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„Servicewüste und Armutszeugnis“: Fahrgast bekommt in Tölz vor 6 Uhr kein Taxi

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„Servicewüste und Armutszeugnis“: Fahrgast bekommt in Tölz vor 6 Uhr kein Taxi

„servicewüste und armutszeugnis“: fahrgast bekommt in tölz vor 6 uhr kein taxi

In Bad Tölz vor 6 Uhr ein Taxi zu bekommen, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Taxiunternehmen nehmen Fahrten um diese Zeit nur unter bestimmten Bedingungen an.

Markus Soukup aus Greiling ist verärgert. Als er ein Taxi bestellen wollte, um am Tölzer Bahnhof einen Zug um 6 Uhr zu erreichen, wurde er mehrfach abgewiesen.

Bad Tölz – Als „Servicewüste in Sachen Taxi“ bezeichnet Markus Soukup Bad Tölz. Es sei für die Stadt „ein Armutszeugnis, dass man kein Taxi vor 6 Uhr bestellen kann“, schreibt der nach eigenen Worten „genervte Leser“ an den Tölzer Kurier. Auf Anfrage bestätigen einige Tölzer Taxiunternehmen, dass sie um diese Uhrzeit Taxifahrten gar nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen anbieten. „Wir geben unser Bestes, aber in Tölz ist das leider sehr, sehr schwierig“, meint etwa Taxiunternehmerin Yvonne Heller.

Taxiunternehmer in Bad Tölz äußern sich zu Vorwürfen

Konkret stand Markus Soukup kürzlich vor dem Problem, dass er um 6 Uhr den Zug in Bad Tölz erwischen musste, um als Berufsschullehrer pünktlich zur Arbeit nach München zu kommen. Von seinem Wohnort Greiling aus fährt um diese Zeit aber noch kein Bus, und das Auto brauchte an diesem Tag seine Lebensgefährtin. Beim Versuch, ein Taxi zu bestellen, habe er aber drei Absagen von Tölzer Taxiunternehmen bekommen, zwei weitere habe er gar nicht erst erreicht. Letztlich sei er dann bei Regen mit dem Fahrrad zum Bahnhof gefahren. „Aber was mache ich im Winter oder wenn ich einen Koffer dabei habe?“, fragt er sich. Dann bleibe ihm nur, den 35- bis 40-minütigen Weg zu Fuß zurückzulegen. „Ärgerlich“ sei das. „Es gibt doch in Tölz auch Kurgäste oder Menschen, die eine Dienst- oder Urlaubsreise antreten müssen.“

Für den Frust zeigen Vertreter von Taxiunternehmen Verständnis, aber: „Wir müssen uns unter der Woche auf die Zeit von 7 bis 19 Uhr konzentrieren“, sagt etwa Unternehmer Johannes Gundermann. Mit seinen vier Autos diese Zeiten abzudecken, sei herausfordernd genug. „Mehr als zwölf Stunden sind für uns nicht darstellbar“, sagt er offen.

Unternehmerisch ist es Gundermann zufolge nicht vertretbar, zu einer Zeit, in der wenig Nachfrage herrscht, Personal einzuteilen. Die Fahrer müsse er schließlich bezahlen. Wenn dann auf der anderen Seite eine einzelne Fahrt stehe, die vielleicht nur 10 bis 15 Euro koste, „dann habe ich mehr Kosten als Umsatz“. Größere Fahrten, wie etwa nach Holzkirchen, zum Münchner Hauptbahnhof oder Flughafen, seien aber auf Anfrage auch vor 6 Uhr möglich.

Seit Corona hat sich die Welt geändert. Die Nachfrage ist dramatisch reduziert, insbesondere nachts.

Helmut Stojetz von „Taxi Much“ in Bad Tölz

Bekommt man beim größten Tölzer Taxiunternehmen Much vor 6 Uhr ein Taxi? „Spontan nicht“, räumt Mitarbeiter Helmut Stojetz ein. „Mit Vorbestellung bis zum Nachmittag davor müsste es aber machbar sein.“ Generell gelte bei Taxi Much unter der Woche eine Ruhezeit zwischen ungefähr 2 oder 3 Uhr und 6 Uhr morgens. Bei Abweichungen davon sei etwas Vorlaufzeit nötig, um das Personal entsprechend einzuteilen. Die Personaldisposition sei in diesem Gewerbe herausfordernd, Mitarbeiter seien nicht leicht zu bekommen und zu halten.

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„Früher sind wir 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag gefahren“, sagt Stojetz. „Aber seit Corona hat sich die Welt geändert. Die Nachfrage ist dramatisch reduziert, insbesondere nachts.“ Das Geld sitze bei den Kunden nicht mehr so locker, auch das Tölzer Nachtleben sei nicht mehr, was es mal war.

Auch Yvonne Heller führt Personalprobleme ins Feld. Nicht jeder wolle vor 6 Uhr arbeiten. Zudem verweist sie auf die vorgeschriebenen Lenk- und Ruhezeiten. Die Fahrer dürften maximal zehn Stunden arbeiten. Gerne würde sie mit ihrem Unternehmen auch Zeiten vor 6 Uhr abdecken. „Aber dann würden die Lohnkosten in einem Missverhältnis zu den Einnahmen stehen“, sagt sie. Für die Kunden tue ihr die Lücke leid.

Landratsamt prüft Antrag auf Erhöhung der Taxitarife

Höhere Preise können die Taxiunternehmen zur frühen Stunde auch nicht verlangen. Die Taxi-Tarife sind in jedem Landkreis vorgeschrieben. Festgelegt werden sie vom Landratsamt sowie den Fachverbänden IHK, Amt für Maß und Gewicht und dem Verein „Bayerische Taxi- und Mietwagenunternehmer“, erklärt Landratsamt-Sprecherin Marlis Peischer. Zuletzt seien die Taxitarife im Mai 2022 „deutlich erhöht“ worden. „Ein Antrag zur erneuten Erhöhung liegt vor“, so Peischer. „Dieser wird geprüft.“

Eine Verletzung der Beförderungspflicht, wie Markus Soukup vermutet, liegt laut Peischer übrigens nicht vor, wenn vor 6 Uhr keine Fahrten angeboten werden.

„Zwar gibt es für Taxiunternehmen eine Beförderungspflicht, jedoch gilt diese nicht rund um die Uhr“, erklärt die Behördensprecherin. „Nur wenn ein Taxi am Taxistand steht und jemand befördert werden möchte, dann kann dies im Pflichtfahrgebiet nicht abgelehnt werden.“ (ast)

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