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Ferrari Purosangue: Zwölfzylindrig, 725 PS stark, familientauglich

Den V12 wegen EU-Verbrenneraus einfach auf Eis legen? Niemals! Ferrari stopft den 6,5-Liter-Sauger lieber in den Schlund der Hölle: Steckt ihn also in einen SUV mit vier Türen und Allradantrieb. Unerhört? Von wegen – unüberhörbar!

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Über den Namen Purosangue – so heißt Ferraris erster Nicht-SUV-SUV – stolpert die Zunge anfangs gerne.

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Gewaltig: 22- und 23-Zoll-Mischbereifung, Allradlenkung und Aerodynamiklöcher.

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Segment: Luxus-SUV mit Alltags- sowie hohen Dynamik-Ambitionen.

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Kosten: Rund 380.000 Euro, fast doppelt so teuer wie die Konkurrenz.

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Verkaufsstart: Bestellstopp, da Produktion für zwei Jahre ausverkauft.

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Schneehöhe: Lassen Sie sich nicht täuschen, der Purosangue ist weit mehr als ein aufgebockter GTC4 Lusso mit vier Türen.

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Gegenläufig öffnende Fondtüren, elektrisch ausfahrende Klima- und Sitzregler – der edle Purosangue zelebriert Luxus und spielt puren V12-Beat.

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Überschaubarer (er schluckt Trolley-taugliche 473 Liter), …

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… aber variabler Laderaum.

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Seltener Anblick: Der V12 kuschelt sich hinter die Vorderachse für eine 49 : 51-Balance. Das Manettino bedient sich intuitiver als vertiefte Touchfelder.

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Der Beifahrer hat einen eigenen Bildschirm vor sich.

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Das Cockpit des neuen Ferrari Purosangue.

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Sie thronen fürstlich im Purosangue, natürlich höher als in jedem anderen Ferrari. Das fällt nach ein paar Kilometern aber nur noch auf, weil der Fahrer knapp über die Leitplanke hinweg- statt unter ihr hindurchschaut.

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Klickt der Fahrer am Manettino an „Wet“ und „Comfort“ vorbei, landet auf „Sport“ ziehen sich die elektronischen Wächter zurück und sagen später bei „ESP off“ leise Ciao.

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Der Pilot switcht durch die drei Dämpfersettings und landet auf der „Soft“-Stellung. Dabei arbeiten hier nicht – wie sonst in dieser Klasse üblich – Luftfedern, sondern ein aufwendiges Adaptivfahrwerk mit kleinen E-Motoren an jeder Feder-Dämpfer-Einheit.

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Die Sitzwangen lassen sich auf den jeweiligen Fahrer einstellen. Schmaler Hochsitz mit vollem Klima-Massage-Programm.

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Selbst im Fond, …

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… hinter den bis zu 79 Grad weit, gegenläufig aufschwingenden Türen drehen und drücken sie sich mit dem elektrisch erhebenden Klima- samt Sitzcontroller die Idealposition.

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Das Panoramadach verdunkelt sich auf Knopfdruck.

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Dieser Türgriff des neuen Ferrari Purosangue gibt den Zugang in den Fondbereich frei.

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Ferrari Purosangue

“Nur über meine Leiche”, antwortete der inzwischen verstorbene Sergio Marchionne einst auf die Frage nach einem Ferrari-SUV. Sieben Jahre später erhebt sich der Ferrari Purosangue mit 725 PS zum Stärksten einer Zunft, zu der er, vielleicht aus Respekt vor dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden, gar nicht gehört – oder ist das alles nur Ferrari-Marketingsprech? Egal, sicher ist: Einen frei saugenden Zwölfzylinder bekommen Sie zurzeit in keinem anderen familientauglichen Neuwagen. Ein echter USP also – und den lässt sich Ferrari mit rund 380.000 Euro vergolden. Doch der hohe Preis ändert nichts daran, dass der SUV bereits für zwei Produktionsjahre ausverkauft war, bevor ihn überhaupt jemand zu fahren bekam.

