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Ram 1500 (2024): Überdimensioniertes Arbeitstier im Ersteindruck

Kann der wuchtige King-Size-Pick-up auch ohne V8 überzeugen?

ram 1500 (2024): überdimensioniertes arbeitstier im ersteindruck

Irgendwie wirkt der Ram 1500 wie aus der Zeit gefallen. Als wären wir hier alle im DeLorean zu einem Termin zur Millennium-Wende gereist, als die ungestümen Riesenkisten aus den USA mit ihren Hemi-Blocks noch eine die Faszination des Unbekannten ausstrahlten.

Während wir also in Deutschland über Emissionen und Platzmangel in Städten diskutieren, ich im Bekanntenkreis ständig auf “wo kleine günstige E-Autos?” Antworten liefern muss und Paris Fahrzeuge über 1,6 Tonnen mit Parkgebühren von über 225 Euro für sechs Stunden nahezu komplett verbannt, bringt die von Dodge abstammende Truck-Marke die fünfte Generation ihres dicken American-Way-of-Life-Baby über Stellantis nach Europa. 

Bildergalerie: Ram 1500 (2024) im Test

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Ram

Was ist das?

Knapp sechs Meter in der Länge, zwei Meter in der Höhe, kombinierter Verbrauch 13,1 Liter Super auf 100 Kilometern (trotz Ausmusterung des V8), immer über 300 PS und ein Kühlergrill, der jedes stattliche Ross nahezu verschwinden lässt. Da stehste davor und fragst dich: wo soll das denn bitte in Europa seinen Nutzen finden, abseits der Prollrunde den Kudamm hoch und wieder runter? Von Parken will ich hier gar nicht erst anfangen. Da wird es bei knapp fünf Meter Kisten schon eng in unserer DIN-Norm.

Stellantis will mit seinem Ram 1500 Truck einen Markt von 8.000 Einheiten pro Jahr in ganz Europa gefunden haben – als Marktführer innerhalb der ganz großen King-Size-Pick-ups. Ja gut, der einzige Import-Konkurrent, der Ford F-150, ist noch seltener im Straßenbild zu finden. Und um zu zeigen, wie gut das denn auf dem “alten Kontinent” funktionieren kann, zwängen wir uns mit dem Riesenbaby durch die ganz kleinen Gassen Italiens rund um Mailand. Alter Schwede!

Schnelle Daten Ram 1500 (2024)
Motoren 3,0-Liter-Biturbo-Reihensechszylinder
3,6-Liter-V6 mit 48-Volt-Hybrid-System
Getriebe Automatik
Antrieb Allrad
Leistung 224 – 397 kW (305 – 540 PS)
Drehmoment 364 – 704 Nm
Verbrauch (WLTP) 13,1 Liter
CO2-Emission (WLTP)
311 g/km
Basispreis ab 62.000 Euro

Apropos Schweden, das ist eine Region, in der der Ram ganz gut funktioniert. Zumindest auf dem Land. Aber Parkprobleme sind ziwschen den weiten Wäldern auch eher zweitrangig. Dort suchen die Leute ein kräftiges Zugfahrzeug und einen offroadfähigen komfortablen Lademeister.

Genau das wollen rustikale Handwerker, Landwirte und Lifestyler wohl auch hierzulande, vor allem in ländlichen Gegenden. Die fünfte Generation des Ram 1500, der seit 2009 bereits ohne Dodge im Namen innerhalb der Ram Trucks eine eigene Marke etabliert, kann das durchaus bieten. Also schauen wir genauer drauf.

Wo andere Fahrzeuge in Europa an ihre Grenzen kommen, lacht der klobige Kasten Stahl verschmitzt, als wollte er sagen, “Zweieinhalb Tonnen? Tz, mich hält hier eigentlich nur die Anhängelastbegrenzung von 3,5 Tonnen davon ab, noch mehr zu ziehen.” In den USA sind es nämlich ganze 5,5 Tonnen.

Im 2024er Ram 1500 sorgt nicht mehr ein 5,7-Liter-V8 für ausreichend Zugkraft, sondern zwei 3,0-Liter-Reihensechzylinder – die neue “Hurricane-Motorenfamilie” – oder 3,6-Liter-V6. Letzterer in Kombination mit einem 9-kW-Startergenerator, 48-Volt-System und 224 kW (305 PS). Ersterer ein Biturbo mit wahlweise 309 kW (420 PS) oder 397 kW (540 PS).

