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Der erste Bus ohne Fahrer startet im Herbst in der Oberlausitz

Forscher aus Zittau, Görlitz und Dresden basteln am Nahverkehr der Zukunft. Ihr autonomer Bus befördert Passagiere kostenlos zu einem Touristenmagnet im Norden des Kreises Görlitz.

der erste bus ohne fahrer startet im herbst in der oberlausitz

Autonomes Fahren wird bald in der Oberlausitz getestet. Noch steht das mit Messtechnik aufgerüstete Fahrzeug bei Projektleiter Maximilian Helbing in Dresden. © Matthias Rietschel

Der Stolz ist Maximilian Helbing anzusehen. In der Halle des Institutes für Automobiltechnik Dresden (IAD) steht ein in Blau-Grün gehaltenes und mit dem Logo des Zweckverbandes Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON) verziertes Fahrzeug. Nicht groß, aber auch nicht klein. “Es bietet Platz für jeweils sechs Sitz- und Stehplätze”, erklärt der Wissenschaftliche Mitarbeiter der zur TU Dresden gehörenden Einrichtung. Ein paar Handgriffe später hat es der Experte nach draußen gefahren – natürlich lautlos.

Was schon rein äußerlich ziemlich hypermodern aussieht, hat auch unter’m Blech jede Menge Neuheiten zu bieten. Forscher des Zittauer Fraunhofer-Institutes und der Technischen Universität sowie Kollegen der TU-Niederlassung am Görlitzer Casus-Institut haben jede Menge Technik hineingepackt. Vor allem Sensoren, Kameras, Radar und Laserscanner. Das Auto ist der Prototyp für autonomes Fahren – und das testen die Fachleute schon ab diesem Herbst in der Oberlausitz.

    Die Vision: Kleine Shuttle ohne Fahrer, die entweder mit Batterie oder Wasserstoff betrieben werden, sollen Fahrgäste an jedes beliebige Ziel der Region bringen. Davon, meint Maximilian Helbing, sei man zwar noch ein Stück entfernt. Aber der Einstieg in diese Zukunftsmobilität stehe kurz bevor. Der Forscher muss wissen, von was er spricht, immerhin ist er zugleich Technischer Projektleiter von WALEMO. Der Begriff leitet sich ab von Wasserstoff, Leichtbau und autonomer Mobilität und soll in den nächsten Jahren im Verkehrssektor für Furore sorgen.

    In den vergangenen Wochen haben die Teammitglieder das vom französischen Hersteller easy mile stammende Fahrzeug mit Messinstrumenten und Sensorik unterschiedlichster Art ausgestattet. “Fast alles in Handarbeit”, so Helbing. In den nächsten Wochen geht das noch weiter. “Denn bisherige Untersuchungen haben sich vorwiegend auf Autobahnen und städtische Bereiche konzentriert. Im ländlichen Raum gibt es aber völlig neue und viel größere Herausforderungen.” Die umreißt der Dresdener Experte so: “Schlechtes Internet, mangelhafter Satellitenempfang, viel Vegetation. Außerdem sehr viele Felder – da sieht eins wie’s andere aus, das Orientieren fällt hier schwer.” Für diese Bedingungen müsse das automatisierte Fahren erst fit gemacht werden.

      Genau aus diesem Grund haben sich die WALEMO-Fachleute für die nach ihrer Auffassung schwierigste Strecke entschieden, vor allem um dem Forschungsgedanken gerecht zu werden. Im Fraunhofer-Institut war man zuerst von einem Parcours in oder bei Zittau ausgegangen. Der hätte aber zu viele gut messbare Orientierungspunkte mit sich gebracht. Deshalb gibt es den Piloteinsatz nun zwischen Bahnhof Klitten und Bärwalder See. Vier Kilometer, bis zum Ausgangspunkt zurück sind es acht. “Das ist genau das, was wir brauchen”, so Helbing.

      Dafür führt der Experte noch einige andere Punkte an: Das Areal an Sachsens größtem See sei nicht besonders gut durch den ÖPNV erschlossen. “Außerdem ist es absolut flach, weil: Mit Steigungen kommt die Technik derzeit noch nicht richtig klar.” Darüber hinaus gebe es einige sehr herausfordernde Abschnitte. Schließlich sei die Strecke nicht all zu lang – “sonst wäre sie unter den gegenwärtigen Bedingungen unattraktiv für Passagiere.”

      Denn die sollen mitfahren, wenn es los geht im Herbst 2024. Kostenlos, wie Helbing betont. Allerdings kommen sie auch nur mit maximal 20 km/h voran. Schneller geht es noch nicht, weil die mit der Messtechnik eingeholten Daten in die tatsächliche Fahrt einfließen – auch bei plötzlich auftretenden Hindernissen, parkenden Autos oder Wildwechsel. “Das Fahrzeug muss pausenlos die Umgebung erfassen. Daraus erstellen Rechner blitzschnell virtuelle Verkehrsbilder und gleichen das mit den Funktionen des Autos wie Gas, Bremse und Lenkung ab.” Um gegen alle Eventualitäten gewappnet zu sein, ist ein sogenannter Sicherheitsfahrer mit an Bord. Er greift aber nur dann ein, wenn es tatsächlich brenzlig wird.

      Aktuell richten die Forscher Haltestellen ein und statten die Strecke am Bärwalder See mit Hinweisschildern aus – zur Information für die “normalen” Verkehrsteilnehmer, dass hier ein “langsam fahrender Exot” auf der Piste ist. Die für den Betrieb notwendige Genehmigung des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) liegt bereits vor, in den nächsten Tagen wird auch das Auto zugelassen. “Ist das passiert, geht es auf einem Hänger nach Klitten”, erläutert Maximilian Helbing den weiteren Verfahrensweg. Anschließend – wahrscheinlich im September – müsse man der Technik die wichtigsten Eckpunkte beibringen, wie Straßenverlauf und Haltestellen, um in der Folge selbst lernen zu können. Wann die ersten Passagiere befördert würden, stehe noch nicht fest. Aber: “Es soll auf jeden Fall im Herbst passieren.” Der Oktober, spätestens der November könnten passend sein.

        Wenn das WALEMO-Mobil auf Strecke geht, wird es das noch rein elektrisch tun. Parallel zu den bisherigen Forschungen werden in der TU-Professur für Verbrennungsmotoren und Antriebssysteme neuartige Brennstoffzellen und Methanolantriebe entwickelt. Ziel ist es, einen solcherart angetriebenen Motor – der im Labor schon läuft – in das Fahrzeug zu integrieren. “Mitte oder Ende 2025 ist unser Ziel”, gibt Maximilian Helbing einen Ausblick.

        Am Bärwalder See getestet wird ebenfalls bis Ende nächsten Jahres. Optimiert werden soll zudem das Automatisierungskonzept, denn irgendwann muss es schneller als mit 20 km/h vorwärts gehen. Den Menschen durch autonomes Fahren komplett aus der Verantwortung nehmen, wird nach Einschätzung des Projektleiters noch bis etwa 2030 dauern. “Alle Hersteller haben gedacht, dass es schneller geht. Aber im Vorfeld ist eben jede Menge Forschungsarbeit nötig.”

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