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Donnerstag Magazin: LeydenJar – Batterieavantgarde aus NL. Retten Schutzzölle auf „chinesische“ Elektroautos die hiesige Autoindustrie?

Batterietechnologien: Niederländisches Batterieunternehmen LeydenJar

Wissen Sie, was einen „Leidener Flasche“ (engl. Leyden Jar) ist?  Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Prinzip des Flaschenkondensators laut Wikipedia von dem Domechanten Ewald Georg von Kleist in Cammin und dem Physiker Pieter van Musschenbroek in der Stadt Leiden erfunden, als sie bei Laborversuchen mit entsprechenden Anordnungen von Gläsern und Metallteilen elektrische Stromschläge erhielten. Dass das niederländische Start-up für Batterietechnologien dann diesen Namen wählte, liegt (fast) auf der Hand. Ende 2022 erhielt LeydenJar eine Quasi-Eigenkapitalfinanzierung der Europäischen Investitionsbank EIB über 30 Mio. Euro mit EU-Garantie für Skalierung seiner Technologie und Produktion.

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Mit der Silizium-Anoden-Technologie von LeydenJar würde sich das Gewicht eines Model 3 Long Range um fast 200 kg verringern …

Reine Silizium-Anode

Offenbar hat das Start-up mit seiner entwickelten Silizium-Anodentechnologie einige Grenzen übersprungen. So hat die neue Anode eine 70% höhere Energiedichte als traditionelle Anoden. Der patentierte trockene Produktionsprozess der Anoden-Folien arbeitet tatsächlich mit reinem Silizium. Das Ergebnis: Anoden aus bruchfestem Silizium und außergewöhnlichen Energiespeicherfähigkeiten bei deutlich reduziertem Volumen und Gewicht – bis zu 10-mal dünner als herkömmliche Anoden.

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Die Anoden-Folie aus reinem Silizium ist flexibel und kann nicht brechen.

Typische Probleme offenbar überwunden

Die Verwendung von Silizium für mechanisch stabile Anoden ist eine Herausforderung, da Silizium bei der Lithiumbildung aufquillt. Daher enthält nur ein kleiner Prozentsatz der modernen Anodenverbundwerkstoffe Silizium, was nur geringe Verbesserungen der Energiedichte ermöglicht. LeydenJars Anode aus reinem Silizium ist porös und flexibel – wie ein Schwamm -, wodurch das problematische Aufquellen des Siliziums während der Lithiierung effektiv gemindert wird. Da das Problem des Aufquellens beseitigt ist, kann das Potenzial und die Kapazität von Silizium voll ausgeschöpft werden, während es mechanisch stabil bleibt.

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Die LeydenJar-Anode aus reinem Silizium ist 10x dünner als herkömmliche Anoden.

Was bedeutet das für die Nutzung?

Anoden aus reinem Silizium von LeydenJar werden von Technologieunternehmen und Zellherstellern in der Batterieindustrie verwendet. Die Partner des Unternehmens schätzen den Energiezuwachs, der ohne Kompromisse bei Platz, Kosten oder Raumbedarf erreicht wird. LeydenJar-Anoden eignen sich für eine breite Palette von Formaten und sind mit handelsüblichen Kathoden und Elektrolyten kompatibel.

Die erste Fabrik entsteht in Eindhoven

Einhoven ist in den Niederlanden für die Elektromobilität das, was der Silicon Valley für die Computerindustrie in den USA ist. Anfang März kündigte man an, dass man seine erste Fabrik in Strijp-T in Eindhoven bauen werde. Die „PlantOne“ von LeydenJar, die 2026 in Betrieb gehen soll, bietet eine Produktionskapazität von 70 MWh reiner Siliziumanoden für Batterien mit hoher Energiedichte.