Exterieur | Interieur | Fahrbericht | Preise | Fazit

Exterieur

Und eines muss man den US-Amerikanern lassen. Optisch ist das seit der zweiten Generation 1994 eher eine stete Modernisierung als komplette Revolution. Die Ram-DNA ist immer zu erkennen. Für europäische Maßstäbe schon immer überdimensioniert, dabei ist das nicht mal Rams größter Truck.

Mittelpunkt bildet natürlich die hochaufbauende Front mit dem massiven Kühlergrill – die klassische Pick-up-Silhouette wird beibehalten. Große Bodenfreiheit für “grenzenlose Freiheit”, auf Wunsch ausfahrbare Trittbretter und eine stattliche 2,2 Quadratmeter fassende Ladebox mit einer Nutzlast von einer Tonne.

Ram 1500 (2024) im Test

Am Heck gibt es frische Innovationen wie eine im Verhältnis 60/40 teilbare Heckklappe, die sich optional auch elektrisch öffnen lässt und das RamBox Cargo Management System. Das setzt zusätzlichen Außenstauraum frei, kommt beleuchtet und mit einer Steckdose.

Über zwei weitere abgedeckte Steckdosen auf der Ladefläche können mit Hilfe eines 2-kW-Wechselrichters auch externe Geräte betrieben werden – des Handwerkers Traum.

Abmessungen Ram 1500 (2024)
Länge 5.903 mm
Breite 2.062 mm
Höhe 1.926 – 2.022 mm
Radstand 3.672 mm
Ladefläche 2,2 qm
Zuladung 1.000 kg
Anhängelast 3.500 kg

Interieur

Im Innenraum bildet jetzt ein 14,5 Zoll großes Infotainment-System den Mittelpunkt. Und ein wenig sieht die Anordnung dessen mit den Schwüngen an den Luftdüsen aus wie der Widderkopf des Markenlogos selbst. Optional zieht ein weiteres Display auf der Beifahrerseite ein. Nicht nur aus Entertainment-Gründen, sondern auch, um verschiedene navigative Aufgaben übernehmen zu können, gerade auf unbefestigtem Terrain.

Hinzu kommen diverse Ablage- und Aufbewahrungslösungen. Der mittlere Bereich kann mit einer wuchtigen Mittelkonsole ausgestattet werden oder mit einem sechsten Sitz. Der lässt sich wiederum klappen und zu einer kleineren Mittelkonsole umfunktionieren. Insgesamt sieht das alles sehr unruhig aus. Verschiedene Materialien buhlen um Aufmerksamkeit. Hartplastik konkurriert mit Chrom-Leisten, Bildschirmen, Knöpfen und Carbon-Anleihen. Man weiß hier echt nicht, wo man zuerst hinsehen soll.

Am besten in Richtung Dach. Denn auch ein zu öffnendes Panoramadach ist Teil der Ram 1500 Optionsliste. Raum, um den Blick schweifen zu lassen, ist jedenfalls genug vorhanden. Egal auf welchem Sitz man Platz genommen hat, Menschen mit Berührungsängsten sind hier safe, so weit sitzt jeder vom anderen entfernt.

Die Rückbank wirkt da fast wie meine Fernsehcouch. Ausladender ist sie wahrscheinlich außerdem. Qualitativ ist das recht ordentlich und nicht so robust, wie der Ram 1500 von außen den Anschein weckt – gerade in den höheren Ausstattungslinien. 

Fahrbericht

Dass ein solcher Brecher durchaus unübersichtlich wirken kann, brauche ich wahrscheinlich nicht extra erwähnen. Auch mit meinen 1,76 Meter musste ich den Fahrersitz noch ordentlich nach oben pumpen, um halbwegs zu erahnen, wo das Gefährt vorne wohl enden wird. In mancher engen Gasse lugte die Zungenspitze beim Rangieren zwischen Hauswänden hervor.

Aber eines muss man dem Ram 1500 lassen: Manövrieren lässt er sich recht selbstsicher. Vielleicht liegt das auch nur an der hohen Sitzposition und dem immerzu mitfahrenden Gedanken, die anderen werden bei diesem Anblick schon automatisch ausweichen. Keine Sorge!

Einmal die engen Gassen verlassen, sorgt der Reihensechszylinder für massiven Vortrieb. Das ist durchaus schon beeindruckend, wie flott ein Fahrzeug dieser Ausmaße und Gewichtsklasse nach vorne gepusht werden kann. Das Handling ist durchaus mit dem großer SUVs oder Transportern vergleichbar. Der Ram Truck ist kaum aus der Ruhe zu bringen, die Lenkung lässt sich sanft kurbeln.

