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„Künstliche Intelligenz ist keine Allheilmittelpille“

Toyota Deutschland rollt derzeit ein eigenes GPT-Tool intern und im Handel aus. Projektleiter Peter-Pascal Meik erklärt, welche Daten-Grundlagen der KI-Einsatz braucht, wie Mitarbeiter mitzunehmen sind und was vom KI-Hype in der Realität übrig bleibt.

„künstliche intelligenz ist keine allheilmittelpille“

Für Peter-Pascal Meik, Manager Digital Innovation & Projects, Toyota Deutschland, ist es obligatorisch, sich jetzt mit KI auseinanderzusetzen, “ansonsten wird man im weltweiten technologischen Wettrennen schnell den Anschluss verlieren.” (Bild: Toyota Deutschland)

Herr Meik, Autobauer experimentieren derzeit an vielen Stellen der Wertschöpfungskette mit Anwendungen generativer KI. Welche Bedeutung messen Sie der Technologie heute und in Zukunft bei?

Zunächst muss ich betonen, dass ich noch nicht so ganz an die Verheißungen der künstlichen Intelligenz im Sinne kreativer neuronaler Netzwerke glaube. Wir sind heute auf der Stufe von Machine Learning, sprich das System ist nur in dem Maße intelligent, in dem ich es mit den entsprechenden Informationen versorge. Darüber hinaus ist es wichtig, vernünftig und behutsam mit den Technologien umzugehen und keinem Hype hinterherzurennen. Viele Probleme oder Anforderungen im Business lassen sich heute noch mit dem etablierten Set an IT-Lösungen oder Anwendungen der Robot Process Automation lösen. Für mich ist klar: KI ist keine Allheilmittelpille, die man schluckt, und alle Probleme dieser Welt lösen sich in Wohlgefallen auf.

Wird hier mal wieder zu früh eine Technologie-Sau durchs automobile Dorf getrieben?

Das würde ich so nicht sagen. Es ist obligatorisch, dass man sich jetzt mit dem Thema auseinandersetzt. Es muss nur nicht jeder Innovator sein, aber in jedem Fall Early Adopter, ansonsten wird man im weltweiten technologischen Wettrennen schnell den Anschluss verlieren.

Gilt es für die Unternehmen, zunächst intern die Hausaufgaben in Sachen Dateninfrastruktur zu machen, bevor man die KI-Ernte einholen kann?

Dem würde ich nicht unbedingt zustimmen. Was es braucht, ist eine gewisse Parallelität der Prozesse: Niemand wird die aktuelle Geschwindigkeit bei KI mitgehen können, der nicht prototypische Applikationen und Business Cases dazu aufbaut und gleichzeitig seine Hausaufgaben in Sachen Datenstruktur und Datenbereinigung erledigt. Ich kenne Unternehmen, die sich beispielsweise seit Jahren die Zähne daran ausbeißen, einen Golden Record der Kunden zu erzeugen und dabei wichtige Zeit für andere Technologie-Herausforderungen verlieren. Wenn ich mich als wirtschaftlich handelndes Unternehmen auf die Zukunft vorbereiten will, muss ich immer auch Raum und Budget freimachen, innovative Geschäftsmodelle zu erdenken und auszurollen, die letztlich wieder darauf einzahlen, Umsatz zu steigern und Kosten zu reduzieren.

Seit einem Jahr setzen Sie einen hauseigenen GenAI-Prototypen ein, um Kunden den Zugang zu Handbüchern zu erleichtern oder die Verkaufsgespräche der Sales-Mitarbeitenden zu optimieren. Welche Erfahrungen haben Sie bislang gemacht?

Die größte Herausforderung – wenn wir nach innen schauen – besteht darin, die Mitarbeiter auf dem Weg mitzunehmen. Das unterscheidet sich von den klassischen IT-Rollouts der Vergangenheit, wenn wir beispielsweise an Lotus Notes oder Microsoft Office 365 denken. Einige Kollegen fragen sich natürlich, welchen Einfluss, welche Konsequenzen hat die KI auf mein Privatleben, auf meinen Job. Andere wiederum haben sich mit dem Thema schon intensiver beschäftigt und haben mit KI weniger Berührungsängste. Es gilt, alle mitzunehmen. Wir haben ToyoGPT daher zunächst intern ausgerollt, damit wir alle Mitarbeiter darauf trainieren können. Wir fragen unsere Kollegen mittels Umfragen ab, welches Wissen beziehungsweise Datenbestand Sie als nächstes in der Lösung nutzen möchten. Hier haben wir bereits konkrete Beispiele wie technische Dokumentationsdaten oder Daten aus verschiedenen Portalsystemen. Im Unternehmenskontext hilft das breite Internetwissen nur bedingt, der eigentliche Mehrwert liegt in den Kontextinformationen, welche in verteilten Systemen im Unternehmen liegen.

