Finanzen

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Dreckig und zu viele Autos: Trotzdem ist Kolumbiens Hauptstadt ein Vorbild für Nachhaltigkeit

dreckig und zu viele autos: trotzdem ist kolumbiens hauptstadt ein vorbild für nachhaltigkeit

Von der Morgendämmerung an ist es ein ununterbrochener Strom: Menschen fahren mit dem Fahrrad in Bogota.

Dreckig und zu viele Autos: Trotzdem ist Kolumbiens Hauptstadt ein Vorbild für Nachhaltigkeit

2020 musste in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá der Klimanotstand ausgerufen werden. Seitdem ist viel passiert: Stadtautobahnen etwa wurden für den Radverkehr gesperrt. Das liegt vor allem an einer Frau.

Bogotá – Auf der Septima, einer der Haupteinkaufsstraßen von Bogotá, muss man aufpassen, dass man nicht von einem der Radfahrer umgefahren wird, die sich hier in schnellem Tempo zwischen Straßenverkäufern und Passanten hindurchschlängeln. Sonntags sieht man in der Andenstadt noch mehr Menschen, die mit dem Rad unterwegs sind. Viele große Stadtautobahnen werden für den motorisierten Verkehr gesperrt und von Radfahrern erobert. Die sportlich ambitionierteren Biker strampeln währenddessen auf den Landstraßen rund um die Metropole bis zu einem der Gipfelpässe.

Während viele Ausländerinnen und Ausländer in Bogotá schon bei einem kurzen Spaziergang außer Atem geraten, weil die Stadt auf rund 2.600 Metern über dem Meeresspiegel liegt, haben die Kolumbianerinnen und Kolumbianer sie zur „Hauptstadt des Fahrrads“ gemacht. Sowohl für Freizeitsport als auch als Transportmittel ist das Rad dort beliebter denn je. Nicht nur deswegen wurde Bogotá im vergangenen Jahr vom Sustainable City Index als eine der 100 nachhaltigsten Städte weltweit gelistet, es gibt auch andere Bereiche, in denen sich viele deutsche Städte etwas von der 7-Millionen-Metropole abschauen können. Bei seinem Bogotá-Besuch hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Kolumbien Unterstützung bei einem Ausstieg aus der Kohle zugesagt.

Mitverantwortlich für die Erfolge in Sachen nachhaltiger Entwicklung in Bogotá ist die aktuelle Bürgermeisterin Claudia López. Sie regiert die Stadt seit 2020. Die 53-Jährige ist die erste Frau in diesem Amt und lebt offen lesbisch. Ihre politischen Gegnerinnen und Gegner bezeichnen sie als „Kommunistin“. Sie war mit dem Vorhaben angetreten, Bogotá grüner und gerechter zu machen. Unter ihr hat die Stadt 2020 – auch auf Druck der Zivilgesellschaft – als erste in Lateinamerika den Klimanotstand ausgerufen.

Kolumbien: Bogotás Bürgermeisterin López setzt sich für grünen Transportsektor ein

López versucht dem gerecht zu werden: Sie will die Emissionen aus dem Transportsektor halbieren und in ihrer Amtszeit hat sie dafür gesorgt, dass Bogotá mit rund 1500 Fahrzeugen die zweitgrößte Elektrobusflotte der Welt hat. Im März hat sie einen Bus eingeweiht, der mit grünem Wasserstoff fährt. Damit in Zukunft noch mehr Menschen Rad fahren, gibt es in Bogotá nun ein Leihfahrradsystem. Außerdem wurden zuletzt verstärkt Radwege ausgebaut und sogar einige Straßen ganz für den Autoverkehr gesperrt.

Claudia López erklärt im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA, es sei „besonders wichtig, die Ökosysteme nicht zu vernachlässigen und sich um die Hochmoore und die Wasserquellen der Stadt“ zu kümmern. Dafür will sie insgesamt 800.000 Bäume pflanzen. Cindy García vom Stadtrat von Bogotá kritisiert gegenüber unserer Redaktion zwar, dass dieses pflanzliche Grün noch nicht überall sichtbar wird. Sie lobt die Bürgermeisterin aber dafür, dass bestimmte Gebiete und Biotope in Bogotá als schützenswert erklärt wurden und es nun langfristige Pläne gibt, sie zu erhalten.

Bogotá: Kolumbiens Hauptstadt stellt Anerkennung von Care-Arbeit in den Fokus

Nachhaltigkeit bedeutet, nicht nur ökologische Faktoren im Blick zu haben, sondern auch die soziale und wirtschaftliche Situation in den Blick zu nehmen. Das versucht Bogotá. Die Stadt bemüht sich, das nachhaltige Entwicklungsziel „Geschlechtergerechtigkeit“ zu erreichen. Deshalb hat die Stadt Maßnahmen umgesetzt, um Care-Arbeit offiziell anzuerkennen, dafür gibt es nun spezielle Zentren, sogenannte „Manzanas de Cuidado“.

Dort können sich Menschen, die Care-Arbeit übernehmen, flexibel weiterbilden. Außerdem gibt es psychologische Unterstützung und Sportangebote, sowie Betreuungsangebote für Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung. „Das kann auf jeden Fall als Erfolg gewertet werden“, sagt dazu Cindy García. „Es gibt jetzt auch die Idee, das auf nationalem Level umzusetzen“.

Herausforderungen in Bogotá: Nicht alles ist Gold, was glänzt

Trotz all dieser Fortschritte gibt es in der Andenstadt viele Herausforderungen: Auch wenn Cindy García den Ausbau der Radwege gut findet, kann sie die Situation nicht so positiv sehen, wie Bogotás Bürgermeisterin. „Gerade im armen Süden von Bogotá fahren viele Leute nur deshalb mit dem Rad, weil sie sich kein anderes Verkehrsmittel leisten können“, sagt sie. „Das ist keine bewusste Entscheidung für die Umwelt“. Sie ist außerdem der Meinung, dass beim Ausbau von Radwegen viel zu oft prestigeträchtige Projekte in reichen Vierteln bevorzugt werden, statt für mehr Sicherheit in ärmeren Regionen zu sorgen.

Im Verkehrssektor gibt es – wortwörtlich – noch viele weitere Baustellen. Einer der großen Streitpunkte ist die nicht-vorhandene U-Bahn. An die Realisierung des Megaprojektes glauben viele Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt schon gar nicht mehr. Seit Jahrzehnten wird eine U-Bahn für die Megacity geplant, die erste Linie davon ist beauftragt und im Bau. Laut Bürgermeisterin López geht sie 2028 in Betrieb – wie realistisch diese Einschätzung ist, ist offen.

Aber das ist nicht alles. Aufgrund verschiedener Faktoren ist die Luft in Bogotá so schlecht, dass jährlich rund 3000 Menschen an den Folgen der Verschmutzung sterben – auch das betrifft besonders häufig arme Menschen. „Eine der größten Herausforderungen in Bogotá ist die Ungleichheit, die sich auch in der räumlichen Aufteilung der Stadt widerspiegelt“, spezifiziert dazu García. In Bogotá könne man an der Adresse von Menschen erkennen, wie viel Geld sie haben: Je weiter im Süden der Stadt, desto ärmer werden die Menschen. „Im Süden ist auch die Gesundheitsversorgung schlechter und es gibt weniger Grünflächen“, sagt García. Aus ihrer Sicht ist es nötig, diese Ungleichheit zu verkleinern, um wirkliche Nachhaltigkeit zu schaffen.

TOP STORIES

Top List in the World