Die Anoden von LeydenJar werden in Lithium-Ionen-Batterien integriert und ermöglichen nicht nur eine drastische Erhöhung der Kapazität sondern auch der Schnellladefähigkeit. Mit der um 70 % höheren Energiedichte als herkömmliche Anoden und einer bis zu 10-fach geringeren Dicke ebnen LeydenJar-Anoden den Weg für neue Produkte und Innovationen in der Automobil- und Unterhaltungselektronikindustrie. Handys, Laptops und Elektrofahrzeuge werden leichter, kompakter und halten mit einer einzigen Ladung länger durch. Darüber hinaus werden die Auswirkungen der Produktion auf den Klimawandel im Vergleich zu herkömmlichen Graphitanoden um bis zu 85 % reduziert.

Beispiel Elektromobilität

LeydenJar hat berechnet, dass das Batteriegewicht von etwa 480 kg eines Tesla Model 3 durch die Silizium-Anoden-Technologie um fast 200 kg auf nur 288 kg vermindert werden könnte – selbstverständlich bei gleicher Kapazität und Leistung. Das würde unter anderem bedeutet, dass sich das Gewicht des Model 3 auf rund 1.700 kg vermindern liesse. Da würde man tatsächlich in Regionen vorstossen, die bislang den Verbrennern vorbehalten waren.

e-engine meint: Europa ist keineswegs abgehängt. Die brillantesten Köpfe haben hierzulande und auf dem alten Kontinent einfach das Problem, dass die staatlichen Stellen und OEMs sich auf große Unternehmen wie INTEL, chinesische Batteriekolosse und teilweise bestens finanzierte US-Amerikanische Start-ups kaprizieren. Dabei sind die 70 Mio. Euro, die LeydenJar bislang als Venture Capital eingesammelt hat, im Vergleich zu den von „Habeckonomics“ herausgeblasenen Milliardenbeträgen nichts weiter als bessere Portokasse. Deutschland gibt sein Geld sträflich falsch aus, was beim Bildungsniveau und den Bildungspräferenzen der dortigen Politiker kaum überraschen sollte.

Cleanerwatt | Die revolutionäre Batterietechnologie von LeydenJar

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Polestar 4: würden die EU-Schutzzölle eingeführt, würde sich da Auto in Deutschland nochmals um 25% verteuern.

NGO: Jede vierte Elektroauto 2024 kommt aus China

Nach einer neuen Analyse von Transport & Environment (T&E) werden 2024 voraussichtlich ein Viertel der in Europa verkauften Elektrofahrzeuge in China hergestellt. Im vergangenen Jahr lag der Anteil europaweit bereits bei fast einem Fünftel (19,5 Prozent), in Deutschland waren es nur 15 Prozent.

Aktuell zieht die EU Importzölle in Erwägung, um Subventionen für Chinas Elektroautoindustrie entgegenzuwirken. Laut T&E sollen Zölle dazu beitragen, die Produktion von Elektroautos zu lokalisieren. Zudem sieht man in Produktionssteigerungen von Elektroautos für den Massenmarkt und Investitionen in die europäische Batterielieferkette „die einzige Möglichkeit für EU-Automobilhersteller, mit chinesischen Marken zu konkurrieren“. Da ist sie wieder, die viel zu oft bemühte „Alternativlosigkeit“.

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2027 sollen in China gefertigte Elektroautos bereits ein Viertel der EU-Verkäufe ausmachen. Wenn das die europäischen OEMs in Bedrängnis bringt, dann läuft dort etwas fundamental falsch.

Während es sich bei den chinesischen Importen bisher größtenteils um dort produzierte Tesla-, Dacia- und BMW-Fahrzeuge handelt (und damit der Schaden für die europäischen Märkte nahe Null war), geht T&E davon aus, dass chinesische Marken 2024 einen Anteil von 11 Prozent am europäischen Elektromarkt erreichen könnten. 2027 könnte er auf 20 Prozent steigen. Die konservativ angesetzte Prognose geht von einem linearen Wachstum des Marktanteils chinesischer OEMs auf der Grundlage der letzten beiden Jahre aus. Allerdings strebt allein BYD bis 2025 einen Anteil von 5 Prozent am europäischen Elektroautomarkt an.

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Der modellgepflegte Dacia Spring 2024/2025: mit Schutzzöllen auf in China gefertigte Stromer würde sich der bislang günstigste Stromer um 25% verteuern.

