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Restwert-Fiasko bei E-Autos? Mietwagenfirmen sehen das anders

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Elektrofahrzeuge büßen vergleichsweise schnell an Restwert ein – doch nicht alle Autovermieter sehen darin ein Problem.

Eine Analyse der Unternehmensberatung Berylls bestätigte im Frühjahr 2024, was Fahrzeughändler und sicherlich auch einige Käufer schon gespürt haben: Gebrauchte Elektroautos lassen sich aktuell schwer verkaufen – und darunter leiden auch die Restwerte der gebrauchten Stromer. Demnach kostet ein durchschnittliches batterieelektrisches Auto, das neu 43.600 Euro kostete, nach drei Jahren und 60.000 Kilometern Laufleistung aktuell nur noch 18.800 Euro. Das entspricht einem Wertverlust von 57 Prozent in drei Jahren.

Die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) rechnet im DAT-Report 2024 vor, dass ein durchschnittliches, drei Jahre altes E-Auto im Laufe des Jahres 2023 knapp 5 Prozent beim Restwert eingebüßt hat. Zum Vergleich: Der Restwert eines typischen Benziners sank im gleichen Zeitraum um 1,5 Prozent, ein Diesel-Pkw verlor knapp 3 Prozent an Wert. Als Gründe nennt die DAT die derzeit starken Preisnachlässe der Hersteller und Importeure und den Wegfall von Förderprämien – aber auch das zuletzt etwas verhaltenere Interesse der Käuferschaft sowie Unsicherheiten bezüglich der Batteriegesundheit dürften eine Rolle spielen.

Autovermieter reagieren unterschiedlich auf die sinkenden E-Auto-Restwerte

Dieser schnelle Wertverfall dürfte vor allem Autovermieter, Leasinganbieter und Anbieter von Auto-Abos nervös machen, die mit bestimmten Restwerten ihrer E-Fahrzeuge nach kalkuliert haben, die nun womöglich nicht mehr erreicht werden. Aber: Nicht alle Unternehmen lassen sich durch die Entwicklung aus der Ruhe bringen, wie ein Bericht des Branchenportals Electrive zeigt.

Demnach fahren einige Autovermieter ihr Elektro-Angebot tatsächlich zurück: Sixt etwa trennt sich verstärkt von Elektrofahrzeugen in seinem Modellportfolio, auch der Vermieter Hertz will seine E-Autos verstärkt loswerden. Die Vermieter Europcar und Nextmove sowie der Auto-Abo-Anbieter Finn widersprechen dem Handeln mancher Branchenkollegen laut dem Bericht zufolge aber deutlich.

Insgesamt setzten europäische Kurzzeitvermieter von Januar bis Juni dieses Jahres nur recht selten auf elektrische Neuanschaffungen: 57,3 Prozent der neu angeschafften Mietfahrzeuge waren in diesem Zeitraum Benziner, 26,9 Prozent hatten einen Dieselmotor. Vollhybride machten 6,1 Prozent der Neuanschaffungen der europäischen Vermieter aus – nur 3,8 Prozent der Neuzulassungen entfielen auf rein elektrische Fahrzeuge. Im ersten Halbjahr 2023 waren es noch 6,4 Prozent.

Europcar will hingegen weiter auf einen kontinuierlichen und organischen Ausbau seiner „Green Fleet“ setzen: „International beträgt der Anteil von Elektro- und Plug-in-Hybridfahrzeugen bei Europcar aktuell rund 12 Prozent, in Deutschland ist dieser Anteil sogar noch höher“, erklärt Europcar auf electrive-Anfrage. Der Ausbau soll „aufgrund der positiven Nachfrage unserer Kunden“ weitergehen und von „starken Partnerschaften, überwiegend mit europäischen und deutschen Herstellern (z.B. Audi, Mercedes und VW)“ flankiert werden. Weiter heißt es aus dem französischen Unternehmen: „Bei Europcar ist die Nachfrage von Kunden da, unsere Auslastung bei E-Autos ist aktuell gut. Geschäfts- und Privatreisende probieren mit uns Elektrofahrzeuge aus (…).“

