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Gastbeitrag von Gabor Steingart - Acht Gründe, warum der Mercedes-Stern SOS blinkt – und ein neuer Chef nötig ist

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Pioneer Briefing

Mercedes-Chef Ola Källenius ist nicht der, für den er sich hält. Die Selbstvermarktung als europäischer Elon Musk („Electric Only“ ab 2030) endete mit dem Eingeständnis, dass es dafür noch keinen Markt gibt und die Jahreszahl 2030 willkürlich gegriffen war.

CEO in kurzer Hose: Der Reputationsschaden bringt dem Vorstandschef Spott in den eigenen Reihen: „Erst hat er auf dicke E-Hose gemacht und nun steht er in der Unterhose da“, sagt ein Mitarbeiter der Mercedes-Marketingabteilung gegenüber dem preisgekrönten Auto-Journalisten und früheren Kreativdirektor der Werbeagentur BBDO, Peter Groschupf .

Die Großspurigkeit des Chefs ist das eine, aber nicht das einzige Problem der Mercedes-Benz-Gruppe.

#1 Die China-Falle

Ausgerechnet China: Im Land der florierenden Elektromobilität fährt Mercedes-Benz##chartIcon den Wettbewerbern hinterher. Marktführer BYD##chartIcon erzielt im Inland einen Marktanteil bei E-Autos von über 35 Prozent, die deutschen Hersteller kommen zusammen nur auf fünf Prozent.

Mercedes kam 2023 in China bei den E-Autos auf einen mikroskopischen Marktanteil von 0,7 Prozent – damit liegen die Stuttgarter noch hinter BMW##chartIcon (1,7 Prozent).

#2 Angriff auf die S-Klasse

Jurassic Park in Stuttgart: Die S-Klasse war einst das Maß aller Dinge und ist heute nur noch ein Luxusauto unter vielen. Auch Chinas größter Autobauer BYD attackiert die Konkurrenz im Premiumbereich mit seinen Modellen der Untermarke Yangwang.

Die Vorwürfe der Kunden : groß wie ein Dinosaurier und innovationsschwach wie der Tyrannosaurus Rex. Der Absatz der S-Klasse ist im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahreszeitraum um ein Viertel eingebrochen.

#3 E-Mobilität läuft nicht

Von Januar bis September dieses Jahres verkauften die Stuttgarter nur 136.000 Elektroautos weltweit, gut ein Fünftel weniger als im Vorjahreszeitraum. Das entspricht einem Anteil von 9,3 Prozent aller Mercedes-Verkäufe.

Zum Vergleich: BMW verkaufte im selben Zeitraum 294.000 E-Autos, die mittlerweile fast 17 Prozent aller BMW-Verkäufe ausmachen. Mercedes wurde vom Frontrunner zum Follower der Autoindustrie. gastbeitrag von gabor steingart - acht gründe, warum der mercedes-stern sos blinkt – und ein neuer chef nötig ist

#4 Untreue Fangemeinde

Loyalität schwindet: Wer einmal Mercedes fuhr, kaufte immer wieder einen. Die Politiker. Der Werksdirektor. Der Mittelstand. Das ist heute nicht mehr so.

Tesla vorn: 71 Prozent der deutschen Besitzer eines Tesla##chartIcon würden das Fahrzeug weiterempfehlen. Aber nur 44 Prozent der Mercedes-Besitzer empfehlen ein E-Auto der Stuttgarter ihren Freunden, so das Ergebnis einer neuen Verbraucherstudie der Beratung UScale. gastbeitrag von gabor steingart - acht gründe, warum der mercedes-stern sos blinkt – und ein neuer chef nötig ist

#5 Fragwürdige Luxusstrategie

Källenius hat die A- und B-Klasse abgeschafft und setzt auf reinrassige Luxuskarossen. Zusammen mit seinem Finanzchef warb der CEO vor zwei Jahren bei einem Investorentreffen an der Côte d’Azur für seine „Economics of Desire“.

