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SPD-Wirtschaftsminister kritisieren Ampel und EU: „Ziel, alle zehn VW-Standorte vollumfänglich zu erhalten“

Kriselnde Autoindustrie

SPD-Wirtschaftsminister kritisieren Ampel und EU: „Ziel, alle zehn VW-Standorte vollumfänglich zu erhalten“

Die Wirtschaftsminister aus Berlin, Hessen, Sachsen und Niedersachsen fordern ein Bekenntnis der Ampel und der EU zur E-Mobilität – und einen Kurswechsel, um Arbeitsplätze bei VW zu retten.

Der Volkswagen-Konzern steckt mächtig in der Krise – und zieht mittlerweile selbst betriebsbedingte Kündigungen und Werkschließungen in Deutschland in Betracht. Dadurch ist das Thema automatisch zum Politikum geworden: In einem Gastbeitrag in der FAZ positionieren sich die vier SPD-Wirtschaftsminister der Bundesländer Berlin, Hessen, Niedersachsen und Sachsen nun ausdrücklich gegen die Pläne von VW – und attackieren indirekt auch die eigene Bundesregierung.

Um VW-Arbeitsplätze zu erhalten: SPD-Minister aus vier Bundesländer fordern Kurswechsel der Ampel

Konkret werben Martin Dulig (Staatsminister für Wirtschaft in Sachsen), Franziska Giffey (Senatorin für Wirtschaft in Berlin), Olaf Lies (Minister für Wirtschaft in Niedersachsen) und Kaweh Mansoori (Minister für Wirtschaft in Hessen) für Zusammenhalt, um alle zehn VW-Standorte in Deutschland „vollumfänglich zu erhalten“. Dabei dürfe es auch nicht geschehen, dass die einzelnen VW-Werke mit ihren Beschäftigten gegeneinander ausgespielt werden. Zuletzt wurde öffentlich immer wieder spekuliert, welche Werke dem Einschnitt von Volkswagen zum Opfer fallen könnten.

Dabei rückten in verschiedenen Medienberichten speziell die wenig effizienten Standorte in Osnabrück, Braunschweig, Kassel oder Salzgitter oder ins Scheinwerferlicht. Doch genau diese Diskussion möchten die vier Minister vermeiden und haben sich stattdessen mit konkreten Forderungen an VW und die Bundesregierung gewandt.

spd-wirtschaftsminister kritisieren ampel und eu: „ziel, alle zehn vw-standorte vollumfänglich zu erhalten“

Politikerin Franziska Giffey wurde in einer Bibliothek angegriffen.

Forderungen an die Regierung und EU: Bekenntnis zur E-Mobilität und Flottengrenzwerte aufweichen

Forderung #1:

  • Sie fordern ein klares Bekenntnis von allen Beteiligten zur E-Mobilität. Diese sei der „richtige Weg für die Zukunft der individuellen Mobilität in Europa“. Doch dafür bräuchten die Unternehmen von der Politik verlässliche Rahmenbedingungen. Auch in Hinblick der Lade-Infrastruktur sei noch „viel Luft nach oben“, so die Minister.

Hintergrund dieser Forderung ist die Debatte um den EU-weiten Verbrenner-Ausstieg bei Neuzulassungen bis 2035. Im Vorfeld der EU-Wahl im Juni hatte unter anderem Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen – wohl aus wahltaktischen Gründen – ein Bekenntnis zu dieser Regelung vermieden. Aus Kreisen der CDU und CSU wurden zudem Stimmen laut, die den Weg zur Elektromobilität anzweifelten. So hatte der CSU-Spitzenkandidat und Vorsitzende der europäischen EVP-Fraktion noch im Winter gegenüber Zeitungen der Mediengruppe Bayern erklärt, im Falle eines Wahlsieges in der EU das „Verbrenner-Verbot rückgängig machen“ zu wollen. Bisher ist jedoch auch wegen des Widerstands der Bündnispartner der EVP-Partei im EU-Parlament noch nichts geschehen.

