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Wie McLaren nach zwölf Dürrejahren wieder an die Spitze gekommen ist

wie mclaren nach zwölf dürrejahren wieder an die spitze gekommen ist

McLaren ist endlich wieder auf dem Erfolgspfad

Nach neun Jahren bei McLaren weiß Teamchef Andrea Stella ganz genau, welche Achtbahnfahrt das Team durchlebt hat. In Baku hat McLaren nicht gerade überraschend die WM-Führung erobert, und doch ist es das erste Mal seit 2012, dass das Team aus Woking ernsthaft als Titelkandidat in Erscheinung tritt.

Damals hatten Lewis Hamilton und Jenson Button insgesamt sieben Siege aus 20 Rennen auf sich vereinen können – zusammen mit Red Bull die meisten.

Eine Mischung aus Fahrerfehlern und technischen Defekten führte jedoch dazu, dass sie insgesamt zehn Mal ausschieden – ein starker Kontrast zu den anderen Spitzenreitern von Red Bull, Ferrari und Lotus. Der damit verbundene Punkteverlust war unüberwindbar.

Trotz seiner unbestreitbaren Performance beschloss McLaren, dass ein überarbeitetes Auto 2013 mehr Potenzial haben würde, da die Entwicklungsmöglichkeiten für den schnellen MP4-27 begrenzt waren.

So entstand unter der Leitung von Technikchef Paddy Lowe der MP4-28 mit überarbeiteter Nase, Monocoque und Aufhängungen – einschließlich einer von Ferrari inspirierten Pullrod-Vorderradaufhängung.

Dies war, gelinde gesagt, erfolglos. Button und sein neuer Teamkollege Sergio Perez schafften es nicht ein einziges Mal auf das Podium, wobei der Mexikaner einen Mangel an Abtrieb und Stabilität beklagte.

Das Debakel kostete Martin Whitmarsh seinen Posten an der Spitze des Teams, und Eric Boullier wurde vor der Saison 2014 vom Vorsitzenden und CEO Ron Dennis zum Rennleiter ernannt.

Nachdem Paddy Lowe zu Mercedes gewechselt war, wurde der MP4-29 unter dem beförderten Technischen Direktor Tim Goss nach dem neuen Reglement der Formel 1 entwickelt.

Der Motor tut’s – und sonst?

McLaren genoss dank des dominanten Mercedes-Turbohybrids einen gewissen Vorteil gegenüber den meisten konkurrierenden Teams, aber das Team konnte trotz der kurzzeitigen Führung in der Konstrukteurswertung nach einem Doppelpodium von Rookie Kevin Magnussen und Button in Melbourne nur wenig Erfolg vorweisen.

Button erklärte daraufhin, dass es dem Auto sowohl an Traktion als auch an Abtrieb mangele, weshalb es in Hochgeschwindigkeitskurven instabil sei. “In Kurven mit einem scharfen Eingang sind wir nirgends”, klagte der Brite.

In der Zwischenzeit hatte McLaren für 2015 die Wiederbelebung seiner legendären Motorenpartnerschaft mit Honda angekündigt, die an die glorreichen Zeiten des Teams mit Ayrton Senna und Alain Prost erinnert.

Die nächsten drei Jahre konnten nicht an diese glorreiche Ära anknüpfen. Das Team kämpfte in der Regel nicht einmal um Punkte, da es dem Honda-Aggregat sowohl an Leistung als auch an Zuverlässigkeit mangelte – Neuzugang Fernando Alonso bezeichnete seinen Antriebsstrang beim Heimrennen des japanischen Herstellers in Suzuka berüchtigt als “GP2-Motor”.

Boullier erklärte beim Großen Preis von Ungarn 2015, dass Honda zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zu Mercedes massive 120 PS fehlten.

Infolgedessen gab McLaren das Honda-Projekt auf und wechselte für die Saison 2018 zu Renault-Motoren, wie Boullier im September 2017 erklärte: “Wir sind Neunter in der Meisterschaft – mit einem Topmotor, denke ich, wären wir im Moment Vierter.”

Enttäuschende Entwicklung

Das zeigt, dass sich McLaren bewusst war, dass sein Chassis noch Raum für Verbesserungen hatte – und der Renault-Antriebsstrang unterstrich dies noch mehr, als das Team vielleicht befürchtet hatte, da man 2018 einen enttäuschenden sechsten Platz belegte. Boullier trat in der Mitte des Jahres zurück und wurde durch ein Duo Stella und Gil de Ferran ersetzt.

Es stellte sich heraus, dass der MCL33 – das letzte Auto, das unter Goss entwickelt wurde, bevor er das Team verließ – auf der Strecke einfach nicht die gleiche Performance erbrachte wie in den CFD- und Windkanal-Daten.

“Nicht eine einzelne Person war schuld, aber wenn CEOs und Teamchefs kommen und gehen und Renndirektoren kommen und gehen, ist es schwer, einen Weg nach vorne zu finden”, erklärte der damalige neue Geschäftsführer Zak Brown.

“Wir haben alles getan, von personellen Veränderungen bis hin zu strukturellen Veränderungen, um die richtigen Leute an den richtigen Stellen mit den richtigen Zielen und den richtigen KPIs zu haben. Wenn wir also das Auto für 2019 entwickeln, werden wir nicht dieselben Probleme wiederholen und es ist ein Weg zur Besserung.”

