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Neuer Autozulieferer Amaneos will vom E-Auto profitieren

neuer autozulieferer amaneos will vom e-auto profitieren

Auch Mercedes gehört zu den Kunden des neuen Konzerns Amaneos. Im Werk von LMS in Obertshausen werden die Stoßfänger vorbereitet.

Jetzt ist Fingerspitzengefühl gefragt. Dichtungen, Sensoren und Kabel – zahlreiche Kleinteile müssen von hinten in das elegant geschwungene Stück Karosserie eingesetzt werden, das bald vorne auf einem Mercedes GLA sitzen wird. Die Mitarbeiter von Light Mobility Solutions (LMS) in Obertshausen fertigen jeden Tag tausende Stoßfänger für verschiedene Autos. Allein zu Opel in Rüsselsheim wird alle 30 Minuten ein Lastwagen losgeschickt.

neuer autozulieferer amaneos will vom e-auto profitieren

Mathieu Purrey, Vorstandsvorsitzender von Amaneos, und Julian Kabey, Leiter des LMS-Werks in Obertshausen, zeigen ihre Produkte.

Das Werk in Obertshausen gibt es schon seit Jahrzehnten, bis 2021 gehörte es dem kanadisch-österreichischen Zulieferer Magna. Doch nun stehen die Zeichen auf Neuanfang: Seit März ist LMS Teil eines frisch gegründeten Konzerns mit dem klangvollen Namen Amaneos, der seine Zentrale in Frankfurt hat.

Vom ersten Tag an Milliardenumsatz

Aus der Taufe gehoben wurde der neue Konzern mit insgesamt 7500 Mitarbeitern und 1,2 Milliarden Euro Umsatz vom Münchener Finanzinvestor Mutares. Der führte unter dem Namen Amaneos drei Gesellschaften zusammen, die aus Zukäufen seit 2020 hervorgegangen sind: Eben LMS mit Hauptsitz in Obertshausen, MoldTecs, dessen Zentrale im französischen Laval angesiedelt ist, und SFC Solutions, das seine Europazentrale im polnischen Czestochowa hat.

Warum diese drei sich ergänzen, ist in Obertshausen zu besichtigen. Für die Stoßfänger werden nämlich Bauteile aus allen drei Amaneos-Gesellschaften verwendet. Schließlich geht es nicht um einfache Stoßstangen, wie man sie früher kannte, sondern um die gesamte Vorderfront und Heckschürze der Karosserie.

Auch wenn man es von außen nicht vermuten würde – diese Teile sind bei den meisten modernen Autos aus Kunststoff. In tonnenschweren Spritzgussmaschinen wird der bei LMS in die richtige, für jeden Autohersteller maßgefertigte Form gebracht. Kühlgitter und Zierblenden kommen aus einem weiteren LMS-Werk in Idar-Oberstein. Auf der Innenseite der Stoßfänger wiederum werden Produkte der Schwesterunternehmen eingesetzt: Verstärkungsbauteile von MoldTecs, die für den Anschluss ans Fahrzeug benötigt werden, und Dichtungen von SFC Solutions.

Alles aus einer Hand

„Als Verbund können wir alle Kunststoffteile, die wir brauchen, selbst produzieren“, sagt Mathieu Purrey, der Vorstandsvorsitzende von Amaneos. Der Franzose sieht darin auch einen Vertriebsvorteil. Nach den Lieferengpässen, die in den ersten Corona-Jahren auftraten, wollten viele Autohersteller derartige Risiken vermindern.

In den vergangenen Monaten hat LMS Verträge mit zwei Neukunden geschlossen: Mit dem schwedischen Autobauer Volvo und mit Gerhardi, einem Unternehmen, das selbst als Zulieferer tätig ist. Stammkunden von LMS sind Mercedes-Benz, Ford, Volkswagen und neben Opel weitere Marken des Stellantis-Konzerns. Mit weiteren Unternehmen wurden Gespräche über eine Zusammenarbeit aufgenommen, darunter sind die E-Autobauer Tesla und Rimac sowie der Traktorhersteller John Deere.

Trotzdem scheint es alles andere als selbstverständlich, dass ein auf Kunststoff-Bauteile spezialisierter Zulieferer in Zeiten hoher Energiepreise im weltweiten Wettbewerb bestehen kann. Und tatsächlich waren die heute unter LMS firmierenden Werke unter dem Vorbesitzer Magna defizitär. Eineinhalb Jahre nach der Übernahme durch Mutares, im vierten Quartal 2022, gelang der sogenannte Turnaround, „trotz Energiekrise“, wie die beiden LMS-Geschäftsführer Daniel Lozano und Christian Rösch betonen.

Energie gespart, Personal reduziert

Mutares steckte zwölf Millionen Euro in die LMS-Werke, unter anderem zur Steigerung der Energieeffizienz: An zwei von drei Standorten wurden Blockheizkraftwerke installiert, das dritte ist in Planung. Hinzukommen sollen Solaranlagen. Überdies wurde ein modernes Energie-Managementsystem angeschafft, mit dem sich der Verbrauch kontinuierlich überwachen und steuern lässt. Allein die Lackieranlage in Obertshausen, in der die dort gegossenen Kunststoffteile jeweils nach den Wünschen der Autohersteller mit 60 verschiedenen Farben angesprüht werden können, verbraucht pro Jahr so viel Strom wie 25.000 Durchschnittshaushalte.

Zudem wurde nach der Übernahme durch Mutares Personal abgebaut, von ehemals 1800 Stellen bei LMS blieben 1700. Betriebsbedingte Kündigungen habe es nicht gegeben, der Stellenabbau sei über ein mit der Arbeitnehmervertretung abgestimmtes Freiwilligenprogramm erfolgt, sagt Ko-Geschäftsführer Lozano. Für 2023 peilt Purrey bei LMS einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von fünf Prozent des Umsatzes an. In den nächsten Jahren soll er auf sechs bis acht Prozent steigen, Amaneos insgesamt soll spätestens 2027 eine zweistellige Marge erzielen.

Die Transformation der Autobranche biete Chancen für die Gruppe, argumentiert Purrey. Denn um den Spritverbrauch zu senken beziehungsweise die Reichweite batteriegetriebener Fahrzeuge zu erhöhen, muss Gewicht reduziert werden: „Künftig wird es in Autos noch mehr Kunststoff geben.“ Eine solche Entwicklung prognostiziert auch das US-Marktforschungsinstitut Future Market Insights: Nach seiner Prognose wird der weltweite Markt für Plastikteile in Autos von zuletzt rund 29 Milliarden Dollar Umsatz in den nächsten zehn Jahren auf 45 Milliarden Dollar wachsen.

Auch vom Trend zum autonomen Fahren will Amaneos profitieren: Die Radarsysteme dafür würden bei manchen Fahrzeugen ins Dach integriert, erläutert Lozano. Dafür biete sich ein Bauteil aus Kunststoff an, weil dieser – anders als Metall – für die elektromagnetischen Wellen des Radars durchlässig ist. LMS habe ein entsprechendes Bauteil entwickelt, das bald in Serienproduktion gehe.

In der engen Zusammenarbeit mit Autoherstellern schon bei der Entwicklung der Bauteile sieht Purrey einen Schlüssel zum Erfolg: „Integrierte Lösungen anzubieten, ist der einzige Weg, noch in Europa zu produzieren. Bei Personal- und Energiekosten können wir nicht mit China konkurrieren, wir müssen einen Mehrwert bieten durch Engineering.“

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