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Auf 505 Kilometern Radwandern Ernüchterung und Gastfreundschaft erlebt

Martin Steiniger prüfte für den Tourismusverband Lausitzer Seenland ehrenamtlich die Niederlausitzer Bergbautour.

auf 505 kilometern radwandern ernüchterung und gastfreundschaft erlebt

Martin Steiniger (50) aus Brieske ist leidenschaftlicher Radwanderer. Im Auftrag des Tourismusverbandes Lausitzer Seenland fuhr er die 505 Kilometer lange Niederlausitzer Bergbautour ab. Dabei prüfte er unter anderem die Ausschilderung und die Wegebeschaf © Foto: Andreas Kirschke

Region. Wer radelt, genießt die weite Landschaft. „Du tankst frische Luft. Du erfreust dich an der Natur. Sonne, Wind, Regen, Gerüche – all das nimmst du viel intensiver als sonst wahr“, erzählt Martin Steiniger (50) aus Brieske. Den Geruch frischen Brotes beim Dorfbäcker mag der Vermessungsingenieur und leidenschaftliche Radwanderer ganz besonders. Für den Tourismusverband Lausitzer Seenland prüfte er seit Mai ehrenamtlich die 505 Kilometer lange Niederlausitzer Bergbautour. Dabei ging es um die Ausschilderung, die Wegebeschaffenheit, den Verweis auf Sehenswürdigkeiten, den Bezug zum Bergbau und Möglichkeiten für Imbiss, Gastronomie, Übernachtung. „Eine Nachbarin regte das an. Sie hatte eine Stellen-Anzeige gelesen. Der Tourismusverband suchte einen ehrenamtlichen Radwege-Kontrolleur“, schildert Martin Steiniger. Seit 2017 arbeitet er bei der LMBV im Bereich Markscheiderei. Eine lange Wegstrecke liegt beruflich und freizeitlich hinter ihm.

In Wolkenstein (Erzgebirge) – im Dreieck Zschopau, Marienberg, Annaberg-Buchholz – wuchs er auf. Sein Schulfreund Jörn Schütze tourte oft mit dem Rad. „Eines Tages nahm er mich ins tschechische Chomutov mit. Es ging 40 Kilometer hin und 40 Kilometer zurück über den Erzgebirgskamm“, erinnert sich Martin Steiniger. Seitdem radwanderte er öfter.

Fasziniert von Landschaften

Sein Wunschberuf Vermesser stand früh fest. Ferienarbeit in der 8. Klasse inspirierte ihn. Im VEB Kombinat Geodäsie und Kartografie nivellierte er Gullydeckel. „Das ist die langweiligste Arbeit. Komm doch wieder“, ermutigten ihn dort die Mitarbeiter. Die zweite Ferienarbeit vor Ort verlief für Martin Steiniger weit spannender. Schon als Schüler faszinierten ihn topographische Karten. Fünf Jahre studierte Martin Steiniger Geodäsie an der TU-Dresden. Lange Zeit begeisterte er sich (statt fürs Radwandern) fürs Motorrad-Fahren. Mit der ETZ 150er, später Yamaha TT 600, MZ Baghira 660, KTM 660er Adventure und weiteren Motorrädern entdeckte er die Landschaften. Beim Studium lernte er seine Frau Anne-Katrin (46) kennen. Die Neubrandenburgerin teilte seine Leidenschaft fürs Motorrad-Fahren. „Wir tourten durch die Sahara. Später durch halb Europa von Deutschland über Polen, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien bis in die Türkei“, erläutert Martin Steiniger.

2002 zog er mit seiner Frau in die Lausitz. Hier wachsen die Kinder Anton (16) und Georg (13) jetzt auf. Nach mehreren Stellen als Vermesser kam Martin Steiniger 2017 zur LMBV. Dank der Arbeit und dank seiner Kinder fand er zur früheren Leidenschaft Radwandern zurück.

Ernüchterung gleich zu Beginn

Am 29. April dieses Jahres fuhr er als ehrenamtlicher Radwege-Kontrolleur die ersten beiden Abschnitte von Senftenberg über Lauchhammer nach Calau auf der Niederlausitzer Bergbautour. Neugierig, hoffnungsvoll, tatendurstig startete er. Ernüchtert stellte er sich bald viele Fragen. „Warum quäle ich mich sieben Kilometer gegen den Wind nach Plessa, um an einem verschlossenen Industriedenkmal zu pausieren? Keine Rufnummer, keine Info, warum zu den vermeintlichen Öffnungszeiten geschlossen ist?“, vermerkte er im Protokoll. „Warum quäle ich mich kilometerlang durch groben und rolligen Schotter, um zu einem See zu kommen, an dem genau alle Imbiss-Varianten geschlossen sind? Warum ist die Umleitung aufgrund der LMBV-Baustelle nicht ausgeschildert? Warum komme ich eigentlich an keinem Einkaufsladen vorbei? Wo geht es an der F 60 weiter? Warum habe ich den Weg am Bergheider See verloren?“

