Eigentlich ist der Nissan Townstar ein überzeugendes E-Auto. Leider wird der gute Eindruck von der geringen Reichweite getrübt.
Familienautos müssen viel Raum für Passagiere und Gepäck vorhalten, sicher sein und flexibel. Die ersten Punkte hakt der Townstar mit Bravour ab, beim letzten verlangt sein E-Antrieb Kompromisse.
Reichweite von über 200 Kilometer
285 Kilometer Reichweite gibt der Hersteller an, in der Praxis waren es bei einstelligen Temperaturen im Mix um die 220 Kilometer. Bei reinem Stadtverkehr dürften noch einige mehr hinzukommen. Für die Urlaubsfahrt oder den Wochenend-Trip mit der ganzen Familie und Gepäck reicht das nicht. Denn auch mit regelmäßigen Lade-Stopps lässt sich die geringe Batteriekapazität nicht einfach ausgleichen: Laut Hersteller zieht der Townstar mit bis zu 80 kW am Schnelllader, was schon in der Theorie nicht sonderlich schnell ist.
Unpräzise Reichweitenangabe
Kombiniert ist die tendenziell knappe Reichweite bei unglücklicherweise mit einer wenig präzisen Rest-Reichweitenanzeige im Bordcomputer. Kein einziges Mal gab dieser nach Komplettladung des Akkus den identischen Wert an.
Und keiner dieser Werte änderte sich auch nur annähernd synchron mit dem Hochzählen des Kilometerstands. Ähnliche Phänomene kannte man sonst eher aus frühen Elektroautos, für deren Bordcomputer die Fahrer-Szene den Begriff „Schätzeisen“ geprägt hat. Glücklicherweise ist die Anzeige immer pessimistischer als die Realität auf der Straße, so dass einem zumindest kein plötzliches Liegenbleiben droht.
Eher als Zweitwagen interessant
In der zweiten, längs verschiebbaren Reihe halten es auch Erwachsene zu dritt aus, über dem Scheitel ist es auf allen Plätzen extrem luftig und an Gepäck passen hinten selbst bei voller Bestuhlung über 500 Liter rein. Dank der breiten Ladeöffnung und des hohen Dachs sind auch sperrige Gegenstände kein Problem. Der hohe Nutzwert verlangt dabei keine großen Zugeständnisse beim Ambiente: Von der Nutzfahrzeug-Plattform, auf der der Townstar steht, ist innen nichts zu erahnen. Vielmehr fühlt man sich wie in einem durchaus aktuellen Pkw – Touchscreen, angenehme Kunststoffe und Infotainment inklusive.
Leises Fahrgeräusch positiv
Auf der Straße bleibt der Townstar ebenfalls in Pkw-Nähe, was auch am E-Antrieb liegt. Weil dieser leise arbeitet, fehlt das für Hochdachkombis mit ihrem großen Resonanzraum typische Dröhnen und Vibrieren. Weil er an der Ampel sofort Drehmoment liefert, wirkt das ganze Auto im Stadtverkehr agil.
Die großen Fenster sorgen dabei für gute Übersicht. Die rigiden Federn und Dämpfer verhindern allerdings ein besonders geschmeidiges Fahrverhalten. Dafür mindert der niedrige Schwerpunkt die Aufbaubewegungen bei flotterer Kurvenfahrt. Der Verbrauch ist in Ordnung ohne Glanzpunkte zu setzen, bleibt im Mix bei 20 kWh/100 Kilometern.
40.000 Euro fürs Basismodell
Die relativ niedrigen Betriebskosten werden allerdings durch den hohen Preis erkauft. 40.000 Euro kostet das Basismodell, wer etwas mehr Komfort (Klimaautomatik, Radio) will, zahlt knapp 43.000 Euro für die Variante „Acenta“, hat dann immerhin eine Wärmepumpe und den 22-kW-Bordlader dabei, muss aber den CCS-Anschluss zum Schnellladen für weitere 1.000 Euro noch dazu kaufen.
Mit ein bisschen Assistenz- und Designextras stehen dann mindestens 45.000 Euro auf der Rechnung. Für das Geld gibt es dann auch schon einen VW ID.4 mit etwas Ausstattung, einen Opel Astra Electric als Kombi oder ein Tesla Model Y. Allesamt nicht ganz so geräumig, aber deutlich reisetauglicher.
Der Nissan Townstar EV ist in vielerlei Hinsicht ein gutes und praktisches Auto für Familie und Alltag, paart viel Platz mit einem angenehmen Wesen. Schade, dass die mäßige Reichweite und die geringe Ladeleistung es für die Langstrecke eher ungeeignet machen. Und auch der hohe Preis dürfte viele Familien abschrecken, die einen günstigen Alltagsbegleiter suchen. (SP-X)