Zölle sollen Arbeitsplätze sicherstellen?

Sebastian Bock, Geschäftsführer von T&E-Deutschland, kommt durch die EU-Pläne offenbar ins Schwärmen: „Durch Zölle können wir sicherstellen, dass die Hersteller ihre Produktion nach Europa verlegen oder hier vor Ort ausbauen. So sichern wir Arbeitsplätze und Expertise in Europa und ermöglichen einen fairen Wettbewerb. Aber Zölle werden die etablierten europäischen Autohersteller nicht ewig schützen. Chinesische Unternehmen werden Fabriken in Europa bauen. Unsere Autoindustrie muss darauf vorbereitet sein.“

Das Anheben der EU-Zölle um 25 Prozent für alle Fahrzeugimporte aus China würde mittelgroße Fahrzeuge und SUVs teurer machen als vergleichbare europäische Modelle – ein Argument für die Produktion in Europa, so die T&E-Analyse. Kompakte SUVs und größere Autos, die aus China importiert werden, dürften trotz solcher Zölle etwas billiger bleiben.

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Die NGO Transport&Environment glaubt, dass 25% Zoll auf in China gefertigte Stromer die EU-OEMs wettbewerbsfähiger machen könnten …

Der e-engine.de Kommentar

Vor allem NGOs wie Transport & Environment versuchen durch ihre Narrative vordergründig nur das „Beste für den Konsumenten“ zu erwirken. Was sich oft genug als Bumerang erwiesen hat.

Von 25% Zöllen für chinesische Elektrofahrzeuge profitiert tatsächlich niemand in Europa, schon gar nicht der „Ottonormalvebraucher“ – zumal Dacia & Co nur deshalb so günstig waren, weil sie in China produziert wurden. Das Resultat der künstlichen Verteuerung der Elektromobilität wird ein Nachlassen des Wettbewerbsdrucks für europäische OEMs sein und letztlich das Ziel des lokal emissionsfreien Individualverkehrs weiter vehement gefährden. Schutzzölle sind grundsätzlich nicht einmal von den europäischen OEMs gewünscht, denn sie sorgen dafür, dass auch deren importierte Produkte teurer werden, zum Nachteil der Verbraucher und des Klimas.

Zudem ist der finanzielle Spielraum für chinesische Anbieter ohnehin größer, als der der europäischen OEMs – das scheint sogar die NGO erkannt zu haben. Auch der Irrglaube der ideologisch eingefärbten Befürworter, dass die Investitionen in Lithium-Ionen-Batterien gefährdet seien, da die in China hergestellten Zellen mindestens 20% billiger sind, als in Europa, zieht nicht.

Chinesische Batterien sind nicht nur günstiger, sie verfügen in der Regel (CATL, BYD) auch über die bessere Technologie. Und hier lag in der Vergangenheit die Stärke der Europäer und des Westens. Mit neuen Technologien die Defizite wettmachen – siehe oben den Artikel über LeydenJar.

Europäische und deutsche Industriepolitik das größte Hindernis

Europäische, speziell deutsche Industriepolitik, ist die Ursache für das weitere Zurückfallen der hiesigen Industrien. Teuerer Strom und immer raffgierigere Staaten, die die Steuer- und Bürokratiebelastung sowohl für Unternehmen als auch Konsumenten ständig erhöhen, verhalten sich kontraproduktiv gegenüber neuen Technologien – sie würgen den Forschungsdrang ab und zwingen clevere Innovatoren ins nichteuropäische Ausland.

Die europäische Elektromobilität wird durch diese Politik genau so wenig zu retten sein, wie das mit der Solarindustrie der Fall war. Da hätten weder Zölle noch Subventionen verhindert, dass chinesische Panelproduzenten ihren Siegeszug fortsetzen. Durch die Verbilligung der Solarpanels wurden aber erst die zahlreichen Zubauten für viele finanziell möglich.

Fotos: Cleanerwatt (Youtube Stills), LeydenJar, istock, Tesla, Polestar, Dacia, T&E (Charts)

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