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Alternative zum Auto? Das kann das Sitzbank-Lastenrad für 8500 Euro

E-Lastenrad als Personentransporter: Beim Passenger Bike vom Stuttgarter Hersteller Mäx & Mäleon können Passagiere mit bis zu 100 Kilo mitfahren. Der Test zeigt: Sobald das ungewöhnliche Rad erst mal in Schwung ist, erweist es sich tatsächlich als praktische Autoalternative.

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Wer mit dem Passenger Bike unterwegs ist, muss sich auf Blicke und Kommentare gefasst machen dpa-tmn/Stefan Weißenborn

Lastenräder sind dazu da, Lasten zu transportieren – klar. Es fahren mit: Getränkekisten, Kinder, Wocheneinkäufe. Und auch mal Gepäck, denn längst werden manche Cargo-Modelle als Reiseräder genutzt.

Was bislang eher nur von Fahrrad-Rikschas bekannt ist: Das Bild von erwachsenen Menschen, für die sich jemand im Sattel abstrampelt. Als 2020 die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geändert wurde und diese prinzipiell auch den Transport von Erwachsenen auf Fahrrädern erlaubte, reagierten erste Hersteller.

Seitdem sind vor allem spezielle Sitzkonstruktionen für die Heckpartie von Longtail-Lastenrädern aufgekommen. Nur: Bei solchen Modellen, wie sie Riese & Müller, Tern oder Decathlon im Programm haben, ist das Körpergewicht des Passagiers meist auf 60 bis 80 Kilo beschränkt. Das Passenger Bike des Start-ups Mäx & Mäleon verträgt dagegen Personen mit bis zu 100 Kilo: Auf der Sitzbank vor dem Lenker fahren sie mit und können die Beine hochlegen.

Der Einsatzzweck: Der Hersteller, der seine Modelle in Stuttgart montiert, lässt verlauten: „Wo einst das erste Auto hergestellt wurde, bauen wir nun die erste echte Alternative.“

Die sachlichere Version: Das Passenger Bike sei ein E-Lastenrad für den Personentransport. Selbst für mitfahrende Senioren sei das Fahrrad gedacht.

Dabei sei es „superwendig“ – woran allerdings allein durch die Fahrzeuglänge von mehr als 2,60 Meter und 6,70 Meter Wendekreis Zweifel aufkommen. Gedacht sei es für Straßen und Radwege, aber auch Schotterpisten, konstruiert für eine „sportliche Fahrweise“.

Die Technik des Passenger Bike von Mäx & Mäleon

Für ordentlich Schub soll „Deutschlands stärkster Lastenradmotor“ sorgen: Der in den handgeschweißten Stahlrahmen eingepasste Mittelmotor vom deutschen Hersteller ZF (Modell Sachs RS) kommt auf bis zu 112 Newtonmeter (Nm) Drehmoment.

Bis zu 700 Watt werden in die Kette geleitet. Dabei liegt die Dauernennleistung den rechtlichen Vorgaben für Pedelecs entsprechend bei 250 Watt.

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Das Passenger-Bike ist gut 2,60 Meter lang dpa-tmn/Stefan Weißenborn

Augenfällig ist die als Fußablage nutzbare Frontpartie, die etwas Oldtimerhaftes hat: Unter der hölzernen, von zwei kleinen Rundscheinwerfern flankierten Holzhaube verbirgt sich zwar kein knatternder Motor, aber das „Sportfahrwerk“: Eine Konstruktion aus Querlenkern und Neigetechnik, die dem Dreirad auch in dynamisch gefahrenen Kurven Stabilität verleihen soll.

Weitere Unterschiede, die ein Fahrrad mit zwei Vorderrädern mit sich bringt: Die Bremsleistung der Scheibenbremsen – eine rechts, eine links, mit je 200 Millimeter Scheibendurchmesser – verdoppelt sich quasi. Und weil das Bike dreispurig ist, ist es weniger kippgefährdet als ein Lastenrad mit zwei Rädern.

Fahreindruck vom Mäx & Mäleon Passenger Bike

Beim Ampelstart kommt man gut aus dem Quark, was die ZF-Einheit durch deutlich wahrnehmbares Surren akustisch unterstreicht. Weil der Motor bereits bei einer Trittfrequenz von 40 Umdrehungen pro Minute (U/min) 55 Nm liefere, sei er für das „Stop-and-Go“ in der Stadt ideal, unterstreicht ZF.

Und man braucht den Motor auch: Nicht erst, wenn Erwachsene zusteigen, ist es ein Kraftakt, das Lastenrad ohne diese Kraftspritze zu bewegen. Das Leergewicht ist mit 68 Kilo selbst für diese Fahrradgattung ungewöhnlich hoch.

Mischt der Motor mit, ist es aber ein müheloses Unterfangen, ausgewachsene Menschen zu chauffieren – und ein sehr spaßiges, wie wir auf Probefahrt mit einem 75-Kilo-Mann an Bord lernen: Die ungewöhnliche Situation zu zweit sorgt vorn wie hinter dem Lenker für eine verkehrssichere Variante der Ausgelassenheit.

Man lacht und lässt sich Kommentare wie Blicke von der Seite gefallen. Vor allem beim Anfahren sollte man Mitfahrende aber bitten, mittig Platz zu nehmen und stillzuhalten – sonst ist Schlingerkurs angesagt. Die Lenkung ist ohnehin etwas nervös.