Fehlkalkulation: Der Absatz im Stuttgarter Top-End-Segment, also S- und G-Klasse sowie die Maybach- und AMG-Modelle, sank in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 19 Prozent auf knapp 199.000 Autos.

Jahrhundertirrtum: Auch wenn die unteren Klassen nie viel Geld verdienten, so lieferten sie Deckungsbeiträge für die Overhead- und Entwicklungskosten. Stellt man diese Klassen ein, fällt ein erhöhter Overhead bei den Oberklassen an – und drückt dort auf die Margen.

Der tendenzielle Fall der Profitrate: Die Marge von Mercedes-Benz Cars soll 2024 nur noch in einem Korridor zwischen 7,5 und 8,5 Prozent liegen. Versprochen hatte man den Investoren zehn bis elf Prozent.

#6 Investoren auf der Flucht

Design for Disaster: Verfällt die Marge, purzelt der Börsenkurs hinterher. Allein innerhalb der vergangenen sechs Monate haben die Stuttgarter fast ein Viertel ihres Börsenwertes verloren, derweil der Dax von einem Rekordhoch zum nächsten eilt.

Källenius ist nicht mehr der Star der Börse, sondern ihr Sorgenkind. Moritz Kronenberger , Portfoliomanager bei Union Investment, spricht von einem „Desaster“. gastbeitrag von gabor steingart - acht gründe, warum der mercedes-stern sos blinkt – und ein neuer chef nötig ist

#7 Das toxische Erbe des Dieter Zetsche

Vorgänger und Ziehvater: Der Mentor von Källenius trägt Mitschuld an der Lage. Seine Selbstzufriedenheit führte dazu, dass der Vorstand die Elektromobilität unterschätzte.

Der damalige Konzern beteiligte sich für eine kurze Zeit an Tesla, denn Elon Musk befand sich 2009 auf der Suche nach frischem Geld. Mit 50 Millionen Dollar erwarb Zetsche rund 9,1 Prozent an Tesla. 40 Prozent der Anteile gab Daimler bereits wenige Monate nach dem Einstieg an den Staatsfonds von Abu Dhabi weiter.

Fünf Jahre später glaubte Zetsche, dass der erste reinrassige E-Autohersteller Tesla seinen Zenit bereits überschritten habe. Also verkaufte er die verbleibenden Tesla-Aktien für 780 Millionen Dollar.

Was für eine Fehleinschätzung: Der 9,1-Prozent-Anteil an Tesla übertrifft bei einem aktuellen Börsenwert der US-Firma von über 800 Milliarden US-Dollar die heutige Marktkapitalisierung der Mercedes-Benz Group. Verbrennerfreund Zetsche ließ in seiner Amtszeit kein einziges Elektroauto vom Band rollen. gastbeitrag von gabor steingart - acht gründe, warum der mercedes-stern sos blinkt – und ein neuer chef nötig ist

#8 Standortnachteil Deutschland

Deutschland steigt ab : Der Standort Deutschland ist für Mercedes zum Belastungsfaktor geworden, wie für die anderen Automobilhersteller auch. Die hohen Energiekosten, die Arbeitszeitverkürzungen und der Krankenstand machen Mercedes zu schaffen. Mit einem Effizienzprogramm namens „Beat26“ hält Källenius dagegen.

Triumph der IG Metall: Doch Werksschließungen in Deutschland sind vorerst ausgeschlossen. Bis 2029 sind betriebsbedingte Kündigungen gemäß der Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung nicht möglich. Die IG Metall sagt, die Beschäftigten dürften nicht für die Managementfehler geradestehen.

Fazit: Ola Källenius ist mit 55 Jahren bereits ein Manager, der seine berufliche Zukunft hinter sich hat. Der Stuttgarter Stern glänzt nicht mehr, sondern blinkt nur noch matt. Und er blinkt SOS. Aufsichtsratschef Martin Brudermüller sollte sich zeitnah auf die Suche nach einem Nachfolger begeben.

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