Bentley

Bentley Continental GT

Bentley Continental GTC im Fahrbericht: Der beste GT?

bentley continental gtc im fahrbericht: der beste gt?

Als Automobiljournalist führt man – sofern man autobegeistert ist – ein ziemlich privilegiertes Leben. Regelmäßig stellen einem die verschiedensten Hersteller die aktuellsten Modelle auf den Hof. Wer sonst hat die Möglichkeit die neueste S-Klasse oder einen Porsche Cayenne Turbo GT für mehrere Tage „einfach so“ auszuführen? Schließlich liegen die Testwagenpreise hier gerne bei 180.000€ und mehr. Und doch wird uns im April 2023 ein besonderes Privileg zuteil: Bentley stellt uns einen der raren Testwagen zur Verfügung – Basispreis 277.000€. Willkommen zum besonderen (subjektiven) Fahrbericht des Bentley Continental GTC.

bentley continental gtc im fahrbericht: der beste gt?

Ein Brite in Bayern: Sämtliche Anbauteile sind in der Modellreihe ‘S’ in hochglanz Schwarz gehalten. Das verleiht unserem Testwagen eine sportliche Optik.

Konkret haben wir das Vergnügen den ‚Bestseller‘ Continental GT als Cabrio ‚GTC‘ in der Version S mit V8-Motor auszuführen. Beststeller ist hier freilich relativ: Ganze 562 Bentley Continental wurden 2022 in Deutschland zugelassen, davon gut 200 Cabrios. Für die gleiche Fahrzeuganzahl braucht VW beim Golf weniger als eine Woche. Wem der Basismotor zu wenig Leistung und/oder Prestige bietet kann natürlich weiterhin zum W12-Motor greifen. Doch Vorsicht: Der W12 stirbt auch bei Bentley demnächst aus. Hier geht’s zum Fahrbericht des W12-Continental von 2016.

Und doch bestehen zu Beginn des Tests leichte Zweifel beim Autor dieses Fahrberichts: Bentley gehört zum VW-Konzern, der bei uns verbaute V8 wird auch bei Audi/Porsche verbaut, das Infotainment liefert Audi zu. Ist da der extrem hohe Preis gerechtfertigt? Immerhin zählt Bentley, neben Rolls-Royce, sicherlich zu den elitärsten Herstellern von Luxus-GTs.

Continental GTC: Sportliche Optik in der S-Baureihe

Entsprechend selbstbewusst tritt unser Testwagen beim Erstkontakt auf. Während die meisten Bentleys in eher gedeckten Farben ausgeliefert werden, trägt unser Continental GTC ein leuchtendes Rot. Die Sonderlackierung ‚St. James Red by Mulliner‘ zahlt nochmal knapp 13.000€ auf den Basispreis ein. Andere kaufen für diesen Betrag ganze Autos. Als Kontrast dazu sind sämtliche Exterieurelemente, abgesehen vom Markenemblem, in schwarz gehalten, was zum Serienumfang der Modellreihe ‚S‘ zählt. So steht der Continental GTC überraschend extrovertiert und sportlich da. Passend zum sportlichen Anspruch hat Bentley auch die Carbon-Keramik-Bremsanlage für etwa 14.500€ spendiert, die gerade so hinter die 22“ großen Felgen (3300€) passt. Eine besondere Erwähnung verdienen sich zudem noch die Scheinwerfer. Klar, das “Vier-Augen-Design” ist bekannt. Doch bei genauem Hinsehen offenbart sich bei aktivem Tagfahrlicht eine glitzernde Diamantoptik, die den exklusiven Anspruch des Bentley unterstreicht.

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Liebe zum Detail: Das Tagfahrlicht ist in Diamant-Optik ausgeführt und unterstreicht den Luxus-Anspruch.

