Das minimalistische Bedienkonzept von Tesla ist umstritten. Im Vergleich mit Elektroautos aus jüngster Zeit zeigen sich aber auch Vorzüge.
- „Kommandozentrale statt Durcheinander“
- Spür- und hörbar besser verarbeitet
- Supercharger-Netz weiter ein starkes Asset
- Kampfpreis hält Konkurrenz auf Abstand
Der Renault 5 E-Tech Electric ist ein hübsches Auto, das nicht nur die Herzen von Nostalgikern höher schlagen lässt. Ergonomisch ist der kleine Stromer im Retro-Design allerdings auf dem Stand des späten 20. Jahrhunderts stehen geblieben: Ein Lenkstockhebel für den Blinker und die Lichthupe, einer für Scheibenwischer, ein dritter für die Bestimmung der Fahrtrichtung. Als wäre das nicht genug, gibt es noch einen Satelliten für die Steuerung der Audioanlage mit einem Drehschalter für die Senderwahl und zwei Knöpfen für die Regulierung der Lautstärke. Zudem sprießt aus dem Lenkrad noch ein Knopf heraus, über den sich der Fahrmodus einstellen lässt – für den Fall dass man Energie sparen oder sportlich-dynamisch überholen möchte.
Der eine oder andere fühlt sich von der ganzen Hebelei bei der ersten Sitzprobe überfordert – und lässt beim Versuch, den Rückwärtsgang einzulegen, den Wischer über die Frontscheibe flitzen. Und bei älteren Semester kommen Erinnerung an Mett- oder Käseigel hoch: In den 1970er Jahren wurden kalte Büffet gerne mit zum Igel geformten Hackfleisch-Haufen oder Melonenhälften aufgepeppt, aus denen Salzstangen oder auf Zahnstochern aufgepikste Käsewürfel herausragten.
Das komplette Gegenteil und eine ganz andere „User Experience“ erwartet uns ein paar Tage später im Tesla Model 3 des Modelljahrs 2025, genannt „Highland“. Zu verwechseln ist da gar nichts. Denn rund um das Lenkrad ist – nichts, herrscht absolute Leere. Früher gab es hier zumindest einen Hebel für den Blinker und einen für den Scheibenwischer. Beides hat Tesla-Chef Elon Musk weggespart. Der Blinker wird nun über zwei Knöpfe auf der linken Seite der Lenkradspange betätigt, der Scheibenwischer auf der gegenüberliegenden Seite ebenfalls mit einem Knopf aktiviert – so die Steuerung nicht bereits an den Bordcomputer delegiert wurde. Und wie teilt der Fahrer dem Auto mit, in welche Richtung er sich gefälligst zu bewegen hat? Mit einer Wischbewegung über die Fahrmodusleiste auf der linken Seite des zentralen Touchscreens. Oder alternativ über hinterleuchtete Druckknöpfe in der Decke – die man allerdings erst einmal finden muss.
„Kommandozentrale statt Durcheinander“
Klingt alles kompliziert – ist es aber nur am Anfang. Das Prinzip, das uns bei der Übergabe des Testwagens erläutert wird, haben wir schnell verstanden. Und zugegebenermaßen braucht es ein paar Kilometer und einige Straßenkreuzungen mit Abbiegevorgängen, um sich mit den Feinheiten der Steuerung vertraut zu machen. Aber dann klappt es erstaunlich gut. Erstaunlicherweise auch mit der Bedienung der Blinkertasten – einige Kollegen hatten da ganz andere Probleme. Was möglicherweise daran lag, dass sie ihre Hände nicht permanent am Lenkrad hatten und deshalb die Finger der linken Hand bei jeder Richtungsänderung erst neu sortieren mussten. Ich hingegen hatte auch bei Ausfahrten aus einem Kreisel den linken Daumen komischerweise immer am rechten Fleck. Wo ist da das Problem?