Europcar räumt allerdings auch ein, im Bereich Elektromobilität mit Herausforderungen konfrontiert zu werden. Dabei nennt das Unternehmen aber vor allem den Ausbau der Ladeinfrastruktur als mögliches Hemmnis. Tobias Zisik, Geschäftsführer bei der Europcar Mobility Group Germany, erklärt aber gegenüber Electrive: „Dieser Bereich wird weiter wachsen, davon bin ich fest überzeugt. Ich glaube, es wäre ein Fehler, zurückzurudern und wieder verstärkt auf Verbrennermotoren zu bauen. Im Gegenteil. Wir müssen als positives Beispiel vorangehen und Benchmarks setzen. Es gibt keine Alternative zu umweltschonenderen Antrieben, wir alle sehen doch täglich die weltweiten Folgen des Klimawandels.”

E-Auto-Anbieter aus Thüringen und München blicken optimistisch in die Zukunft

Ähnlich optimistisch blickt das Thüringer Unternehmen Nextmove in die Zukunft. Als reiner Elektroauto-Vermieter mit mehr als 400 batterieelektrischen Fahrzeuge in der Flotte dürfte das Restwert-Risiko hier noch höher sein. Tatsächlich räumt Nextmove-Chef Stefan Moeller ein, dass er 2023 die Mietpreise deutlich reduzieren musste. Er habe das Preisniveau 2024 aber wieder steigern können, und das „bei zugleich deutlich verbesserter Auslastung der Pkw“. Das Interesse der Kunden, mit E-Autos längere Strecken zu fahren, sei „deutlich gestiegen“, so Moeller gegenüber Electrive.

Besonders interessant: Autovermieter übernehmen das Restwert-Risiko ihrer Fahrzeugflotte meist nur zu einem Teil, während Hersteller oder Händler den übrigen Teil der Fahrzeugflotte wieder zurücknehmen. Sixt etwa trägt das Restwert-Risiko bei rund 21 Prozent seiner Flotte selbst, knapp 80 Prozent der Flotte geht später jedoch wieder an Hersteller oder Händler zurück. Nextmove trägt das Restwert-Risiko seiner E-Fahrzeuge allerdings komplett selbst. Moeller zufolge ist das Unternehmen „aktuell meist im Verkauf noch in den schwarzen Zahlen, da wir intern mit relativ niedrigen Restwerten gearbeitet haben“, der Verkauf sei aber grundsätzlich sehr schwierig geworden und die Standzeiten seien auf ein Vielfaches gewachsen. Nextmove reagiert auf die Entwicklung: „Aktuell verkaufen wir überwiegend günstige Elektro-Kleintransporter, im Pkw-Segment versuchen wir die Autos länger in der Flotte zu halten als bei klassischen Autovermietern üblich. Dazu ergänzend steuern wir Neuwagen mit kurzen Laufzeiten ohne Restwertrisiko ein. Bei hoch rabattierten Angeboten gehen wir aber auch weiterhin selbst ins Restwertrisiko.“

Moeller geht allerdings auch davon aus, dass die bröckelnden Restwerte nur ein vorübergehendes Symptom seien. Mit zunehmender Marktdurchdringung im Fahrzeugbestand werde das E-Auto auch bei Autovermietungen wieder stärkere Flottenanteile gewinnen, so der Nextmove-Chef.

Der Auto-Abo-Anbieter Finn aus München zeigt sich ebenfalls optimistisch: „Wir haben die Anzahl der E-Autos inzwischen verdoppelt“, so Finn-Flottenmanager Jürgen Lobach. Allerdings trägt das Unternehmen inzwischen ein deutlich geringeres Restwert-Risiko als vor dem Einbruch der Wiederverkaufswerte. Zuvor trug Finn noch bei rund drei Viertel seiner Flotte das Risiko, die erneuerte Flotte sei inzwischen nahezu vollständig abgesichert, so Lobach im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Die Bereitschaft der Autobauer, das Restwert-Risiko zu tragen, sei allerdings sehr unterschiedlich ausgeprägt.

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