösen SUVs vollgeparkt. Die ganze Welt? Nein – ein kleines gallisches Dorf namens Paris leistet Widerstand.

In Frankreich wird die Tradition des klug gemachten, bezahlbaren Volks-Wagens gerade wiederentdeckt. Renault hat eine lange Tradition im Bau von wegweisenden Kleinwagen. 1961 erschien der Renault 4, der vom Prinzip her eine bessere, stabilere und praktischere Ente mit großer Heckklappe war. Man konnte die Sitzbänke zu einem Bett umbauen, dann war der R4 ein Campingmobil, man konnte Waschmaschinen und Umzugskartons damit transportieren, man konnte ihn wie einen Geländewagen benutzen.

Mit wachsendem Wohlstand entstand Anfang der Siebzigerjahre das Bedürfnis nach Stadt- und Zweitwagen. 1972 kam der Renault 5 und wurde zu Renaults größtem Erfolg, was wohl auch mit am Design lag: Er hatte keine Chromstoßstangen, sondern welche aus hellem Kunststoff, die alle anderen Autos alt aussehen ließen; die Karosserie war abgerundet wie ein Kiesel, das Interieur sah aus wie eine Weltraumstation aus orangefarbenem Velours. Mehr noch als der Renault 4 war der R5 ein klassenloses Auto, gefahren von Studenten, Kleinfamilien, Millionären, Linken, Konservativen.

Der Mann, der den 1996 eingestellten R5 wieder aufleben lässt, heißt Luca de Meo und ist seit 2020 Chef von Renault. Früher war er bei Fiat und hat den damals strauchelnden Turiner Hersteller maßgeblich mitgerettet, in dem er sich für die Wiederauflage des kleinen Fiat 500 einsetzte. Der kam 2007 als Fronttriebler im Retrodesign und ist bis heute einer der meistverkauften aktuellen Kleinwagen. Bei Renault hat de Meo ein Programm namens „Renaulution“ ausgerufen und die Firma seit seinem Amtsantritt wieder profitabel gemacht. Damit das so bleibt, will de Meo, wie er es einst bei Fiat tat, die legendären Kleinwagen der Marke wiederbeleben – den Renault 4, der 2025 als Elektro-SUV wiederkommt, den Twingo von 1991 mit seinen freundlichen Kulleraugen, der 2026 als Stromer zurückkommt – und vor allem den R5, der jetzt den Anfang der retrofuturistischen Offensive macht.

Wie sieht er aus? Kurze Antwort: verblüffend gut. Um die Proportionen zu wahren, wurde der R5 breiter und bekam 18-Zoll-Felgen, was ihn auch neben einem Mini nicht schmächtig aussehen lässt. Die Renault-Designer haben den Scheinwerfern einen Schuss Porsche Taycan und ein bisschen etwas von den Tränen des Lach-Emojis verpasst. Die Hüften des Wagens sind ausgestellt, ein Gruß an den berserkerhaften R5 Turbo aus den Achtzigerjahren. Der neue R5 E-Tech Electric, den es mit Motoren zwischen 95 und 150 PS geben wird, bevor Renaults Sportmarke Alpine eine stärkere Version nachschiebt, braucht 8 Sekunden auf 100. Die Sitzbezüge sind aus recycelten Materialien, in jedem Wagen sind 41 Kilogramm recycelte Polymere verbaut.

Bei Renault haben sie besser begriffen als andere Hersteller, dass die Leute ein Auto für irgendetwas lieben müssen, um es in Scharen zu kaufen; der Erfolg des Mini, der für ein bestimmtes Milieu eine ganze Lebenshaltung ausdrückt (die andere Leute ein bisschen infantil finden), beweist, dass man mit kaum etwas mehr Geld verdienen kann als mit einem gut gemachten Retro-Auto, das nicht nur vier Personen, sondern ein ganzes Lebensgefühl transportiert.

Zum Start des neuen R5 gibt es haufenweise Franchise-Produkte, einen popbunten R5-Kicker, eine R5-Carrera-Bahn – und im Zubehör-Shop einen Baguette-Halter, den man an die Mittelkonsole klemmt und der dem Fahrer jeden Morgen zuraunt: Bonjour Chéri, lass uns zu einer Boulangerie fahren. Dass das Auto dem sich nähernden Besitzer mit seinen LED-Augen zuzwinkert und eine Fünf auf der Motorhaube zu leuchten beginnt, als freue sich der Wagen auf das nahende Herrchen oder Frauchen, ist eher ein Gag, genauso wie der sprechende Avatar „Reno“, ein auf dem 10-Zoll-Display aufgeregt herumhüpfender Renault-Rhombus, den man alle möglichen Dinge fragen kann, Google macht es möglich.

Neben diesen Gadgets gibt es aber ein paar bemerkenswerte technische Eigenschaften. Der Hersteller verspricht eine Reichweite von 400 Kilometern, und erstmals ist bidirektionales Laden möglich. Das heißt: Man kann wie üblich Strom in den Wagen hineinladen, man kann ihn aber auch als rollende Batterie nutzen und aus der Autobatterie Strom ins Netz einspeisen. Das Auto wiegt unter 1500 Kilo – nicht wie der Volkswagen ID.4 über 2,2 Tonnen –, trotzdem kann man zu viert eine längere Fahrt überstehen. Außerdem kann der R5 einen 500 Kilo schweren Anhänger ziehen und teilautonom fahren.

Der Elektro-R5 ist mit nur 3,92 Metern kürzer als der Clio, der 1996 den R5 beerbte und weiterhin parallel zum neuen R5 angeboten wird. Ein Clio, den es ab 18.400 Euro gibt, reicht vollkommen für den Alltag mit zwei Kindern und Autobahnfahrten. Auch er wurde vor Kurzem neu designt und kommt mit einer wilden, an ein leuchtendes Op-Art-Werk erinnernden Lichterlandschaft am Kühlergrill vorgefahren. Innen gibt es ebenfalls die neue Renault-Klanglandschaft, genähte Trikoloren erinnern daran, dass man sich ästhetisch auf französischem Hoheitsgebiet befindet; angetrieben wird er von einem Vollhybridmotor.

Wer den 143 PS starken Clio startet, hört deshalb ebenfalls nur künstliche Tech-Sounds; erst beim Gasgeben, wenn man mit der sportlichen Lenkung um die Ecken düst, schaltet sich ein sonorer Benziner zu. Renault verspricht, dass man in der Stadt bis zu 80 Prozent elektrisch fahren kann, 40 Prozent Benzin spart und dass der selbst aufladende Hybridantrieb bis zu 900 Kilometer Gesamtreichweite bietet, bevor wieder getankt werden muss; Diesel gehören der Vergangenheit an.

Übrigens hatte Renault schon vor genau 50 Jahren, 1974, den damals neuen R5 zum Elektroauto umgebaut, das 110 Kilometer weit kam. Wollte damals keiner haben. Das dürfte jetzt anders sein. Es ist, als ob das glorreiche, zuversichtliche, futuristische Frankreich von 1972, das Land der Concorde, des Centre Pompidou, des Minitel und des TGV wieder da ist. Manchmal dauert es eben etwas länger mit der Revolution. 

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