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Geht der Verbrenner in die Verlängerung?

Ab 2035 droht Benzinern und Dieseln das Aus. Doch die Nachfrage nach E-Autos schwächelt. Das veranlasst viele Automobilhersteller dazu, ihre Elektropläne zu überdenken. China will sich schon gar nicht vom Verbrenner verabschieden. Denn es winken gute Geschäfte.

geht der verbrenner in die verlängerung?

Gefragte Technik: Auch Porsche gibt neben Elektromotoren effizienten und teilelektrifizierten Verbrennungsmotoren eine Chance – wie hier beim Panamera Turbo E-Hybrid. Porsche

Ab 2035 sollen in der EU nur noch Neuwagen zugelassen werden dürfen, die im Fahrbetrieb kein CO2 ausstoßen. De facto läuft das auf ein Verbot von Benzinern und Dieseln hinaus, auch für Hybride und Plug-in-Hybride, die zusätzlich zu ihrem Elektro- einen Verbrennungsmotor nutzen, käme das Aus. Der Straßenverkehr, auf den etwa ein Fünftel der EU-weiten CO2-Emissionen entfallen, soll so seinen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten, speziell in Deutschland hinkt hier kein Sektor so hinterher wie eben der Verkehr.

Die Automobilhersteller, denen bei Nichteinhalten der Flottengrenzwerte hohe Strafzahlungen drohen, haben sich schnell auf die Lage eingestellt. Die Entwicklung neuer Elektroautos (BEVs) wurde stark priorisiert, die von Benzinern und Dieseln zurückgestellt, und die rasch skizzierten Ausstiegspläne aus dem Verbrenner folgten einem Zeitplan, der dem der EU vielfach sogar zuvorkam.

Auf Euphorie folgt Ernüchterung

Getragen von Subventionen wie dem deutschen Umweltbonus ließen sich auch die Verkaufszahlen der neuen Stromer zunächst ermutigend an. Doch der ersten Elektro-Euphorie ist inzwischen eine Katerstimmung gefolgt. Vor allem dort, wo keine Förderprogramme für E-Autos oder Sanktionen für Verbrenner regulatorisch eingreifen, verläuft der Absatz schleppend. Während beispielsweise Norwegen im Juli 2024 auf einen 92-prozentigen Elektro-Anteil an den Neuzulassungen verweisen konnte, waren es in Deutschland nur 12,9 Prozent, was im Vergleich zum Vorjahresmonat einem drastischen Rückgang von fast 40 Prozent gleichkommt.

Elektro Flop, Verbrenner Top?

Das abrupte Aus für die staatlichen Kaufzuschüsse Ende 2023 hat das zarte Pflänzchen Elektromobilität offensichtlich ziemlich schnell und ziemlich effektiv wieder zertreten. Entsprechend ist die Lage im Handel: Bei einer Umfrage des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) unter 348 Autohäusern hatten 91 Prozent angegeben, dass sich die Situation bei privaten BEV-Bestellungen “sehr schlecht” oder “schlecht” darstellt. Hingegen rechnen 39 Prozent mit einer guten bis sehr guten Auftragsentwicklung bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.

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“Wir befinden uns mit den BEVs auf einem historischen Tiefstand”, sagte ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn dem Fachmagazin “kfz-betrieb”, und sprach gleichzeitig von einem “Revival des Verbrenners”. In dieses Bild passt auch das Ergebnis einer weiteren Erhebung, die das Portal “Autoscout24” unter deutschen Autofahrern und Autofahrerinnen durchgeführt hat: Rund 44 Prozent der Befragten sprachen sich gegen das geplante Verbrennerverbot aus, weitere 26 Prozent plädierten zumindest für eine Verschiebung über 2035 hinaus. Selbst Menschen, die bereits Erfahrungen mit Elektromobilität gemacht haben, zeigen sich skeptisch: Gemäß einer Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey will ein Viertel der deutschen Elektroauto-Fahrer und -Fahrerinnen beim nächsten Autokauf wieder über einen Verbrenner nachdenken.

Bekenntnis zur E-Mobilität – aber…

Die nicht nur in Deutschland vorherrschende Stromer-Flaute veranlasst die Automobilindustrie dazu, Kurskorrekturen an ihrer Elektro-Strategie vorzunehmen. Zwar liefern die meisten Hersteller nach wie vor ein längerfristig klares Bekenntnis zur E-Mobilität ab. “Daran führt eindeutig kein Weg vorbei”, sagt etwa Seat-Entwicklungschef Werner Tietz, und VW-CEO Oliver Blume erklärte gegenüber der “Welt am Sonntag”, dass “die Technologie dem Verbrenner hochüberlegen” sei und “mit dem richtigen Strommix maßgeblich zum Klimaschutz beiträgt”.

Jobverluste drohen

Zunehmend ändern sich aber die Zeitpläne. Nach dem desaströsen Diesel-Skandal hat sich vor allem der Volkswagen-Konzern mit milliardenschweren Investitionen konsequent der Elektromobilität verschrieben. In Zwickau, wo ausschließlich E-Autos gebaut werden, stehen nun aber 1200 befristete Arbeitsverträge vor dem Aus, gleichzeitig musste der Start neuer Elektromodelle verschoben werden, darunter das Prestigeprojekt “Trinity”, das gleichnamige E-SUV kommt nun nicht 2026, sondern womöglich erst 2032 auf den Markt. Bei Audi wiederum droht dem belgischen Werk Brüssel, in dem der Q8 e-tron produziert wird, die Schließung. “Die Nachfrage nach elektrischen Oberklassemodellen entwickelt sich schwächer als erwartet”, wird Audi-Produktionsvorstand Gerd Walker vom “Handelsblatt” zitiert.

geht der verbrenner in die verlängerung?