Experten sind sich einig: Transformation zur E-Mobilität ist unausweichlich – Firmen brauchen Sicherheit

Dagegen sind sich Experten wie zum Beispiel Oliver Falck, Leiter des ifo-Zentrums für Industrieökonomie und neue Technologien, einig: Nur wenn die EU an ihren beschlossenen Regelungen festhielte, würde das viel Unsicherheiten nehmen und für Planungssicherheit bei den Unternehmen sorgen. Eine Transformation in diese Richtung sei ohnehin unausweichlich, erklärte der Experte gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Forderung #2:

  • Für eine Politik pro Elektromobilität seien Anreizprogramme wie etwa die Anfang 2024 gestoppte Kaufprämie für E-Autos unverzichtbar. Die Minister fordern von der Bundesregierung, den „Umweltbonus als Kauf-/Leasingsprämie“ wieder einzuführen. Diese Botschaft dürfte überwiegend in Richtung Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gemeint sein. Der Vizekanzler hatte Ende Dezember innerhalb weniger Tage das Ende der staatlichen Kaufprämie für Elektroautos verkündet. Diese sollte ursprünglich bis Ende 2024 laufen. Schon damals hatten prominente SPD-Politiker wie die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Detlef Müller und Verena Hubertz Habecks Entscheidung als „äußerst unglücklich“ betitelt – und einen „verlässlicheren Übergang“ gefordert.

SPD-Wirtschaftsminister sehen Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr: hohe Energiepreise, wenig Forschung

Die vier Landesminister monierten zudem, dass der Bund wieder mehr in Forschung und Entwicklung investieren solle. Nur so seien Innovationen wie etwa neue E-Modelle oder Akku-Generationen im Bereich der E-Mobilität möglich.

Forderung #3:

  • Als dritten Punkt gingen die Wirtschaftsminister auf die hohen Energiepreise ein. Diese seien langfristig ein Hindernis für die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Industrie. Konkrete Gegenmaßnahmen seien etwa, die Netzentgelte im Strompreis zu verringern oder das Laden an öffentlichen Ladepunkten nicht teurer als im privaten Bereich zu gestalten. Dafür seien in diesem Bereich Steuersenkungen notwendig.

Forderung #4:

  • Wenngleich alle vier Minister ein Verbrenner-Aus ab 2035 für notwendig halten, plädieren sie für eine „Modifizierung der europäischen CO₂-Flottenziele“. Ab 2025 müssen Automobilhersteller dafür sorgen, dass sie pro Fahrzeug nur noch 93,6 Gramm CO₂ pro Kilometer verursachen. Derzeit liegt der Wert bei 115,1 Gramm – bis 2030 soll der Wert auf 49,5 Gramm sinken. Übertreffen die Unternehmen diese Werte, drohen empfindliche Strafen von bis zu 13 Milliarden Euro. Für die Minister ist dieses Stufenmodell nicht umsetzbar, ohne dabei im globalen Wettbewerb den Kürzeren zu ziehen. Sie werben in ihrem Beitrag deshalb für ein „Flat-Curve-Modell“ mit einem Durchschnittswert von 98 Gramm pro Kilometer bis 2029. Nur so sei die Antriebswende marktgerecht zu erreichen. Weiterhin würden die Milliardenstrafen wichtige Innovationen verhindern.

SPD-Minister, Autohersteller und Lobbyverbände kritisieren EU – doch die bleibt bei weiterhin hart

Auch die Autoindustrie hatte zuletzt um eine Aufweichung der Grenzwerte geworben. VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch hatte dabei heftig die EU-Gremien kritisiert: „Die Politik hat der Industrie Vorgaben gemacht, ohne dass die notwendige Infrastruktur vorhanden gewesen wäre und ohne darüber nachzudenken, ob die Kundinnen und Kunden da mitmachen.“ Die Auto-Lobbyverbände VDA und Acea sehen zahlreiche Arbeitsplätze in Europa gefährdet, sollte die EU an den beschlossenen Flottengrenzwerten festhalten. Unter dem Eindruck des einbrechenden Absatzmarktes für Elektroautos sei nicht möglich, die Obergrenze einzuhalten. Dafür müssten die Hersteller einen Großteil der Produktion von Verbrenner-Motoren einstellen – wodurch zahlreiche Fertigungs-Standorte in Europa plötzlich ohne Aufträge wären.

Doch die EU-Kommission bleibt bei ihrem Vorgehen: Tim McPhie, Sprecher der Kommission für Klimaschutz, hatte im September gegenüber Euractiv erklärt, dass die Branche „ausreichend Zeit“ hatte, „sich auf die nächste Phase des Übergangs vorzubereiten“. Für die Minister ist diese Argumentation angesichts der derzeitigen Krise unverständlich: „Die drohenden Milliardenstrafen helfen dem Klima nicht weiter.“ Vielmehr müsse nun die deutsche Politik alles dafür tun, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft zu sichern, dass „Millionen von Menschen hier weiterhin Beschäftigung finden“.

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