Doch zurück zum Herzstück, dem V12. Dessen 6,5-Liter-Rumpf haben sie dem eingestellten 812 entrissen, ihm den Zylinderkopf des Competizione aufgesetzt und das Ganze hinter die Vorderachse des Neuen gepflanzt. Dort ruht er unter einer von Luftschächten durchstoßenen, schier nicht enden wollenden Haube, die federleicht nach vorn aufschwingt. Nur in seiner ganzen Schönheit beschmachten können Sie das Triebwerk nicht – zu tief kriecht der Zwölfender in Richtung Fahrzeugmitte.

So sitzt der Fahrer ganz nah dran, vernimmt im Stand und über Land, wenn die Digitalnadel um die Tausendermarke pendelt, nur ein vibrationsfreies Wummern. Doch mit der Ruhe ist’s jetzt vorbei. Eine schmale Brücke führt auf den extra präparierten Waldweg. “Winter-Rallye-Wertungsprüfung” trifft es besser. Der Untergrund besteht aus gepresstem Schnee, der sich an den Fahrbahnrändern in harten Brocken auftürmt. Prallschutzmatten, wie sie sonst Skifahrer vor Liftmasten schützen, polstern nahe Bäume. Ungewohntes und doch ideales Terrain für diesen Ferrari.

Extrem heiß, auch auf Eis

Sachte starten wir im Eis-Modus: Fast schlupffrei sprintet der 4×4 los, durchlenkt die ersten Kurven selbst auf diesem Untergrund perfekt. Den Allradantrieb leiteten die Ingenieure vom GTC4 Lusso ab, steuern ihn mit der aus dem SF90 entlehnten Elektronik und verweisen darauf, dass sich das Drehmoment hier nicht nur auf zwei Achsen, sondern zwischen allen Rädern variabel verteilt. Klingt aufwendig, funktioniert perfekt. Die Kräfte fließen so fast unmerklich, werden jedoch noch elektronisch gezügelt.

Also klickt der Fahrer am Manettino an “Wet” und “Comfort” vorbei, landet auf “Sport”. Schwuppdiwupp ziehen sich die elektronischen Wächter gaaannnnz weit zurück und sagen später bei “ESP off” leise Ciao. Automatisch verhärten die Dämpfer; suboptimal auf dieser Buckelpiste. Deshalb switcht der Pilot durch die drei Dämpfersettings und landet auf der “Soft”-Stellung. Dabei arbeiten hier nicht – wie sonst in dieser Klasse üblich – Luftfedern, sondern ein aufwendiges Adaptivfahrwerk mit kleinen E-Motoren an jeder Feder-Dämpfer-Einheit. Diese beeinflussen aktiv deren Stellung – im Extremfall lupfen sie sogar ein Rad. Ja, das ist 48-voltiger Overkill. Und der glättet später noch den maroden Asphalt und senkt die Karosserie beim Launch-Control-Start ab.

Doch jetzt gibt es für den ersten Viertürer der Marke kein Halten mehr. Obwohl die meiste Power Richtung Hinterachse wandert, sind Antritt und Vortrieb Rallye-Auto-artig. Mit abenteuerlichen Driftwinkeln beschneit der SUV die Umgebung. Der V12 braucht dabei keinen zusätzlichen Verstärker wie der V6-Hybrid des 296 oder die 1.420 Watt der 21 Burmester-Boxen. Der Sauger beherrscht alle Tonlagen so perfekt wie ein Automobil gewordener Pavarotti. Schon kleinste Nuancen in der Pedalstellung erzeugen immer wieder neue Klangfarben. Aber nur so lange, bis die Leuchtdioden im oberen Lenkradsteg zum Hochschalten mahnen.

Tatsächlich flippert man hier selten an den Carbon-Schaltwippen des Achtgang-Doppelkupplers herum. Denn von maximal 716 Nm liegen 80 Prozent des Drehmoments bereits ab 2.100/min an, wobei sich die wahrgenommene Leistung bis über 8.250/min scheinbar verdoppelt. Noch ein paar Mal jagt der Purosangue durch das Wäldchen, bis die Kurvenkombis verinnerlicht sind: leicht links – hart rechts – bremsen – Vollgas – quer stehen – gegenlenken. Was für ein Spaß, der vorerst ein Ende hat. Wir klopfen den Schnee aus vorn 22, hinten 23 Zoll großen Felgen und folgen der Route in der Karten-App.