Und eines muss vermutlich auch gesagt werden: Das markante V8-Brabbeln ist weg. Es ist ruhig im neuen 1500, auch beim Beschleunigen. Zwar entwickelt der Reihensechszylinder einen angenehmen Klang. Doch muss genau hingehört werden, um den neuen Hurricane-Motor bei der Arbeit wahrzunehmen. Ein wenig Ram-DNA ist dann wohl doch flöten gegangen. Genug Zugkraft und Vorwärtsdrang ist jedoch geblieben.

Auf dem Offroad-Parcours werden dann einige Einschränkungen sichtbar, die den Ram 1500 für restlos hartes Gelände ungeeigneter erscheinen lassen. Auf Kuppen nach steilen Anstiegen schwindet die Sicht nahezu restlos. Die Trittbretter setzen schon bei moderaten Verschränkungen auf. Für etwas mehr Bodenfreiheit sorgen die Offroad-Varianten RHO und Rebel.

Der Dicke kommt durch viele Eventualitäten hindurch, die für europäische Ansprüche vermutlich ausreichen. An Offroad-Qualitäten eines Toyota Land Cruiser der Serie 70 oder einen Jeep Wrangler kommt er nicht heran. Dafür soll er zu sehr als Allrounder glänzen – zudem ist der Radstand von 3,67 Meter für viele extreme Geländelagen einfach zu ausladend.

Ein nettes Gimmick für den Anhängelastenmeister ist der Ankopplungs-Assistent. Hier lässt sich über die Rückfahrkamera die Deichsel des Anhängers anvisieren. Der Assistent lenkt dann selbstständig zum passenden Punkt, sodass der Trailer nur noch auf die Anhängerkupplung abgelassen werden muss.

Wer zudem im Anhängerbetrieb ungeübt ist und ständig die Richtung des Lenkvorgangs verwechselt, kann bei diesem System zudem über einen kleinen Joystick mit Blick auf die Rückfahrkamera 1:1 in die passende Richtung lenken und so das geistige Umdenken umgehen. Nett – allerdings stellt sich schon die Frage, wer sich ein so großes Zugfahrzeug zulegt und dann im Trailerbetrieb ungeübt ist?

Preise

Die Ausstattungsvarianten tragen Namen wie Tradesman, Big Horn, Laramie, Limited Tungsten, Rebel und RHO. Letztere bilden die beiden Offroad-Spezialisten, die wohl noch etwas mehr Geländeleistung aus dem Ram-Life quetschen werden, als es der gefahrene Laramie auf dem Offroad-Handling-Parkour bieten konnte. Die Preise liegen zwischen 62.000 und 100.000 Euro. Jedoch können Individualisierungswünsche geäußert werden, die dann den Endpreis weiter in die Höhe treiben.

Fazit: 7/10

Natürlich ist der Ram 1500 für deutsche Verhältnisse absolut überdimensioniert. Und vermutlich gibt es für alles, was er kann, auch ein adäquates, sparsameres und übersichtlicheres Äquivalent. Für hiesige Gegebenheiten passend und absolut ausreichend wären wohl Toyota Hilux, Ford Ranger oder VW Amarok, wenn es denn unbedingt ein Pick-up sein soll. Für alles andere Handfeste reicht wahrscheinlich auch einfach einer der vielen Transporter auf dem Markt.

Aber erstens interessiert das niemanden, der auf so ein Vehikel schielt und eines muss man dem Ram 1500 sowieso lassen: er macht seine Sache als Auto zum Anpacken für alle Eventualitäten echt gut. In seiner Klasse ist er damit nahezu konkurrenzlos, denn an einen F 150 ist schwieriger ranzukommen.

Wer nicht gerade mitten in Berlin wohnt, das zusätzliche Raumangebot schätzt und einen Drang zum extrovertierten Auftritt pflegt, der ist mit dem Riesenbaby top motorisiert, muss dann halt aber auch an der Zapfsäule und bei den Steuern seinen Extra-Obulus und das fehlende V8-Brabbeln in Kauf nehmen. Als Zugfahrzeug ist er noch immer ne 10/10.

Für all die, die dann doch in Klimafragen ein schlechtes Gewissen plagt, sei gesagt, Ram Trucks ist schon am vollelektrischen Ram 1500 REV dran. 

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