Es geht direkt ins Sperrgebiet

Zwischen dem Laden in Plessa und dem Asia-Imbiss in Calau gibt es auf 100 Kilometern keinen Imbiss. Der Radwanderweg führt an Sehenswürdigkeiten wie den Biotürmen Lauchhammer, dem Kunstgussmuseum Lauchhammer und anderen markanten Punkten VORBEI. „Hier ist dringender Handlungsbedarf vonnöten“, schrieb Martin Steiniger ins Protokoll. Am Grünewalder Lauch und im Raum Fürstlich-Drehna / Groß Mehsow fehlt Beschilderung. Dort führt die Radroute direkt ins Sperrgebiet…

Die Niederlausitzer Bergbautour ist sicherlich eine schöne Grundidee, so der Briesker. Es hapert jedoch an der Realisierung. „Ich habe das Gefühl, Person eins hat all diese Punkte in einer Karte markiert. Person zwei hat dann diese Punkte mit vorhandenen Radwegen verbunden. Person drei hat entschieden, da fehlen noch ein paar richtig grässliche Abschnitte, die müssen auf jeden Fall mit rein“, schildert er. „Person vier hat dann entschieden: Wie können wir die Route so verändern, dass der Radfahrer genau an diesen Punkten VORBEI fährt?“ Ernüchtert war er auch durch Unfreundlichkeit unterwegs. Bockwurst und Kaffee in der Sportlerklause Lichterfelde? „Nur bei fünf Euro Eintritt fürs Fußballspiel.“ Café Creme beim Bäcker in Lübbenau? „Fehlanzeige. Die Kaffeemaschine war kaputt. Kunden nach mir erhielten zumindest Filterkaffee…“

Am 13. und 14. Mai fuhr Martin Steiniger die Abschnitte drei und vier von Calau über Vetschau nach Cottbus. Die Fahrt begann freudvoll. Schöne Strecke, GPS und Ausschilderung stimmen überein, eine herrliche Landschaft westlich von Calau. Doch dann kamen wieder viele Fragen. „Warum fahre ich kilometerweit nach Fürstlich Drehna, um dann durch einen Sperrbereich und den nahezu gleichen Wald wieder nach Calau zurückzufahren? Warum sind sich die Kommunen oder Landkreise nicht einig, was kommt auf die Kartenskizze der Knotenpunkte?“, schrieb er ins Protokoll. „Warum gehen manche Ausschilderungen im Nirwana verloren?“

Zweifel an der Sinnhaftigkeit

Martin Steiniger zweifelte an der Sinnhaftigkeit einer solchen Tour. Ernüchtert fasste er die Fahrtage zusammen: „Ein Mix aus fehlender und irreführender Ausschilderung, mangelhafter Versorgungslage, gepaart mit einigen wirklich ungeeigneten, auch gefährlichen Streckenabschnitten, siehe Sperrgebiet am Restloch 12!“

Am 17. Juni fuhr er die Abschnitte fünf und sechs von Cottbus über Forst nach Spremberg. Dort gibt es schöne Strecken und zudem eine gute Ausschilderung. Doch: Es gibt nahezu keine Imbiss-Angebote; Einkehr-Möglichkeiten beschränken sich auf Cottbus; wieder führt die Radroute an wichtigen Sehenswürdigkeiten VORBEI.

Am 30. Juni fuhr er Abschnitt sieben von Spremberg über Hoyerswerda zurück nach Spremberg. Zwar gibt es keine Ausschilderungs-Schleifen. Dennoch steht die Frage nach der Sinnhaftigkeit mancher Streckenführung. Der Radtourist wird zum Beispiel komplett am Stadtzentrum Hoyerswerda vorbeigeführt. Ab der Landesgrenze Brandenburg / Sachsen werden fast durchweg alte Radwege befahren. „Es gibt nur wenig Imbiss-Angebote, Einkehr-Möglichkeiten beschränken sich in der Tat auf Spremberg und Hoyerswerda.“

Ein versöhnlicher Abschluss

Bereits am 4. Juni fuhr Martin Steiniger den letzten Abschnitt acht von Spremberg nach Senftenberg. Sein Fazit dort war: Schöne Strecken, in der Tat abwechslungsreich, mit Bezügen zum Bergbau; Einkehr-Möglichkeiten beschränken sich auf Spremberg, Großräschen, Senftenberg. In Sachen Selbstversorgung wäre noch Welzow zu nennen. Gut in Erinnerung bleibt insgesamt die Gastfreundschaft im Café „Kśišowka“ in Wüstenhain bei Vetschau und im Erlebnispark Teichland Neuendorf bei Peitz. „Dort gab es Kaffee – noch weit vor der Öffnungszeit…“

Seine Protokolle – sorgfältig und detailliert geführt – geben dem Tourismusverband Lausitzer Seenland wertvolle Einblicke. Dankbar nimmt der Verband sie an. Gespräche führt er jetzt mit den jeweils verantwortlichen Landkreisen. Martin Steiniger hofft auf Korrekturen. „Nach ernüchterndem Beginn gab es für mich auf der Niederlausitzer Bergbautour ein versöhnliches Ende“, so sein Fazit. Gern will er für den Tourismusverband weiter arbeiten. 2024 prüft er voraussichtlich die rund 200 Kilometer lange Seenland-Route.

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