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Nissan Townstar: Geringe Reichweite trübt guten Eindruck

nissan townstar: geringe reichweite trübt guten eindruck

Eigentlich ist der Nissan Townstar ein überzeugendes E-Auto. Leider wird der gute Eindruck von der geringen Reichweite getrübt.

Großer Raum für kleines Geld: Hochdachkombis haben sich bei Familien als günstige Alternative zu SUV und Van etabliert. Bei der neuen, ziemlich teuren Variante mit E-Antrieb verliert das Preis-Argument jedoch an Wirkung. Es bleiben viel Platz sowie ein angenehmes Ambiente. Aber auch eine nervige Eigenheit aus der Frühzeit der E-Mobilität.

Familienautos müssen viel Raum für Passagiere und Gepäck vorhalten, sicher sein und flexibel. Die ersten Punkte hakt der Townstar mit Bravour ab, beim letzten verlangt sein E-Antrieb Kompromisse.

Reichweite von über 200 Kilometer

285 Kilometer Reichweite gibt der Hersteller an, in der Praxis waren es bei einstelligen Temperaturen im Mix um die 220 Kilometer. Bei reinem Stadtverkehr dürften noch einige mehr hinzukommen. Für die Urlaubsfahrt oder den Wochenend-Trip mit der ganzen Familie und Gepäck reicht das nicht. Denn auch mit regelmäßigen Lade-Stopps lässt sich die geringe Batteriekapazität nicht einfach ausgleichen: Laut Hersteller zieht der Townstar mit bis zu 80 kW am Schnelllader, was schon in der Theorie nicht sonderlich schnell ist.

In der Praxis kam der Nissan Townstar selbst mit warmer Batterie nicht einmal annähernd an diesen Wert. Immerhin lädt der Nissan an AC-Ladesäule oder der heimischen Wallbox mit 11 kW, optional sogar mit 22 kW, wodurch der Akku in knapp zwei Stunden komplett voll ist. Für den Einsatz im Nahbereich, beim Shopping oder im Gewerbe ist das ein großer Vorteil – für Fernstrecken eher nicht.

Unpräzise Reichweitenangabe

Kombiniert ist die tendenziell knappe Reichweite bei unglücklicherweise mit einer wenig präzisen Rest-Reichweitenanzeige im Bordcomputer. Kein einziges Mal gab dieser nach Komplettladung des Akkus den identischen Wert an.

Und keiner dieser Werte änderte sich auch nur annähernd synchron mit dem Hochzählen des Kilometerstands. Ähnliche Phänomene kannte man sonst eher aus frühen Elektroautos, für deren Bordcomputer die Fahrer-Szene den Begriff „Schätzeisen“ geprägt hat. Glücklicherweise ist die Anzeige immer pessimistischer als die Realität auf der Straße, so dass einem zumindest kein plötzliches Liegenbleiben droht.

Eher als Zweitwagen interessant

Wer eh in der Urlaub fliegt, gerne mit der Bahn reist oder noch ein zweite Auto hat, fährt im Alltag emissionsfrei, leise, vibrationsarm und freut sich über das große Platzangebot. Der Nissan, der sich seine Gene mit Renault Kangoo und Mercedes T-Klasse teilt, schlägt selbst große SUV beim Raumgefühl locker.

In der zweiten, längs verschiebbaren Reihe halten es auch Erwachsene zu dritt aus, über dem Scheitel ist es auf allen Plätzen extrem luftig und an Gepäck passen hinten selbst bei voller Bestuhlung über 500 Liter rein. Dank der breiten Ladeöffnung und des hohen Dachs sind auch sperrige Gegenstände kein Problem. Der hohe Nutzwert verlangt dabei keine großen Zugeständnisse beim Ambiente: Von der Nutzfahrzeug-Plattform, auf der der Townstar steht, ist innen nichts zu erahnen. Vielmehr fühlt man sich wie in einem durchaus aktuellen Pkw – Touchscreen, angenehme Kunststoffe und Infotainment inklusive.

Leises Fahrgeräusch positiv

Auf der Straße bleibt der Townstar ebenfalls in Pkw-Nähe, was auch am E-Antrieb liegt. Weil dieser leise arbeitet, fehlt das für Hochdachkombis mit ihrem großen Resonanzraum typische Dröhnen und Vibrieren. Weil er an der Ampel sofort Drehmoment liefert, wirkt das ganze Auto im Stadtverkehr agil.

Die großen Fenster sorgen dabei für gute Übersicht. Die rigiden Federn und Dämpfer verhindern allerdings ein besonders geschmeidiges Fahrverhalten. Dafür mindert der niedrige Schwerpunkt die Aufbaubewegungen bei flotterer Kurvenfahrt. Der Verbrauch ist in Ordnung ohne Glanzpunkte zu setzen, bleibt im Mix bei 20 kWh/100 Kilometern.

40.000 Euro fürs Basismodell

Die relativ niedrigen Betriebskosten werden allerdings durch den hohen Preis erkauft. 40.000 Euro kostet das Basismodell, wer etwas mehr Komfort (Klimaautomatik, Radio) will, zahlt knapp 43.000 Euro für die Variante „Acenta“, hat dann immerhin eine Wärmepumpe und den 22-kW-Bordlader dabei, muss aber den CCS-Anschluss zum Schnellladen für weitere 1.000 Euro noch dazu kaufen.

Mit ein bisschen Assistenz- und Designextras stehen dann mindestens 45.000 Euro auf der Rechnung. Für das Geld gibt es dann auch schon einen VW ID.4 mit etwas Ausstattung, einen Opel Astra Electric als Kombi oder ein Tesla Model Y. Allesamt nicht ganz so geräumig, aber deutlich reisetauglicher.

Der Nissan Townstar EV ist in vielerlei Hinsicht ein gutes und praktisches Auto für Familie und Alltag, paart viel Platz mit einem angenehmen Wesen. Schade, dass die mäßige Reichweite und die geringe Ladeleistung es für die Langstrecke eher ungeeignet machen. Und auch der hohe Preis dürfte viele Familien abschrecken, die einen günstigen Alltagsbegleiter suchen. (SP-X)

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