Klasse Verarbeitung im Innenraum

Mit einer gewissen Ehrfurcht lasse ich mich in die 20-fach und selbstverständlich beheizbaren und belüftbaren Sitze mit Massagefunktion (Front Seat Comfort Specification, 5000€) fallen und lasse den Blick schweifen. Passend zum sportlichen Exterieur trägt das Armaturenbrett Sichtcarbon (3700€), ansonsten ist der Innenraum großflächig mit weinrotem Leder (‘Cricket Ball’, 7500€) bezogen. Die feine Rautensteppung verleiht dem Auftritt noch mehr Klasse. Und großflächig heißt hier wirklich fast überall. Wo andere Hersteller unterhalb der Gürtellinie auch mal auf günstigere Materialien zurückgreifen ist hier wirklich bis zur Bedienung der Sitzverstellung alles beledert.

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Bei der Verarbeitung gibt sich unser Continental GTC (fast) keine Blöße. Leder, feine Steppung und echtes Metall dominieren den Innenraum. Nur die Blenden des NAIM-Soundsystems (rechts unten) sind leider aus Kunststoff gefertigt.

Wobei auch Leder nicht gleich Leder ist: Bentley nutzt nur Kuhhäute von Tieren aus hohen Lagen, da diese weniger Mückenstiche und in der Folge weniger Materialfehler aufweisen. Meine Finger umspielen den aus massivem Metall gefertigten Fahrmodus-Drehring mit Startknopf. Fast alles, was hier im Fahrzeug nach Metall aussieht ist auch aus Metall, nicht galvanisiertes oder verchromtes Plastik. Eine Ausnahme stellen nur die Blenden des NAIM-Soundsystems sowie ein Einleger in der Mittelkonsole dar – Schade!

Die Angst vor der Privatinsolvenz schwingt mit – zu Beginn.

Mit Druck auf den Startknopf springt der 4-Liter-Porsche-V8 dank serienmäßiger Sport-Abgasanlage gut hörbar an. Gleichzeitig zeigt sich eine weitere Besonderheit des Continental GT, das rotierende Display (5900€). Das Display ist dabei auf einem drehbaren Träger montiert und zeigt sich erst im Betrieb. Wem das zu viel Digitalisierung ist, kann sich wahlweise auch drei analoge Instrumente anzeigen lassen, was meiner Meinung nach deutlich besser zum gediegenen Charakter des Fahrzeugs passt.

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Wer das ‘Rotating Display’ bestellt kann das Infotainment-Display durch Rotation durch drei analoge Anzeigen ersetzen. Das passt meiner Meinung nach perfekt zum gediegenen Charakter des GTC.

Nun aber Abfahrt. Also das 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe auf ‚D‘ gestellt und ich rolle los in den Münchner Stadtverkehr. Auf den ersten Metern schwingt die ständige Angst mit den knapp 368.000€ teuren Testwagen aufgrund der etwas eingeschränkten Rundumsicht zu beschädigen. Denn die Reparaturkosten eines “kleineren” Lackschadens kann vermutlich die Privatinsolvenz für Normalsterbliche bedeuten. Doch so langsam stellt sich doch ein entspanntes Fahrgefühl ein. Der V8 brummelt gemütlich bei 1500 Touren vor sich hin während ich mir den Rücken massieren lasse. Der erste Eindruck: feudal.

Leichtes Spiel für den Porsche V8 im Bentley Continental GTC

Auf der Autobahn lässt dann der V8 (550 PS / 770 Nm) die Muskeln spielen und schiebt den gut 2,3 Tonnen schweren Continental GTC spielerisch an. Besonders beindruckend ist, dass das Drehmoment praktisch ab Leerlaufdrehzahl anliegt, hohe Motordrehzahlen sind damit eigentlich überflüssig. So gleite ich im Comfortmodus dahin. Der GTC bewegt sich hier extrem satt, die Lenkung erfordert erstaunlich viel Lenkkraft, was diesen Eindruck noch verstärkt. Einmal nicht aufgepasst stehen schon 170 auf dem digitalen Tacho. Bis hierhin ist es im Bentley trotz Stoffverdeck für ein Cabrio ziemlich ruhig. Erst jenseits dieses Tempos sind Windgeräusche zunehmend wahrnehmbar. Wer will kann mit dem Continental GTC übrigens 318 km/h fahren – wobei es jenseits der 250 im Innenraum schon ziemlich laut zugeht. Aber das ist natürlich Jammern auf sehr hohem Niveau.

