Der Abstand zwischen dem, was in einem Teil- oder sogar Vollzeitjob übrigbleibt, ist mitunter zu gering gegenüber dem, was sich über Sozialleistungen beziehen lässt. Der Schritt in die derzeit boomende Schwarzarbeit ist für Bürgergeld-Aufstocker teilweise sogar nachvollziehbar.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und WELT-Autor Jan Klauth picture alliance/photothek/Janine Schmitz; Philip Nuernberger
Das ist aber kein „Erfolg“ der Ampel-Regierung, sondern das Resultat eines per Gesetz festgeschriebenen Rechenmechanismus, über den auch WELT mehrfach berichtete. Tatsächlich haben nicht wenige Arbeitnehmer einen Nettoverdienst, der geringer ist als die Summe der Leistungen des Bürgergeldes – sie haben dann aber unter anderem Anspruch auf Wohngeld.
Die Kritik von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Co., dass Arbeit sich weniger lohne, als es sich im Bürgergeld einzurichten, ist deshalb inhaltlich nicht richtig und verfehlt den Kern des Problems.
Denn der liegt woanders: Ja, Arbeit lohnt sich – aber nicht genug. Der Abstand zwischen dem, was jemandem, der in Teil- oder sogar Vollzeit arbeitet, am Ende des Monats übrigbleibt, ist zu gering gegenüber dem, was sich über staatliche Transfers beziehen lässt – Zusatzleitungen und geldwerte Vorteile wie Vergünstigungen oder die Befreiung von Rundfunkgebühren noch gar nicht mit eingerechnet.
Erst wurde das Problem in der Ampel von vielen weggeredet. Nun, da es offenbar erkannt wurde, haben sich die eingangs genannten SPD-Vertreter eine Losung überlegt, die zur Lösung und einem wieder größer werdenden Abstand beitragen soll: höhere Löhne. Wer als regierender Politiker aber nur das verlangt, die Senkung von Steuern und Abgaben jedoch außer Acht lässt, macht es sich zu einfach.
Der heikle Boom der Schwarzarbeit
Denn auch im Gesetz braucht es spürbare Reformen. Eine eigens von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in Auftrag gegebene Studie des Ifo-Instituts hatte kürzlich gezeigt, dass sich gerade für Aufstocker – also Menschen, die arbeiten, aber ergänzend Bürgergeld beziehen – die Ausweitung der Arbeitszeit und damit der Schritt raus aus der Grundsicherung kaum lohnt.
Eine Verdopplung der Stundenzahl hat oft ein nur gering höheres Nettoeinkommen zur Folge, weil vom zusätzlich erarbeiteten Geld ein Großteil wieder abgezogen wird – und die verschiedenen Sozialleitungen frappierend schlecht aufeinander abgestimmt sind. Auch hier zeigt sich: Ja, Arbeit lohnt sich, allein schon wegen der Rentenansprüche – aber mehr Arbeit lohnt sich kaum.
Wie gesagt: Arbeitsminister Heil selbst hatte in Auftrage gegeben, diese Unterschiede untersuchen zu lassen. Wirkliche Konsequenzen sind aus den Erkenntnissen bislang allerdings nicht erfolgt. Wie akut das Problem jedoch ist, zeigt sich auch durch den Boom der Schwarzarbeit. Zwar ist die offiziell registrierte Zahl der Delikte rückläufig. Doch das liegt wohl eher daran, dass die Zollbehörden 2023 fast 20 Prozent weniger Betriebe kontrolliert haben als im Jahr zuvor.
Experten wie der Finanzwissenschaftler Friedrich Schneider gehen davon aus, dass die Schwarzarbeit floriert wie seit Jahren nicht mehr. Schneiders Einschätzung zufolge ist der Umfang der Schattenwirtschaft 2023 auf 463 Milliarden Euro angewachsen, was umgerechnet fast elf Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) entspricht.
Der Schritt in die Schwarzarbeit ist gerade für Minijobber und Bürgergeld-Aufstocker – wenn auch illegal – teilweise sogar nachvollziehbar. Wer nur einen Minijob anmeldet und parallel ergänzende Sozialleistungen bezieht, hat am Ende des Monats mit einem zweiten oder dritten unangemeldeten Minijob deutlich mehr Geld übrig, als wenn diese korrekt angemeldet würden. Auch hier bleibt die Ampel Reformen schuldig.
Die Debatte ist mittlerweile so aufgeladen, dass sie für die SPD und ihre Ampel-Partner wahlentscheidend werden könnte. Die Regierung hat nun noch knapp anderthalb Jahre Zeit, um die Fehler zu korrigieren. Wenn Heil und Co. hier nicht liefern, können sie der Wählerwanderung hin zur AfD nur noch weiter zusehen.