Audi

Formel 1

Sport

Andreas Seidl, Mike Krack & Oliver Hoffmann: Was zwickt da bei Audi?

Gerangel um die Macht bei Audi: Warum anderthalb Jahre vor der Formel-1-Premiere plötzlich Druck bei den Ingolstädtern herrscht und was das mit Mike Krack zu tun hat

andreas seidl, mike krack & oliver hoffmann: was zwickt da bei audi?

Andreas Seidl und Oliver Hoffmann zuletzt in der Startaufstellung in Spielberg

Die ausbleibende Performance beim Sauber-Team sorgt gut eineinhalb Jahre vor dem offiziellen Audi-Einstieg in die Formel 1 offenbar für Unruhe und Nervosität hinter den Kulissen. Darauf deuten zumindest Medienberichte hin, die nach dem Grand Prix von Großbritannien in Silverstone jetzt die Runde machen.

Demnach ist offenbar Audi-intern ein Machtkampf zwischen dem gesamtverantwortlichen Leiter des Formel-1-Projekts, Oliver Hoffmann, und Formel-1-CEO Andreas Seidl entbrannt. Wie AutoAction berichtet, soll Hoffmann versuchen, an Seidls Stuhl zu sägen, und dabei vor allem die augenscheinlich fehlende Entwicklung des Teams seit Amtsübernahme des ehemaligen McLaren-Teamchefs vor gut 14 Monaten ins Feld führen.

Das von Seidl geleitete Sauber-Team steht zur Halbzeit der Formel-1-Saison 2024, nach zwölf von 24 Grands Prix, noch ohne einen einzigen Punkt da und liegt damit an letzter Stelle der Konstrukteurs-WM. Ein sportlicher Rückschritt im Vergleich zu 2023, als die Schweizer nach zwölf Grands Prix immerhin neun Zähler angeschrieben hatten.

Allein: Reell waren Seidl bis Saisonbeginn 2024 und der endgültigen Übernahme der 100-Prozent-Mehrheit an Sauber durch Audi die Hände gebunden. Größere Investments mussten bis März, als der ursprüngliche Eigentümer Finn Rausing auch seine letzten 25 Prozent abtrat, von Rausing mitgetragen werden, was de facto zu einem Investitionsstau führte.

Seit der Vollübernahme hat Seidl vor allem an der Personalfront Gas geben: Erst am Freitag bestätigte Audi die Verpflichtung von Stefan Strähnz, der von Mercedes kommt und ab 1. Oktober neuer Programmdirektor des Teams wird. Zuvor wurde, etwa mit Ex-Red-Bull- und McLaren-Mann Stefano Sordo oder mit Red Bulls ehemaligem Chefmechaniker Lee Stevenson, weiteres hochkarätiges Personal verpflichtet.

Auch auf dem Fahrermarkt gelang Seidl ein Coup: Mit Nico Hülkenberg, mit dem er schon beim erfolgreichen Le-Mans-Ausflug des Deutschen für Porsche 2015 zusammengearbeitet hatte, konnte eine der heißesten Aktien auf dem Fahrermarkt für das Projekt gewonnen werden.

Dabei war Seidl für die Neuverpflichtung nicht nur als Kontaktmann, sondern auch wegen seiner klaren Ansagen in den Verhandlungen beim Ja zu Audi das Zünglein an der Waage, wie Hülkenberg selbst anschließend mehrfach betonte.

Für Audi dürfte sich Hülkenberg nicht nur wegen seines deutschen Passes als Glücksgriff erweisen, performt der 36-Jährige doch seit Monaten auf konstant hohem Niveau. Zuletzt sorgte er mit zwei sechsten Plätzen im Haas für Aufsehen, und er gilt in seiner “zweiten” Formel-1-Karriere mit den “Ground-Effect-Cars” als einer der besten Qualifyer im Feld.

Sainz lässt auf sich warten: Irritationen bei Audi

Die von Sauber stiefmütterlich wie notgedrungen übernommene Fahrerpaarung aus Valtteri Bottas und Guanyu Zhou hinkt hingegen stark hinter den Erwartungen hinterher. Auch ein Faktor für die sportlich magere Bilanz 2024. Zhou hat realistisch betrachtet keine Zukunft im Team, und Bottas nur dann eine kleine Chance, wenn Carlos Sainz nicht kommt.