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Preise gefällig? Die Lackierung ‘St. James Red by Mulliner’ kostet genau 12524,75€ Aufpreis. Für die schwarz lackierten 22″-Felgen werden fast schon günstige 3296,30€ fällig. Und für die ‘Styling Specification’ – Frontsplitter, Seitenleisten und Heckdiffusor in Sichtcarbon – müssen 11114,35€ nach Crewe überwiesen werden.

Exzellentes Soundsystem, gute Assistenzsysteme

Zeit die aktive Spurmittenführung zu aktivieren (Touring-Specification, 7900€) und sich etwas teilautonom chauffieren zu lassen. Auch wenn die Assistenzsysteme nicht ganz auf dem neuesten Stand der deutschen ‚Premiumhersteller‘ arbeiten, erledigen sie ihren Job, insbesondere auf der Autobahn, doch vernünftig. So lässt sich das Top-Soundsystem von NAIM (8200€) noch unbeschwerter genießen. Bisher war das Bowers & Wilkins-Soundsystem im BMW 8er mein Favorit, doch das Naim-System spielt auf ähnlichem Niveau. Während B&W mit enormen Bassreserven punktet, spielt Naim feiner und mit sehr hoher räumlicher Auflösung – entsprechend hochwertiges Quellenmaterial vorausgesetzt. Dazu gibt es noch zwei Vibrationsmodule in den Vordersitzen, die den Basseindruck intensivieren. Wer noch über eine CD-Sammlung verfügt kann diese übrigens auch im Continental hören, denn das Infotainment scheint noch auf MIB 2 oder 2.5 zu basieren, einschließlich CD-Player und SIM-Karten-Modul im Handschuhfach.

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Wo die Ambientebeleuchtung von Mercedes-Benz teilweise schon Richtung kitschig geht, beweist Bentley Stil: Die analogen Instrumente sind nachts exzellent in Szene gesetzt, die in acht Farben einstellbare Ambientebeleuchtung betont die Cockpitkonturen. Das tadellos verarbeitete Sichtcarbon im Armaturenbrett erhöht den Testwagenpreis um weitere 3683,05€.

Sport oder Tour: Der GTC kann beides

Nun aber runter von der Bahn, Verdeck auf und ab auf die Landstraße. Bei Außentemperaturen um die 10 Grad erfreue ich mich an den vielfach verstellbaren Sitzen und dem Nackenwärmer (Front Seat Comfort Specification). Dann den Drehregler auf ‚Sport‘ gestellt und der GTC legt los – und wie. Dank serienmäßiger Sport-Abgasanlage dringt der V8-Sound fast ungefiltert an die Ohren, ein wahrer Genuss für Fans von Verbrennungsmotoren. Dazu bringt der variable Allradantrieb die Leistung sauber auf die Straße. Wer möchte dirigiert das 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe mit den Metallschaltwippen, aber auch ohne manuelle Eingriffe hat der Bentley eigentlich immer den richtigen Gang parat. Die Lenkung erfordert im Sportmodus angenehm viel Handmoment ohne dabei übermäßig viel Feedback von der Fahrbahn zu vermelden. Auch die Ansprache um die Mittellage ist nicht zu spitz, der Continental GTC gibt hier eher den Gentleman-Racer als den spitzen Supersportler. Dazu passt auch das im Sportmodus straffere Fahrwerk, das aber ein gutes Stück von bretthart entfernt ist.

bentley continental gtc im fahrbericht: der beste gt?

Vom roten Firmenlogo für die V8-Motoren hat sich Bentley mittlerweile wieder getrennt. Der Experte erkennt den V8-Motor an der Abgasanlage mit vier (Fake)endrohren. Der W12 trägt hier zwei große ovale Endrohre.

