Caravaning

Mit dem Oldtimer-Camper quer durch Europa - Mercedes L 206 D Camper

Julia Trenker ist 21, ihr Bus ist 48. Doch wie sagt man so schön? Liebe kennt keine Zahlen. Die Österreicherin ist seit drei Jahren mit dem Mercedes L 206 D unterwegs – seit 2022 fährt sie solo durch Europa. Doch einsam ist sie dabei nie.

mit dem oldtimer-camper quer durch europa - mercedes l 206 d camper

“Den Bus habe ich auf Shpock (einer Flohmarkt-App) gefunden,” erzählt die 21jährige Julia aus Österreich. Sie ist zu zweit, aber auch alleine damit unterwegs.

“Sonst, im Alltag, da bin ich eine Perfektionistin”, erzählt Julia Trenker, eine 21 Jahre alte Camperin aus Österreich. “Doch sobald ich im Bus sitze, bin ich keine mehr. Dann gibt es nur mich und die Reise. Was unterwegs passiert, ergibt sich meistens einfach so.” So beschreibt sich die Mercedesfahrerin am Anfang unseres Gesprächs und ihre Augen leuchten dabei. Ja, es scheint Liebe zu sein, was sie und ihren Mercedes L 206 D verbindet. Doch wie kommt es, dass eine junge Frau mit einem Oldtimer durch Europa reist?

Der Weg zum Bus

“Den Bus habe ich auf Shpock (einer Flohmarkt-App) gefunden, während ich im Unterricht an der Modeschule Graz saß”, erzählt Julia und lacht dabei. “Ich komme aus einer recht großen Familie, wir sind fünf Geschwister und unsere Eltern sind regelmäßig mit uns mit dem Wohnwagen in den Campingurlaub gefahren. Nichts Extravagantes, einfach nur auf den einen oder anderen schönen Campingplatz. Doch irgendwann sind wir Kinder zu groß dafür geworden. Als ich dann 2019 mein letztes Jahr an der Modeschule gemacht habe, dachten mein Partner Tobias und ich, wir sollten uns etwas Eigenes anschaffen, um weiterhin mitkommen zu können. Und der Mercedes war einfach Liebe auf den ersten Blick. Bereits ausgebaut, wohlgemerkt.”

Doch was ist das denn überhaupt für ein Mercedes? Im Volksmund heißen der L 206 D und seine Brüder Hamburger (oder Harburger) Transporter, wobei es nichts mit dem Leckerbissen, sondern mit der Hansestadt zu tun hat. Die erste Evolution der Allzweck-Busse wurde 1965 noch von der Firma Tempo unter dem Namen Matador in Hamburg produziert. Als 1965 Tempo von Hanomag übernommen wurde, nannten sich die Fahrzeuge Rheinstahl-Hanomag. 1969 fusionierten Hanomag und Henschel, ein Jahr später wurden sie von Daimler-Benz gekauft. Die Transporter wurden technisch unverändert unter der Marke Mercedes vertrieben.

Für Mercedes war die Übernahme wichtig, um das Transporter-Programm nach unten abrunden zu können. Von 1970 bis 1977 wurden also die Kleintransporter unter dem Stuttgarter Stern gebaut. Julias L 206-Diesel ist mit Baujahr 1974 ein Exemplar der mittleren Serie und dementsprechend trägt er bewährte, ausgereifte und zehntausendfach erprobte Technik. Von der Zuverlässigkeit ihres Oldtimers durfte sie sich gleich nach dem Kauf überzeugen, als sie und ihr Freund den Bus über 430 km auf eigener Achse heimfuhren. “Dabei stand er bereits lange in einer Halle und wurde nicht bewegt. Aber nach einem Ölwechsel, mit neuem Filter und frischem Diesel, lief er wie eine Eins. Ab da habe ich dem Mercedes immer vertraut.”

Reparatur und Restaurierung

Einsteigen und losfahren? “Im Prinzip ja. Der Bus ist schon immer ein Camper gewesen, seit der Erstzulassung vom 7.5.1974. Die komplette Innenausstattung mit 26-Liter-Frischwassertank, Abwassertank, Gasanschlüssen, Gasheizung, Gaskocher, Kombi-Kühlschrank war schon dabei. Es ist lustig, zu sehen, wie das früher alles aussah. Das Bett lässt sich zum Tisch umbauen, unter dem Hubdach sind Radio und Lautsprecher verbaut, die Markise wurde von einem der Vorbesitzer nachgerüstet.” So ging es also am 17.03.2019 in den ersten Campingurlaub ins Ausland, nach Kroatien.

Und allen Unkenrufen zum Trotz hielt der Daimler tapfer durch. Nur die Lautstärke wurde mit der Zeit ein bisschen zu viel. “Klar, der Motor sitzt zwischen den Sitzen, da wird es laut. Ursprünglich war das nur mit Styropor gedämmt. Da war also noch sicher etwas zu machen. Und als wir uns dranmachten, die Schalldämmung zu erneuern, fanden wir heraus, dass der Boden der Fahrerkabine durchgerostet ist. Es blieb uns also nichts anderes übrig, als uns die Finger schmutzig zu machen.”

Im Februar 2020 machten Julia und Tobias sich also an die Schweißarbeiten, erneuerten die Schalldämmung und den Unterbodenschutz. Technisch stand der L 206 D wieder top da. Und siehe da, die Lautstärke hat sich um die Hälfte reduziert. Zumindest aus subjektiver Sicht.

