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Hat sich der Freistaat beim A4-Ausbau verzockt?

Sachsen hätte Strukturmittel-Gelder für den nun gescheiterten Autobahn-Ausbau beantragen können. Warum der Freistaat das nicht getan hat.

hat sich der freistaat beim a4-ausbau verzockt?

Wie hier auf Höhe von Bautzen ist die A4 bislang nur vierspurig ausgebaut. Der Bund hat einem Ausbau auf sechs Spuren nun eine Absage erteilt. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Die A4 östlich von Dresden wird nicht auf sechs Spuren ausgebaut – und die Kritik daran reißt nicht ab. So nennt etwa Bautzens Landrat Udo Witschas (CDU) die Entscheidung “eine Form der Realitätsverweigerung”. Auch sein Görlitzer Amtskollege Stephan Meyer (CDU) zeigt sich erschüttert. Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Landtag, Jan Hippold, warnt gar, die Ablehnung könne den Strukturwandel in Ostsachsen gefährden. „Auf der Strecke Dresden – Görlitz fahren täglich 45.000 Fahrzeuge! Ein Großteil des europäischen Ost-West-Transits wird über die A4 abgewickelt. Wer hier keinen Bedarf für einen Ausbau sieht, muss blind sein!“

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, hatte am Dienstag erstmals öffentlich über die Entscheidung informiert, die offensichtlich schon vor Monaten gefallen ist. Die sächsische Staatsregierung wisse bereits seit Mitte Oktober davon, sagte der SPD-Politiker – und schob zugleich den Schwarzen Peter zurück in Richtung Sachsen. Ebenso wie das Bundesverkehrsministerium weist er darauf hin, dass der Freistaat ja hätte Strukturmittel-Gelder des Bundes für den A4-Ausbau beantragen können. Davon habe dieser aber keinen Gebrauch gemacht.

Stattdessen hätten Bund und Freistaat vereinbart, den Autobahn-Ausbau außerhalb des Strukturwandel-Topfes zu prüfen. Unter einer Bedingung: Das Verkehrsaufkommen auf der Autobahn müsse den Ausbau begründen. Laut Fernstraßenausbaugesetz des Bundes ist dafür ein “unvorhergesehener höherer Verkehrsbedarf, insbesondere aufgrund einer Änderung der Verkehrsstruktur” erforderlich. Dieser Bedarf habe sich bei der Prüfung nicht bestätigt. Hat sich Sachsen beim A4-Ausbau also verzockt?

“A4-Ausbau hat nichts mit Strukturwandel zu tun”

Das sächsische Wirtschaftsministerium widerspricht, denn aus seiner Sicht ist der Autobahn-Ausbau erst einmal Sache des Bundes und habe daher “nichts mit dem Strukturwandel in der Lausitz zu tun”. Grund für die Belastung der A4 sei der zunehmende Anteil von Lastkraftwagen in und aus Richtung Osteuropa. Dieses Problem müsse der Bund also ohnehin lösen.

Der Ausbau der östlichen A4 sei zwar in einem Entwurf des Strukturstärkungsgesetzes enthalten gewesen, um ihn dadurch zu beschleunigen. Da die von Sachsen eingereichten Projekte aber das Budget um mehr als das Dreifache überstiegen, habe man priorisieren müssen. “Eine Aufnahme wäre definitiv zulasten anderer, ebenfalls wichtiger Maßnahmen gegangen”, erklärt eine Referentin des Ministeriums. So schafften es die Großforschungsinstitute wie das neue Astro-Zentrum in Görlitz in das Strukturstärkungsprogramm, die A4 dagegen nicht.

“Beim Ausbau der A4 gab es zumindest noch Hoffnung, durch Gespräche mit dem Bund auf anderem Wege eine Realisierung zu erreichen”, so die Referentin weiter. 2021 hatte der Bund in einer Absichtserklärung noch einmal unterstrichen, hinter der Erweiterung zu stehen. Nun sehe er aber nicht mehr den fachlichen Bedarf.

Planungen laufen nur noch für A4 westlich von Dresden

Laut Bundesverkehrsministerium wurden die Planungen für den Ausbau der östlichen A4 deshalb bereits weitgehend eingestellt: “Die Autobahn GmbH des Bundes ist aufgefordert, planerische Aktivitäten zu Verkehrsverbesserungen derzeit auf das A4-Teilstück zwischen Nossen und Dresden zu konzentrieren.” Das betreffe auch eine Freigabe der Seitenstreifen als Übergangslösung, von der für den östlichen Teil der Autobahn keine Rede mehr ist.

Der Dresdner Bundestagsabgeordnete und Obmann im Ausschuss für Verkehr, Torsten Herbst (FDP), hatte diese Variante ins Gespräch gebracht. Mit einer unwirtschaftlichen Ausbaumaßnahme werde man vor jedem Gericht scheitern. Die Seitenstreifen der A4 zu Fahrspuren auszubauen, sei da die schnellere Maßnahme. „Das darf jetzt aber nicht erst in zehn Jahren passieren“, so Herbst.

Scharfe Kritik kommt auch aus der Wirtschaft. Die Beweggründe und Fakten hinter der Entscheidung müssten auf den Tisch, fordert der Präsident der Dresdner Handwerkskammer, Jörg Dittrich. “Die Region erstickt schon heute im Stau auf der Autobahn. Jeder Handwerker kann von Staus und Verkehrsbehinderungen erzählen, die ihn an seiner Arbeit hindern. Und wenn die Handwerker im Stau stehen, arbeiten sie nicht an der Energiewende.”

    Bautzens Landrat sieht ein Glaubwürdigkeitsproblem der Bundespolitik. “Zusagen müssen belastbar sein. Was gibt das für ein Bild, wenn der Bund erst eine 50 Mann starke Niederlassung in Bautzen ansiedelt, die den Ausbau planen soll, und danach alles infrage stellt?”, fragt Udo Witschas.

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