Langsam steigere ich die Kurvengeschwindigkeit, aber der Bentley lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, die Gripreserven sind dank 315er Hinterreifen nicht aufzubrauchen. Einen Anteil hat dabei aber sicher auch der Wankausgleich, der immense Kurvengeschwindigkeiten ermöglicht, die man dem GTC gar nicht zutrauen würde. Im Zweifelsfall fängt die Keramikbremse den Continental zudem stets sicher und gut dosierbar wieder ein. Überhaupt fährt der GTC auch sportlich bewegt beinahe narrensicher, sofern man sich an die Straßenverkehrsordnung hält. Spätestens jetzt sind die Vorbehalte gegen die Konzernzugehörigkeit wie weggeblasen. Was fehlt zum perfekten Fahrverhalten? Nun, Porsche bietet für den Panamera eine Hinterachslenkung an, die dem GTC sicherlich zu noch mehr Dynamik (und einem kleineren Wendkreis) verhelfen würde.

Bentley Continental GTC: Preiswert?

So stellt sich abschließend die Frage, ob der Bentley Continental GTC sein Geld wert ist. Als Buchhalter, der mit spitzem Bleistift kalkuliert, würde ich sagen: nein. Ein ähnlich motorisiertes und voll ausgestattetes, sowie in Sachen Infotainment moderneres BMW M850i Cabrio lässt sich etwa für 180.000€ bestellen (M8: 230.000€). Klar ist der BMW im Detail etwas weniger fein verarbeitet und hat kein rotierendes Display, fährt aber ähnlich gut. Andererseits versprüht der Bentley natürlich deutlich mehr Prestige. Selten zog ein Testwagen dermaßen viele Blicke auf sich und wurde ich so oft auf den Testwagen angesprochen. Die Ausfahrt im Bentley Continental GTC – sicher ein Highlight meiner Testkarriere.

Alles gut also? Nun, auch Kritik muss sich der Bentley gefallen lassen. Da sich der V8 gerne mal 15 Liter Super Plus auf 100 Kilometer gönnt, muss trotz 90 Liter Tank gelegentlich Sprit nachgefüllt werden. Hier hat die Endkontrolle bei unserem GTC allerdings geschlampt: Die Spaltmaße des Tankdeckels passen hier nicht – und dass der Tankverschluss aussieht wie beim Golf 8 ist ebenso indiskutabel. Als Auto-Enthusiast würde ich mir zudem echte Endrohre wünschen. Denn wie bei mittlerweile vielen anderen Hersteller auch, offenbart der Continental GTC beim Blick in die Schürze, dass die verchromten Endrohre hier auch nur Attrappe sind.

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Hier hat die Endkontrolle geschlampt. Unregelmäßige Spaltmaße dürfen bei einem Fahrzeug in dieser Klasse nicht auftreten. Auch nicht am Tankdeckel.

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VW hat angerufen: Der Golf möchte seinen Tankverschluss zurück. Bei Porsche gibt’s den “Exclusive Design Tankdeckel” in Aluoptik immerhin für 130,90€ als Option (z.B. beim Panamera). Bei Bentley sind wir im Konfigurator leider nicht fündig geworden. Schwach!

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Für Viele wahrscheinlich egal, für Auto-Enthusiasten ein Graus: Auspuffblenden. Leider auch beim Continental GTC zu finden.

Wie (fast) alle Testwagen, haben wir die Matrix-LED-Scheinwerfer des Continental GTC einem Nachttest unterzogen. Das Video dazu findet sich hier.

Die Konfiguration unseres Testwagens gibt es hier als PDF. Achtung: Die angegebenen Preise verstehen sich als Nettopreise zzgl. 19% Mehrwertsteuer!

Technische Daten Bentley Continental GTC S (V8):

Bentley Continental GTC S Daten
Motorbauart V8-Biturbo mit Direkteinspritzung und Zylinderabschaltung (EA825)
Hubraum 3996ccm
Getriebe 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Leistung bei Drehzahl 550PS / 404kW bei 6000 1/min
Drehmoment bei Drehzahl 770Nm bei 2000-4500 1/min
Beschleunigung 0-100km/h 4,1s
Höchstgeschwindigkeit 318km/h
Antriebsachse Variabler Allradantrieb
Abmessungen (Länge x Breite x Höhe) 4,85m x 1,96m x 1,41m
Gewicht 2335kg
Zulässiges Gesamtgewicht 2800kg
Verbrauch (Hersteller / Test) 12,5 / ca. 15L/100km
Preis (Basis / Testwagen) 277.343€ / 367.938€

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