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E-Autos: Umbau von Straßenlaternen zu Ladesäulen kommt nicht voran

e-autos: umbau von straßenlaternen zu ladesäulen kommt nicht voran

E-Autos: Umbau von Straßenlaternen zu Ladesäulen kommt nicht voran

Die Idee ist so simpel wie überzeugend: Um die Akkus von Elektroautos aufladen zu können, sollen Straßenlaternen genutzt werden. Da diese ohnehin unter Strom stehen, müssen keine neuen Leitungen verlegt und keine Bürgersteige aufgerissen werden. Mehr als 250.000 Laternen gibt es an Berliner Straßen, die in der Mehrzahl binnen einer Stunde mit Schraubenzieher und ohne Bagger zur Ladesäule aufgerüstet werden könnten. Eigentlich ganz einfach.

Die Lösung zur Idee hatte das Berliner Start-up Ubitricity bereits 2008. Seitdem wurden von dem mittlerweile zum Shell-Konzern gehörenden Unternehmen in London schon einige Tausend Laternen ladetauglich gemacht, und auch in Paris hatten die Berliner zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur beigetragen. Doch sollten 14 Jahre vergehen, bis sie auch hier in größerem Maßstab zum Zuge kamen.

Das passierte Anfang vergangenen Jahres. Die Greentech-Firma vom Schöneberger Euref-Campus hatte die Ausschreibung für das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanzierte Projekt „Neue Berliner Luft“ gewonnen und damit einen Sieben-Millionen-Auftrag an Land gezogen, der die Umrüstung von 1000 Berliner Straßenlaternen vorsieht. Die ersten 200 sollten in Steglitz-Zehlendorf und in Marzahn-Hellersdorf eingerichtet werden. Bei Ubitricity war man euphorisch: „Ende Juni werden die 200 Punkte installiert sein.“

Tatsächlich war zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht einmal eine einzige Laterne aufgerüstet. Erst Mitte Juli wurden die ersten Ladepunkte entlang der Oberfeldstraße im Marzahner Ortsteil Biesdorf installiert. Der beauftragte Elektriker eines örtlichen Handwerksbetriebs benötigte tatsächlich nicht mehr als eine Stunde, um die vorgefertigte Ladestation samt Steckdose, Display und Zähler an die Laterne zu montieren und anzuschließen. Dennoch vergingen ein paar Wochen, bis dort zehn Laternen präpariert waren. Und dabei blieb es.

Denn wie in der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, wo das Projekt federführend verantwortet wird, zu erfahren war, sind in Berlin bislang gerade einmal 58 der versprochenen 1000 Punkte installiert. 48 sind es in Steglitz-Zehlendorf, die beschriebenen zehn in Marzahn-Hellersdorf.

Während man sich im Marzahner Bezirksamt auf Nachfrage dazu gänzlich unbeteiligt gibt („Wir haben seit Oktober keine Informationen“), begründet Senatsverwaltungssprecher Jan Thomsen die Verzögerungen mit der Vielzahl zu involvierender Akteure, dem insgesamt sehr hohen Netzanschlussaufkommen in Berlin, dem aktuell allgemein hohen Krankenstand auf allen Seiten und sogar mit witterungsbedingten Einschränkungen beim Tiefbau, der ja eigentlich gar nicht nötig sein sollte. In jedem Fall sei es „ein anspruchsvolles Pilotprojekt mit technischen, regulativen und logistischen Herausforderungen“, sagt Thomsen und verspricht: „Der Ausbau erfolgt derzeit allmählich, aber kontinuierlich.“

Tatsächlich klagt man bei dem Unternehmen Ubitricity, das für die technische Installation und den Betrieb der Ladepunkte zuständig ist, über aufwendige Abstimmungen und lange Wartezeiten etwa bei der Freigabe durch den Stromnetzbetreiber, das landeseigene Unternehmen Stromnetz Berlin. Darüber hinaus hätten sich viele Laternenmasten für den Anbau der Ladestation als untauglich erwiesen. Dafür würden Firmensprecherin Nicole Anhoff-Rosin nun entsprechende Adapter entwickelt. Alte Betonmasten müssten mitunter sogar erst ausgetauscht werden.

Die internen Pläne der Senatsumweltverwaltung sehen nun vor, dass „bis zum Sommer eine dreistellige Anzahl an Laternenladepunkten“ installiert sein wird. Das wären dann 100, was nicht gerade den Versuch beschreibt, den bisherigen Rückstand aufzuholen. Tatsächlich ist nur noch von „bis zu 1000 Ladepunkten“ die Rede. Deren Einrichtung innerhalb der Projektlaufzeit bis Jahresende wird nun lediglich „angestrebt“. Elf Monate bleiben dafür noch.

Allerdings geht es keineswegs nur um die reine Zahl installierter Punkte. Sie sollten vor allem dort eingerichtet werden, wo der Bedarf am größten ist. Denn mit einer Ladekapazität von 3,7 Kilowatt eigenen sich die Laternensteckdosen vor allem, um das E-Auto über Nacht aufzuladen. Gedacht für Menschen ohne eigenes Grundstück oder private Garage samt Wallbox, die in dichtbesiedelten Hochhaus-Gegenden oder Kiezen mit vielen Mietwohnungen leben.

Die Oberfeldstraße, in der sich bislang die einzigen Laternenladepunkte im Bezirk Marzahn-Hellersdorf befinden, ist allerdings genau das Gegenteil von Hochhausgegend und Mieter-Quartier. Dort wohnt man fast ausschließlich im eigenen Haus, und folglich wird das Ladeangebot kaum genutzt. Der Besitzer eines Ladens in unmittelbarer Nähe einer Ladelaterne schätzt, dass diese einmal pro Woche genutzt werde.  „Höchstens“, sagt er. „Meist parken dort ganz normale Autos und Lieferwagen.“ Ein Anwohner erzählt, dass er an einer Hand abzählen könne, wie oft er mal ein Ladekabel an einer Laterne gesehen habe.

Beim Betreiber Ubitricity liegen die Daten über die Nutzung freilich vor, doch wolle man diese in Abstimmung mit der Senatsumweltverwaltung nicht bekannt geben. Sprecherin Anhoff-Rosin versichert jedoch, dass das Angebot „sehr, sehr gut“ angenommen würde. Es sei als Trend zu erkennen, dass die Anzahl der Ladevorgänge pro Ladepunkt ansteigt.

Der Beweis dafür steht noch aus, der Zuwachs an Elektroautos und damit des Bedarfs ist indes belegt. Allein im vergangenen Jahr wurden in Berlin mehr als 10.000 reine E-Autos neu zugelassen. Dagegen wuchs die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte in der Stadt laut offiziellem Register der Bundesnetzagentur nur um 200. Aktuell stehen in Berlin insgesamt 2099 Ladepunkte zur Verfügung, von denen 259 zu Schnellladestationen gehören. Der Fahrzeugbestand beläuft sich indes auf gut 27.000 reine Elektroautos, für deren Besitzer es immer schwieriger wird, Strom zu bekommen.

Denn während sich im vergangenen Sommer in Berlin noch etwa zehn Elektroautos einen Ladepunkt teilen mussten, sind es nun schon 13. Zählt man die Plug-in-Hybridfahrzeuge hinzu, kommen in Berlin 26 Autos auf einen Landepunkt. Vor sieben Monaten waren es noch fünf weniger.

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