Die Breite des Bikes von mehr als 70 Zentimetern zwingt einen auf die Straße, wenn der Fahrradweg zu schmal oder zugewachsen ist. Sind dort Straßenbahnschienen verlegt, gilt mit dem dreispurigen Fahrrad erhöhte Vorsicht, um nicht zu verkanten oder zu stürzen

Praktisch: Unter der Sitzbank finden im 65-Liter-Stauraum Rucksäcke, Luftpumpen, Fahrradschlösser oder ein Ersatzakku (990 Euro extra) Platz, falls mal mehr als 80 Kilometer Reichweite gefragt sind. So lange hält ein Pack durch, wenn nicht die ganze Zeit über die höchste Unterstützungsstufe aktiv ist.

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Bei geöffneter Frontklappe ist der Blick aufs Fahrwerk frei. Und der Zugriff auf ein kleines Geheimfach dpa-tmn/Stefan Weißenborn

Und: Soll mal leblose Ladung an Bord, aus dem Möbelmarkt oder vom Trödel, kann die Trennwand des aus Holz- und Blech gefertigten Aufbaus entnommen werden. So vergrößert sich der Fußraum zur Ladefläche.

Egal, was oder wer mitfährt – die Luftfederung sorgt für eine gut gedämpfte Fahrt selbst über Kopfsteinpflaster, über das die einzeln aufgehängten Räder dann nur so tanzen. Das Ansprechverhalten sorgt in schneller durchfahrenen Kehren allerdings auch dafür, dass die Räder hoppelnd zur Seite abdriften.

„Eine leichte Untersteuerung kommt manchmal vor – vor allem ohne Beladung oder auf losem Untergrund wie Schotter“, räumt der Hersteller ein. Außerdem verbaut dieser am Serienmodell statt Luft- mittlerweile Federdämpfer: Dass die Räder in der Kurve anfangen zu springen, passiere damit kaum noch. Zudem sei die neue Lösung wartungsärmer und haltbarer, heißt es.

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Ordentlich Drehmoment von ZF: Der Sachs RS gehört mit bis zu 112 Nm zu den stärksten Mittelmotoren für Pedelecs überhaupt dpa-tmn/Stefan Weißenborn

Unharmonisch zeigt sich am Testrad das Zusammenspiel von Motor und Rohloff-Nabenschaltung: Weil die ZF-Maschine kurz nachdreht, sobald die Pedale für einen Gangwechsel ruhen, knurpst und knackt es beim Schalten, da dies unter Last ohne rechte Zugkraftunterbrechung geschieht.

Kein Problem, findet zumindest der Hersteller und gibt einen Tipp fürs Schalten: „Ein kleines bisschen Rückwärtstreten – dann stoppt der Motor direkt die Unterstützung.“

Etwas umständlich ist das aber schon. Ansonsten wirkt das Zusammenspiel von Trittfrequenz-, Drehmoment- und Geschwindigkeitssensor sehr harmonisch. Auch schaltet sich die Motorkraft ab 25 km/h geschmeidig und nicht ruckartig aus.

Weitere Bauteile, Zubehör, Peripherie

Um auch die Kleinsten mit an Bord zu nehmen, können zwei Babysitze oder Kleinkindersitze montiert werden, ebenso kompatible Autositze und -Babyschalen per Adapter.

Vor Witterungseinflüssen soll Kinder bis zum Grundschulalter ein Regendach schützen, das über ein extra zu montierendes Gestänge gespannt wird. Bei älteren Mitfahrern kommt eine fleecegefütterte Regendecke zum Einsatz, die immerhin bis zum Bauch schützt. Für Ladung ist ein Sicherungsset mit Ringen und Spanngurten im Angebot.

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70 Zentimeter breit: Auf der Sitzbank können nebeneinander eine erwachsene Person und ein Kind oder zwei Kinder bequem Platz nehmen dpa-tmn/Stefan Weißenborn

Mehr Komfort beschert Fahrern eine gefederte Sattelstütze, Smartphones laden Strom per optionalem USB-Port am Lenker, der die Hauptbatterie anzapft. Das zentrale Lenker-Display lässt sich mit der Navigationsapp Komoot vernetzen.

Ab 8490 Euro verlangt Mäx & Mäleon für das Passenger Bike. Das Testrad in Premium-Ausstattung kostet 9690 Euro. Als Dienstrad kann man das Lastenrad auch leasen.

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Das Cockpit: Das zentrale Display lässt sich gut ablesen, liefert allerdings zu konservative und damit eher unbrauchbare Werte zur verbleibenden Reichweite dpa-tmn/Stefan Weißenborn

Fazit: Oma oder Opa als Mitfahrer auf dem Fahrrad – eine seltene Erfahrung, die das Passenger Bike ermöglicht. Auf der Sitzbank braucht es Vertrauen, die Person im Sattel benötigt Gefühl und Kraft zum Austarieren der Last.

Doch sobald das ungewöhnliche Bike in Schwung ist, zeigt es sich auf städtischen Wegen tatsächlich als praktische Autoalternative – zumindest wenn nicht gleich die ganze Familie mit soll.

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