Mit einem 80.000 Euro teuren Luxus-Stromer im Direktvertrieb startet General Motors die Rückeroberung des europäischen Marktes.
Bald sieben Jahre ist es her, dass General Motor für 1,3 Milliarden Euro Opel an die französische PSA-Gruppe verkaufte und Europa weitgehend den Rücken kehrte. Im Geschäft blieb man auf dem alten Kontinent lediglich mit dem Sportwagen Chevrolet Corvette sowie dem Kompakt-SUV Cadillac XT4. Doch auf Dauer konnte und wollte der einstmals weltgrößte Automobilhersteller aus Detroit den europäischen Markt nicht ignorieren.
Nachdem GM-Chefin Mary Bara bereits im vergangenen Jahr angekündigt hatte, jenseits des Atlantiks wieder nach Wachstumsmöglichkeiten zu suchen, macht sie nun Nägel mit Köpfen: Mit Wirkung zum 7. Mai nimmt der Konzern das Europa-Geschäft mit dem Direktvertrieb des Elektro-SUV Cadillac Lyriq offiziell wieder auf. Bereits seit vergangenen November ist der fünf Meter lange Allradler mit einer Reichweite von Reichweite von etwa 530 Kilometern in Schweden und der Schweiz im Angebot – nun sollen auch in Deutschland Käufer für den wenigstens 80.500 Euro teuren Stromer gefunden werden.
Stattliche Erscheinung Mit einer Länge von fünf Metern und einem markanten Design hebt sich der Cadillac Lyriq sicher aus der Masse der oft rundgelutschten Elektro-SUVs aus China heraus, die derzeit auf den deutschen Markt drängen. Fotos: Cadillac
„Europa ist der zweitgrößte und am schnellsten wachsende Markt für Elektroautos in der Welt, und wir freuen uns, den Kunden hier mit dem Cadillac Lyriq ein neues vollelektrisches Premium-Erlebnis anbieten zu können“, warb Chief Commercial Officer Pere Brugal. Ziel sei es, in Europa strategisch und schrittweise ein starkes wie profitables Geschäft mit Elektroautos aufzubauen – der aktuellen Nachfrageschwäche zum Trotz. Der ehemalige Tesla- und BYD-Manager ist überzeugt: „Die ist vorübergehender Natur.“
Direktvertrieb übers Internet
Touch and Feel Cadillac lässt dem Fahrer des Lyriq die Wahl, wie er bestimmte Funktionen steuert – über den Touchscreen auf der Mittelkonsole oder wie gewohnt über Tasten: Die 120 Jahre alte US-Marke pflegte noch nie einen minimalistischen Stil.
800-Volt-Architektur erwogen – und verworfen
Im optimalen Fall könne über den CCS-Anschluss in einer Viertelstunde Energie für rund 200 Kilometer Fahrstrecke aufgenommen werden“, warb GM-Chefingenieur Dave Stutzman in einem Pressegespräch. Eine 800-Volt-Architektur, die noch höhere Ladeleistungen ermöglicht hätte, sei zwar überlegt worden, dann aber aus Kostengründen verworfen worden. „Als das Fahrzeug entwickelt wurde, war auch noch nicht absehbar, ob sich die Technik durchsetzt und ob sich die wenigen Vorteile, die sie bietet, ein Kaufargument sein würden“, erklärte Stutzman dazu. Man sei damals zu dem Schluss gekommen, dass Kunden andere Aspekte wichtiger seien – beispielsweise eine hohe Laufruhe.
Cadillac hat deshalb großen Aufwand für die Geräuschdämmung getrieben – und für den Marktstart in Europa auch noch einmal das Fahrwerk angepasst. So verfügt der knapp 2,8 Tonnen schwere Lyriq hier unter anderem über eine Bremsanlage von Brembo sowie über adaptive Dämpfer. Serienmäßig sind zudem ein beheiz- und belüftbare Ledersitze mit Massagefunktion, ein Audio-System mit 19 Lautsprechern sowie eine Armada an Assistenzsystemen inklusive „Ultra Cruise“ – der Autopilot erlaubt auf freigegebenen Autobahnabschnitten das freihändige Fahren bis Tempo 130. Dazu ist das Fahrzeug mit Megapixel-Kameras sowie Radar- und Lidar-Sensoren gespickt, die das Fahrzeugumfeld weiträumig überwachen und eine dreidimensionale 360-Grad-Darstellung der Umgebung erzeugen sollen.
Ob das reichen wird, um gegen die Konkurrenz zu bestehen, bleibt abzuwarten. Das Rennen ist eröffnet.