Spontan unterwegs

Mit entrosteter Kabine und gesprächstauglichem Motorengeräusch sind Tobias und Julia nach Dänemark gefahren. “Bis zum Abend vor der Abfahrt stand es nicht fest, ob wir nach Dänemark oder nach Frankreich reisen. So etwas passiert mir eigentlich nie, denn ich plane alles Tage, Wochen oder Monate im Voraus. Beim Reisebus ist es einfach anders. Ich meine, wozu hat man auch einen Camper, wenn man nicht die Spontaneität und die Freiheit genießt? Da geht ja jeder Sinn vom Fahrzeug verloren.”

Der Trip durch Dänemark führt das Paar durch wunderschöne Landschaften, charmante Städtchen und viele Nächte, in denen sie frei standen. “Das mag ich eigentlich mehr als Campingplätze. Klar, eine Dusche ist schon cool, aber das erfordert auch Planung. Wie gesagt, ich lebe unterwegs gerne die ungestrafte Planlosigkeit aus.” Noch vor der Reise nach Dänemark fällt es allerdings auf, dass der Innenausbau nicht mehr ganz reisetauglich ist. “Es hatte einen sehr unangenehmen Geruch gegeben, der nicht wirklich verschwinden wollte.” Und weil die Stauräume ebenfalls zu wünschen übrig ließen, machten Julia und Tobias lieber Nägel mit Köpfen.

Was folgte, war der komplette Neuaufbau der Innenausstattung. Nein, kein Neuaufbau, eher eine Restaurierung. “Das Besondere an meinem Bus ist ja, dass er schon immer ein Camper gewesen ist. Also wollten wir ihn in jenem Stil erhalten, in dem er damals ausgebaut wurde. Fußpumpe fürs Frischwasser, Radio, originaler Gaskocher und natürlich die Art der Möblierung. Anfang 2022 hat er dann auch ein Gutachten als historisches Fahrzeug bekommen. Versicherungstechnisch hat es übrigens nichts gebracht, denn wir finden keinen Versicherer, der die Fahrzeugarten Oldtimer und Reisemobil unter einen Hut bekommt. Obwohl der Mercedes ein historisches Kennzeichen trägt und ich jeden Tag Fahrtenbuch führen muss.”

Fahrtenbuch, Tagebuch und eine offene Rechnung

Fahrtenbuch führen reicht allerdings niemals aus, um Erinnerungen zu behalten. Vor allem, seit sie solo unterwegs ist, sind Polaroid und Instagram wichtige Werkzeuge für Julia geworden. “Als ich zum ersten Mal allein losfuhr, ging es mir so schlecht, dass ich nach 25 Kilometern bei McDonalds angehalten habe. Nicht, weil ich Hunger hatte, sondern weil ich noch ein bisschen länger in Österreich bleiben wollte. Ich hatte Bauchschmerzen, Übelkeit und war dem Weinen mehr als nahe.”

Auf die Frage, warum sie dennoch allein nach Lagos losgefahren ist, gibt sie eine aufrichtige und ehrliche Antwort. “Ich habe mich nach der Modeschule für ein Studium eingeschrieben, das ich unbedingt machen wollte. Doch schon nach dem ersten Semester wurde mir klar, dass ich eine Fehlentscheidung getroffen habe. Als ich dann in den Semesterferien in Lagos war, um den Kopf freizubekommen, traf ich eine neue Entscheidung und brach das Studium ab. Entgegen meiner bisherigen Zukunftsplanung und ohne eine Alternative. Seitdem hatte ich mit Lagos eine Rechnung offen, denn ich habe mir versprochen, dass ich hierher zurückkehren würde. Dass ich mit dem eigenen Campingbus zurückkommen würde, wusste ich noch nicht. Als ich aber damals im Flieger nach Wien saß, traf ich ein Mädel aus Porto und verstand mich auf Anhieb sehr gut mit ihr. Ihr habe ich auch gesagt, dass ich sie mal wieder besuchen würde. Ich glaube nicht, dass sie das geglaubt hat, dennoch sind wir in Kontakt geblieben. Als ich dann wusste, dass ich komme, haben wir uns sehr über das Wiedersehen gefreut. Auch deshalb bin ich allein gefahren: um nachdenken und nachfühlen zu können. Und vielleicht auch, um zu zeigen, dass Reisen auch allein Spaß macht.”

Instagram und Inspiration

“Es freut mich, wenn Menschen sich von mir inspirieren lassen, selbst auf Reisen zu gehen.” Auf ihrem Instagram-Account @travelbubi teilt Julia regelmäßig ihre Eindrücke. Ohne Werbung und ohne versteckte Agenda. “Ich habe das für 180 Leute angefangen. Es ist und bleibt ein Hobby.” Dass ihr dabei mittlerweile über 130.000 Menschen über die Schulter schauen, stört Julia nicht. “Ich versuche, mich auf das Positive zu fokussieren. Im Internet – wie im echten Leben – gibt es viel mehr freundliche Menschen als unfreundliche. Es haben sich schon Leute als Local Guides angeboten, den einen oder anderen Geheimtipp gegeben, oder sich einfach über das Reisen austauschen wollen.”

Apropos Reisen, gibt es noch ein paar Reiseziele, die Julia unbedingt sehen möchte? “Mit der Oldtimer-Zulassung darf ich den Bus nur 120 Tage im Jahr fahren. Die will ich ausnutzen. Wohin es geht, werde ich wahrscheinlich noch sehr lange spontan am Vorabend entscheiden.” Julia lacht und ich nicke. Ja. So muss es ja auch sein.

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