Und im Handel?

Im Handel rollen wir ToyoGPT momentan sukzessive aus und stellen dort ein Mandantenkonzept auf, um jedem freien Händler ein individuelles Offering zu unterbreiten. Denn jeder Händler hat seine eigenen Datentöpfe, welche wir mit ToyoGPT dediziert für den jeweiligen Händler verbinden wollen, um das spezifische Wissen dort einzuspeisen und weiterverarbeiten zu können. Natürlich ist das bei über 400 Standorten in Deutschland und Österreich ad hoc kaum zu handhaben, weswegen wir uns aktuell einzelne herauspicken, um die Lernzyklen kurz zu halten und das bestmögliche Angebot aufzustellen, das perspektivisch die schwerwiegenden Pain Points im Handel abdeckt.

„künstliche intelligenz ist keine allheilmittelpille“

Niemand wird die aktuelle Geschwindigkeit bei KI mitgehen können, der nicht prototypische Applikationen und Business Cases dazu aufbaut und gleichzeitig seine Hausaufgaben in Sachen Datenstruktur und Datenbereinigung erledigt.

Peter-Pascal Meik, Toyota Deutschland

(Bild: Toyota Deutschland)

Was ist momentan die größte technologische Herausforderung?

Differenzierung. Unsere europäische Mutterorganisation testet momentan den Microsoft Co-Pilot, der eng verknüpft ist mit Tools wie Powerpoint oder Excel. Und parallel haben wir für unsere Mitarbeiterschaft ToyoGPT ausgerollt und da gilt es jetzt, zu verdeutlichen, welches Tool ich für die tägliche Informationsgenerierung bestmöglich einsetze. Wenn ich beispielsweise an eine interne Datenbank auf der Azure-Cloud zugreifen möchte, die relevante Daten für den deutschen oder österreichischen Markt beinhaltet, verknüpfe ich das eher mit ToyoGPT. Der Co-Pilot ist besser geeignet, wenn es sich um eine microsoft-native Umgebung wie beispielsweise ein Excel-Spreadsheet handelt. Da wage ich mich mit unserem internen Tool gar nicht ran.

ToyoGPT soll auch „vor Kunde“ getestet werden. Wie kommt das KI-Tool draußen an?

Bislang nutzen wir das Tool vor allem indirekt in Richtung Kunden und Geschäftspartner, indem wir es unseren Callcentern bereitstellen. Also im Moment eher als sekundäre Unterstützung. Das liegt in erster Linie am aktuellen Reifegrad der Technologie. Ich bin ohnehin ein Fan davon, vor der eigenen Haustüre zu kehren, ehe man zu den nächsten Häusern zieht, in dem Falle wären das unsere Geschäftspartner. Sobald wir dort ausreichend Erfahrungen gesammelt haben, ziehen wir weiter Richtung Endkunde. Ich bin überzeugt, dass dieser stufenweise Roll-out ein guter Weg des Lernens und des Optimierens ist, um am Ende den bestmöglichen Service vor Kunde zu bringen.

Sie betonen selbst die Datensicherheit der UGPT-Technologie Ihres IT-Partners. Können Sie uns im Kontext der Security mehr technologischen Hintergrund geben?

Wäre es sicher, wenn ich es Ihnen hier offenlegen würde (lacht)? Was ich Ihnen sagen kann: Wir fahren mit dem Framework von Objective Partner einen API-first-Ansatz, über den wir sämtliche Gen-AI- oder Large-Language-Model-Services anbinden können, die beispielsweise über unseren Mutterkonzern durch die Partnerschaft mit Microsoft kommen. Und ganz grundsätzlich ist ToyoGPT auf Basis der UGPT-Plattform eine Individualentwicklung, die aber öffentlich zugängliche Libraries nutzt.

Was haben Sie in Sachen Gen AI noch in der Pipeline?

Wenn wir uns als IT in Zukunft intern vom Cost Center zu einem Profit Center wandeln wollen – und das ist bei Toyota Deutschland unsere klare Strategie – dann müssen wir mit unseren IT-Services auch direkt Geld verdienen. Daher denken wir zurzeit auch über Subscription-Modelle für die KI-Tools nach, die wir unseren Handelspartnern offerieren. Und Stufenlogik folgend, die ich eben erklärt habe, wollen wir solche KI-Abos als erweitertes Angebot auch irgendwann den Endkunden ermöglichen.

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