Gut bedient und sogar variabel

Tatsächlich spart sich Ferrari eine eigene Navi-Software. Somit müssen Sie Ihr Handy via Android Auto verkabeln oder wireless mit Apple CarPlay koppeln. Und so landen wir bei Themen, die bisher kaum in Ferrari-Fahrberichten bei sport auto thematisiert wurden: Bedienung beispielsweise. Die Infotainment-Software aus dem 296 GTB entrümpelten die Italiener ordentlich. Während der Beifahrer seinen eigenen Screen betoucht, erfummelt sich der Pilot Informationen nun etwas zielgenauer mit eingeprägten Touchfeldern auf den Lenkradstegen. Dennoch wären – nur so als Anregung – gefräste Aluminium-Tasten feiner, würden diese das weiche Leder-, glänzende Carbon- und nachhaltige Alcantara-Ambiente angemessener schmücken. Sie thronen also fürstlich im Purosangue, natürlich höher als in jedem anderen Ferrari.

Das fällt nach ein paar Kilometern aber nur noch auf, weil der Fahrer knapp über die Leitplanke hinweg- statt unter ihr hindurchschaut, während sie die Fahrassistenz sicher in der Spur und auf Abstand zu den Skibussen hält. Zudem integrieren voll klimatisierbare Massagesitze die Frontinsassen tief ins Auto. Ja, selbst im Fond, hinter den bis zu 79 Grad weit, gegenläufig aufschwingenden Türen drehen und drücken Sie sich mit dem elektrisch erhebenden Klima- samt Sitzcontroller die Idealposition zurecht oder verdunkeln das Panoramadach.

Fehlt noch das dicke Ende: der Kofferraum. Er schluckt Trolley-taugliche 473 Liter. Nicht genug? Auf Knopfdruck surren die Rücksitzlehnen elektrisch zu Boden. Allerdings muten Ihnen die Ferrari-Leute zu, die wohl edelste Hutablage der Welt sowie die feste Rückwand samt eingeprägten Ausstattungsmerkmalen selbst im Ladeboden zu verstauen.

Und bevor Sie fragen: Eine Anhängerkupplung gibt es nicht. Es wäre zu schade, wenn diese den Blick auf das Doppelkupplungsgetriebe versperren würde. Denn das sitzt am Heck, der nahezu perfekten Balance wegen.

Allradgelenkiger Bergrenner

Die ist nun noch einmal gefragt, denn wir parken am Fuße der Trento–Bondone. Hier winden sich 17 Kilometer Bergrennstrecke lasziv den Monte Bondone hinauf. Viele der Tornanti scheinen eigentlich zu eng für den SUV, doch Ferrari greift wieder in die Teile-Trickkiste: Wie im 812 Competizione lenken die Hinterräder abhängig von der Fahrsituation separat via Stellglieder bis zu zwei Grad in jede Richtung. Das stärkt Handlichkeit und Kurventraktion, verhindert jedoch nicht, dass der Purosangue den Grip an den Hinterrädern beim Herausbeschleunigen gut kontrollierbar abreißen lässt. Powerslidend nimmt man so Schwung auf die viel zu kurzen Geraden mit. Erst hier fällt auf, dass die präzise Lenkung weniger mitteilsam agiert als in den Sportwagen, dafür jedoch das Antriebsgeschehen komplett aus der Kurvenarbeit heraushält.

Dazu stemmt sich die 48-Volt-Technik nun wirksam gegen jegliches Wanken, verhindert aber nicht, dass der 2,3-Tonner auf dem völlig versalzenen Belag auch mal über die Vorderachse schiebt. Doch selbst das ist kein Problem, denn das vom 296-GTB-Hybrid adaptierte ABS-Evo-System funktioniert auch beim Purosangue grandios. Herr Marchionne muss sich also wegen dieses Ferrari-SUV nicht im Grabe umdrehen.

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