Die Besetzung des zweiten Cockpits soll ebenfalls zum Streitpunkt zwischen Hoffmann und Seidl geworden sein, ist man auf Konzernseite doch offenbar von der Hängepartie um Sainz irritiert. Der Spanier wird mittlerweile auch von Alpine und Williams umworben und sendete dem Audi-Projekt zuletzt deutlich weniger positive Signale als noch vor einigen Monaten.

Ärgerlich, denn: Audi hätte Sainz nach Informationen von Motorsport-Total.com bereits direkt im Anschluss an die Schockmeldung von Lewis Hamiltons Wechsel zu Ferrari verpflichten können. Damals scheiterte der Deal aber an der fehlenden Handlungsfähigkeit der Entscheider zu dem Zeitpunkt.

Schwaches Sauber-Ergebnis kann zu Audis Segen werden

Denn nach Audis groß zelebrierter Einstiegsankündigung beim Grand Prix von Belgien im August 2022 hing über dem Programm monatelang ein Fragezeichen. Audi-CEO Markus Duesmann, der das Projekt höchstpersönlich vorangetrieben hatte, musste seinen Posten im August 2023 räumen, und sein Nachfolger Gernot Döllner gab, inmitten von Gerüchten über einen Last-Minute-Exit, erst im Dezember 2023 ein klares Bekenntnis zur Formel 1 ab.

Im März 2024 musste dann ausgerechnet Oliver Hoffmann, neben Duesmann die zweite treibende Kraft hinter Audis Formel-1-Einstieg, seinen Posten als Entwicklungsvorstand räumen, weil Döllner ihn laut verschiedenen Medienberichten für einen jahrelangen Entwicklungsstau bei neuen Modellen verantwortlich macht.

Sprich: Der 47-Jährige gilt selbst als angezählt und steht auch in veränderter Rolle bei Audi entsprechend unter großem Druck – was sich nun offenbar in den Grabenkämpfen mit Seidl niederschlägt. Nicht untypisch für Großkonzerne, würde Hoffmann dem Vorstand schließlich lieber heute als morgen positive Ergebnisse seines Formel-1-Teams präsentieren.

Allerdings sind schnelle Ergebnisse in der aktuellen Phase des Projekts nicht zwingend förderlich für langfristigen Erfolg. Durch die Auswirkung der aktuellen WM-Position auf von der FIA genehmigten Entwicklungs- und Windkanalzeiten könnte für Audi eine auf dem Papier schwache Saison 2024 in puncto Ressourcen noch zum Ass im Ärmel mutieren, wenn das Projekt auf der Zielgeraden für 2026 dann mit möglichst wenig Einschränkungen Fahrt aufnehmen kann.

Werben um Aston-Martin-Teamchef Mike Krack

Pikant: Als mögliche Nebenfigur in den Grabenkämpfen der Audi-Verantwortlichen kristallisiert sich immer mehr Aston-Martin-Teamchef Mike Krack heraus. Dem Luxemburger fällt bei seinem derzeitigen Arbeitgeber zunehmend die erhöhte Erwartungshaltung bei Teambesitzer Lawrence Stroll auf den Kopf.

Durch den 2024 erfolgten Leistungseinbruch bei Aston Martin, und spätestens seit der Verpflichtung von Ex-Mercedes-Motorenchef Andy Cowell als Group-CEO, gilt Krack beim britischen Sportwagenhersteller als Wackelkandidat. Jetzt könnte er mit einem Absprung zu Audi einer schleichenden Demontage zuvorkommen.

Kein Geheimnis ist: Seidl und Krack kennen sich aus der Vergangenheit gut, arbeiteten sowohl bei BMW als auch bei Porsche schon eng zusammen, halten große Stücke aufeinander und könnten auf sportlicher Ebene entsprechend ein schlagkräftiges Team bilden.

Aber: Auch Hoffmann soll mit seiner Agenda Interesse an einer Krack-Verpflichtung haben. Sollte das Zerwürfnis mit Seidl am Ende des Tages zu dessen Abgang führen, könnte er selbst Seidls Posten als CEO bekleiden, während sich mit Krack ein erfahrener Mann um die sportlichen Belange kümmert.

Für die oberste Konzernspitze Audis stehen vor diesem Hintergrund nun wichtige Entscheidungen an, die das Gesicht und die zukünftige Richtung des Formel-1-Projekts definieren werden. Vertraut man weiterhin auf Seidls Erfahrung und seine erfolgreiche Visitenkarte in der Formel 1, und geht den eingeschlagenen Weg weiter – oder schenkt man Hoffmanns Drücken des Panikknopfes am Ende des Tages doch Gehör?

TOP STORIES

Top List in the World