Ein enttäuschter Alonso verließ die Formel 1, Stoffel Vandoorne wurde entlassen – der dominanteste Champion in der Geschichte der GP2, der sein Potenzial bei McLaren scheinbar nie voll ausschöpfen konnte.

Lando Norris, ein ebenso vielversprechender Youngster, kam an der Seite von Carlos Sainz, und der MCL34 war eine deutliche Verbesserung unter Stella, Technikdirektor Pat Fry und Chefingenieur Peter Prodromou.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger wurde der MCL34 vollständig unter Berücksichtigung des Renault-Aggregats entwickelt. Norris und Sainz fuhren regelmäßig in die Punkte, wobei der Spanier beim Großen Preis von Brasilien den ersten Podiumsplatz für McLaren seit mehr als fünf Jahren erreichte.

Wichtige Entscheidungen

In der Zwischenzeit wurden Andreas Seidl als Teamchef und James Key als Technischer Direktor eingestellt, wobei der Brite den neuen MCL35 für 2020 entwarf – dieses Mal eine Weiterentwicklung seines Vorgängers.

Nach seinem Amtsantritt Anfang Mai 2019 legte Seidl gleich eine Priorität fest: den Bau eines neuen hauseigenen Windkanals, da McLaren bisher den von Toyota in Köln genutzt hatte.

Damit begann ein langer Prozess der Modernisierung der Infrastruktur in Woking, der auch einen neuen Simulator umfasste und sich über die nächsten vier Jahre erstrecken sollte – etwas länger als geplant aufgrund der COVID-19-Pandemie.

Auch das Teammanagement durchlief in dieser Zeit eine etwas chaotische Entwicklung: Stella löste den scheidenden Seidl als Teamchef ab, während es viele Wechsel in der technischen Leitung gab, bis die aktuelle Struktur unter der Leitung von Peter Prodromou, Rob Marshall und Neil Houldey erreicht war.

Das Jahr 2020 war sogar noch erfolgreicher als die vorangegangene Saison: McLaren erreichte den dritten Platz in der Konstrukteurswertung dank der konstanten Top-5-Platzierungen von Sainz und Norris, wobei der Spanier in Monza beinahe seinen ersten Sieg errungen hätte.

Als Sainz zu Ferrari wechselte, wurde er durch Daniel Ricciardo ersetzt, und Norris übernahm die Führung des Teams, da der Routinier nicht an seine Leistungen herankam. Der Brite holte im Jahr 2021 160 Punkte, dafür holte Ricciardo den ersten McLaren-Sieg seit neun Jahren – ein überraschender Doppelsieg in Monza.

Schwierigkeiten unter neuem Reglement

Das neue Reglement ab 2022 kam McLaren nicht zugute, und vor allem zu Saisonbeginn 2023 hatte man große Probleme: Norris und sein neuer Teamkollege Oscar Piastri holten in den ersten acht Rennen zusammen nur 17 Punkte.

Ein umfangreiches Upgrade des Unterbodens, der Seitenkästen und der Motorabdeckung änderte jedoch das Schicksal des Teams ab dem Großen Preis von Österreich – als die neuen Teile an Norris’ Auto montiert wurden, bevor Piastri beim nächsten Rennen ebenfalls in den Genuss dieser Teile kam.

Seitdem ist McLaren mit nicht weniger als 25 Podiumsplatzierungen konstant an der Spitze, verglichen mit 30 von Red Bull, 21 von Ferrari und 11 von Mercedes.

Und da der diesjährige MCL38 das erste Auto war, das im neuen Windkanal entwickelt wurde, ist es kein Wunder, dass das Team Fortschritte gemacht hat, drei der letzten fünf Grands Prix gewonnen und die Führung in der Konstrukteurswertung übernommen hat.

Stella: Immer noch nicht schnell genug

Doch obwohl McLaren in den letzten sieben Rennen 113 Punkte mehr geholt hat als Red Bull, will Stella vor den kommenden Grands Prix keine Selbstzufriedenheit aufkommen lassen.

“Das Auto ist immer noch nicht schnell genug, um einige langweilige Rennen zu erzeugen – was, wenn man so will, nicht im Interesse der Formel 1 ist, aber definitiv die Art und Weise ist, wie wir Rennen fahren wollen”, sagt er.

“Wir müssen also daran arbeiten, das Auto schneller zu machen, und wir müssen bescheiden bleiben und mit den Füßen auf dem Boden der Tatsachen bleiben, denn wir sehen, dass es zwischen den vier Topteams nicht viel zu holen gibt, wenn man ehrlich ist.”

“Und wenn es um McLaren geht, höre ich oft ‘McLaren bestes Auto’. Ich denke, das sieht man nicht an den Zahlen. Ich denke, dass McLaren auf einigen Strecken wie Barcelona, Ungarn und Zandvoort aus guten technischen Gründen das beste Auto ist.”

“Aber hier (Baku; Anm. d. Red.) hatte McLaren keinen Vorteil gegenüber Ferrari, und ich denke auch nicht gegenüber Red Bull. Und selbst in Monza lag Mercedes innerhalb der [75] Millisekunden zwischen P2 und P6, also ist es einfach sehr, sehr ausgeglichen.”

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