Nein, wer sich auf das minimalistische Bedienkonzept von Tesla („Kommandozentrale statt Durcheinander“, wie es in der Tesla-Werbung heißt) erst einmal eingelassen hat, kommt damit wunderbar zurecht – und kann sich dann auch über das clean Interieur und die gute Rundumsicht freuen. Eine deutlich verbesserte Kapselung des Innenraums durch die Rundum-Doppelverglasung sorgt dafür, dass man beinahe völlig geräuschlos durch die Stadt fährt und auch auf der Autobahn bei Tempo 160 nur ein leises Säuseln vernimmt.
Spür- und hörbar besser verarbeitet
Überhaupt hat sich die Verarbeitungsqualität seit unserer letzten Begegnung mit dem Model 3 deutlich verbessert, stellen wir fest: Fugen-Ferdl hätte da schon mehr Mühe gehabt, den Bandarbeitern Nachlässigkeiten bei der Montage der Karosserie vorzuwerfen. Auch machen die verbauten Materialien einen höherwertigeren Eindruck als vor fünf Jahren. Und auch der Fahrkomfort ist spürbar besser geworden – das Model 3 ist immer noch sehr sportlich abgestimmt, dämpft aber Unebenheiten in der Fahrbahn deutlich besser weg. Da macht der „Highlander“ seinem Namen wirklich Ehre.
Die Modellpflege gut fünf Jahre nach der Markteinführung in Europa hat dem Dreier wirklich gut getan – und die Fahrökonomie ist immer noch beeindruckend gut. Trotz sportlicher Fahrweise kamen wir bei unserem heckgetriebenen Testwagen über einen durchschnittlichen Stromverbrauch von 16,4 kWh/100 Kilometer nicht hinaus. Für ein Stromer mit einer Spitzenleistung von 208 kW und einem Leergewicht von 1836 Kilogramm ist das ein guter Wert – bei vorausschauender Fahrweise und einem sensiblen rechten Fuß lassen sich sicher noch niedrigere Verbrauchswerte erzielen. Tesla selbst gibt den Verbrauch nach der WLTP-Norm mit 13,2 kWh/100 km an – da steckt also noch viel Potenzial im Antrieb.
Supercharger-Netz weiter ein starkes Asset
Dann wären mit dem 57 kWh-Akku des Basismodells auch sicher größere Reichweiten zu erzielen. Statt nach 513 Kilometern wie vom Hersteller versprochen mussten wir spätestens nach 350 Kilometer einen der Tesla Supercharger ansteuern – dabei hatte die kalte Jahreszeit noch nicht einmal angefangen. Immerhin gestaltete sich der Ladevorgang dort unkompliziert, günstig (38-46 Cent/kWh) und einigermaßen kurz. Angeblich beträgt die maximale Ladeleistung 170 kW. Auch hier setzt der Tesla Maßstäbe.
Ultra Red Die neue (aufpreispflichtige) Lackierung steht dem Highlander gut, die Ladeleistung von 170 kW am Supercharger ebenfalls.
Ja, die Konkurrenz hat mächtig aufgeholt, ist dem Model 3 mit dem BMW i4, dem BYD Seal und auch dem Hyundai Ioniq 6 auf die Pelle gerückt. Aber in den Punkten Effizienz und Ergonomie hat Tesla noch die Nase vorn. Und dem Supercharger-Ladenetz hat bislang keiner der Konkurrenten etwas entgegen zu setzen.
Kampfpreis hält Konkurrenz auf Abstand
Auch scheint das Unternehmen fest entschlossen, die Poleposition noch eine Weile zu halten: Zu dem Basispreis von aktuell 39.990 Euro gäbe es bei den Wettbewerbern – wenn überhaupt – bestenfalls ein Kompaktauto. Selbst der ebenfalls in China produzierte Polestar 2 (48.990 Euro) ist in der heckgetriebenen Standard Range-Version fast 10.000 Euro teurer. Da kann man sich doch glatt das Model 3 in der „Long Range“-Ausführung mit nominell rund 700 Kilometer Reichweite (44.900 Euro) gönnen – und einige feine Happen vom Kalten Büffet noch obendrauf.