BMW stellt sein Stammwerk in München zwar komplett auf Elektroautos um, die Produktion von Verbrennermotoren ist aber nur verlagert worden, nach Hams Hall in Großbritannien und zu Steyr im österreichischen Graz. Auf einen festen Zeitpunkt zum Verbrenner-Aus wollte sich BMW-Chef Oliver Zipse sowieso nie festlegen und wurde dafür heftig gescholten. Er glaube zwar “fest an die Zukunft der E-Mobilität”, sagte Zipse der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, “aber eben nicht ausschließlich”. Benziner und Diesel sollen so lange angeboten werden, wie ein Markt dafür vorhanden ist.

Nicht mehr “Electric Only”

Mercedes hat vor drei Jahren eine konsequente “Electric Only”-Strategie ausgerufen, bis zum Ende des Jahrzehnts wollte man zumindest auf Märkten, die dieses hergäben, vollelektrisch werden. Das wurde von Konzernchef Ola Källenius inzwischen revidiert, stattdessen stellt er auch wieder “hochmoderne, elektrifizierte Verbrenner” in Aussicht. Porsche plant “bis ins nächste Jahrzehnt einen Antriebsdreiklang”, wie es heißt, die vierte Cayenne-Generation wird zwar ebenso wie der neue Macan vollelektrisch, gleichzeitig wolle man aber die aktuellen Hybrid- und Verbrenner-Modelle “mit hohem technischen Aufwand weiterentwickeln”, auch der V8-Biturbo würde “durch aufwendige technische Maßnahmen auf zukünftige Gesetzesanforderungen vorbereitet”.

Elektro-Budget gekürzt

Nach Milliardenverlusten im ersten Halbjahr weicht auch Ford die Elektro-Strategie auf, Konzernchef Jim Farley plant wieder mehr mit Hybridantrieben, die Investitionen in Elektromobilität wurden von 40 auf 30 Prozent des jährlichen Kapitalbudgets gekürzt. Stellantis mit seinen Marken wie Opel, Peugeot, Fiat oder Jeep reagiert ebenfalls auf die Kaufzurückhaltung bei Stromern, anders als ursprünglich geplant gibt es beispielsweise den Jeep Avenger, die Fiat-Modelle Grande Panda und 600, den Lancia Ypsilon oder den Opel Frontera nicht nur vollelektrisch, sondern auch als (Hybrid-)Benziner. Die kleinen Kastenwägen Citroën Berlingo und Peugeot Rifter, die vorübergehend nur rein elektrisch zu haben waren, sind wieder als Benziner und Diesel erhältlich, ebenso wie der Fiat Doblo.

“Wir verfolgen einen Multi-Solution-Ansatz”, sagt auch Mazda-Sprecher Jochen Münzinger und verweist auf hocheffiziente Verbrennungsmotoren, die parallel zu batterieelektrischen Antrieben nach wie vor eine Rolle spielen würden.

New Energy heißt nicht vollelektrisch

Nicht vergessen werden darf zudem, dass ein Verbrenner-Verbot wie in der EU in anderen Weltgegenden kein Thema ist, nicht einmal in China. Beim Lob der dort vorherrschenden hohen Elektroauto-Zulassungszahlen wird mitunter übersehen, dass es sich bei fast der Hälfte der sogenannten “New Energy Vehicles” (NEV) um (Plug-in-)Hybride handelt, die zusätzlich zum E- einen Verbrennungsmotor besitzen.

geht der verbrenner in die verlängerung?

Was aber, wenn sich gerade die erfahrenen deutschen Hersteller irgendwann tatsächlich ganz oder zumindest teilweise vom Benziner und vom Diesel verabschieden? Dann springt just China in die Bresche. Am 31. Mai 2024 wurde in London ein Joint-Venture namens “Horse Powertrain” gegründet, an dem der chinesische Volvo-Mutterkonzern und Mercedes-Großaktionär Geely 45 Prozent hält. Zu gleichen Teilen ist aber auch Renault beteiligt, zudem hat sich mit Saudi Aramco der weltweit größte Ölkonzern eingekauft. Vorgesehen ist, Verbrennermotoren zu produzieren und diese an “bedürftige” Automobilhersteller zu verkaufen. Dabei rechnet das Unternehmen, das 17 Fabriken in China, Europa und Südamerika betreibt und rund 19.000 Mitarbeiter beschäftigt, mit lukrativen Geschäften – fünf Millionen Benzin- und Dieselaggregate, auch für Hybridantriebe, sollen pro Jahr gebaut und ein Jahresumsatz von 15 Milliarden Euro erzielt werden. Perspektivisch will Horse auch Pionierarbeit bei klimaschonenden synthetischen Kraftstoffen leisten.

Rudert die EU zurück?

Offener für diese e-Fuels ist inzwischen auch die EU, bei der sich ein vorsichtiges Abrücken vom ursprünglich strikten Verbrenner-Verbot abzeichnet. Am Ziel, alle Neuwagen ab 2035 auf klimaneutral zu stellen, hält die alte und neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zwar fest. Doch gleichzeitig hatte sie im Wahlkampf ausdrücklich daran erinnert, “dass im Jahr 2026 eine Bestandsaufnahme und Überprüfung” der Flottengrenzwerte ansteht und dabei für einen “technologieneutralen Ansatz” plädiert. Das letzte Wort über den Verbrenner scheint noch nicht gesprochen.

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