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Neue Verbrenner-Offensive: Wenden sich auch VW, BMW und Co. vom Elektroauto ab?

neue verbrenner-offensive: wenden sich auch vw, bmw und co. vom elektroauto ab?

Mercedes investiert trotz des Verbots in der EU ab 2035 wieder verstärkt in Verbrenner. Auch andere Hersteller wollen technologieoffen bleiben.

Verbrennerverbot in der EU ab 2035, 15 Millionen Elektroautos bis 2030 auf deutschen Straßen. Die Zeichen der EU-Politik und der Bundesregierung stehen klar auf Elektromobilität. Verbrenner sollen dafür in Zukunft aus dem Verkehr verschwinden. Trotzdem will Mercedes-Benz nun wieder verstärkt in die Verbrennertechnologie investieren, wie die Berliner Zeitung berichtete.

Der Konzern verabschiedet sich von seinem angekündigten Plan, ab 2030 nur noch rein elektrische Modelle zu verkaufen. Ole Källenius, der Geschäftsführer des Autoherstellers, erklärte, dass Mercedes in den kommenden Jahren primär in Hightech-Verbrenner investieren werde. Da der Konzern damit rechne, dass die Zahl elektrifizierter Hightech-Verbrenner 2030 größer sein werde als gedacht, „werden wir die industriellen Strukturen, die wir heute haben, entsprechend erhalten und effizient nutzen“, sagte Källenius. In Hightech-Verbrenner solle daher noch einmal so investiert werden, dass sie „bis tief in die 2030er-Jahre“ halten. Damit sind vor allem sogenannte Hybride und Plug-in-Hybride gemeint.

Es scheint, als würde Mercedes einen anderen Weg einschlagen als der von der Politik angestrebte. Doch wie sieht es bei den anderen deutschen Autoherstellern aus? Wenden Sie sich auch von den Plänen der Ampel und der EU ab, ausschließlich auf Elektroautos zu setzen? Wir haben bei BMW, Volkswagen und separat bei Audi nachgefragt.

Auf Anfrage der Berliner Zeitung erklärte ein Sprecher von BMW, dass man sich nicht vorzeitig ausschließlich auf die Elektromobilität beschränken und stattdessen weiter offen für andere Antriebsarten bleiben wolle. „BMW verfolgt seit Jahren einen technologieoffenen Ansatz, der vor allem die unterschiedlichen Kundenanforderungen an die jeweiligen Antriebsformen berücksichtigt“, erklärt ein Sprecher vom BMW. Das ermögliche „ein hohes Maß an Flexibilität, um auf Nachfrageschwankungen reagieren zu können“, so die Begründung. Die E-Mobilität sei der größte Wachstumstreiber bei BMW. „Gleichzeitig verläuft der Hochlauf der E-Mobilität – wie von uns erwartet – regional mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.“ Mit der Flexibilität könne man diese unterschiedlichen Entwicklungen bestmöglich antizipieren.

Somit scheint sich auch BMW alle Möglichkeiten bezüglich der Antriebsarten offenhalten zu wollen. Wie die anderen Hersteller auch kritisiert BMW das von der EU beschlossene Verbrenner-Verbot ab 2035. Im Mai brachte BMW-Chef Oliver Zipse in einem Interview mit der FAZ seinen Frust über diese Entscheidung deutlich zum Ausdruck. „Aus unserer Sicht war schon die Einführung dieses Verbots naiv“, schimpfte der Geschäftsführer damals. „In einer solchen Dimension Märkte regulieren zu wollen, macht am Ende alles schlechter.“ BMW fordere daher eine Anpassung des Verbots. Diese sei „unumgänglich“, betonte Zipse. „Mit dem Aus im Jahr 2035 ist eine gesamte Industrie erpressbar geworden.“ Jeder internationale Wettbewerber und jeder Lieferant wisse nun, dass man von einer einzigen Technologie abhängig sei.

Auch der bayerische Autohersteller Audi bestätigte auf Anfrage, dass man kurzfristig ebenfalls nicht komplett auf Verbrenner verzichten wolle. Audi verfolge zwar einen klaren Kurs, der vorsehe, dass man sich auf die komplette Umstellung auf Elektroautos „bis Anfang der 2030er-Jahre beziehungsweise grob im Jahr 2033“ einstelle. „Die hundertprozentige Elektromobilität ist und bleibt unser erklärtes Ziel.“ Ab 2026 will der Hersteller mit Sitz in Ingolstadt nur noch vollelektrische Fahrzeuge entwickeln.

Allerdings wolle sich Audi „bis dahin in seinem Portfolio flexibel aufstellen, damit man je nach Markt, Region und Nachfrage der Kunden individuell reagieren kann“, so der Sprecher. Somit werden bis 2026 weiterhin neue Verbrenner- und Hybridmodelle von Audi auf den Markt kommen, die bis Anfang der 2030er-Jahre ohne Nachfolger hergestellt und vertrieben werden sollen. Damit wolle man den verschiedenen Ansprüchen der Kunden gerecht werden. Anders als Mercedes plane Audi allerdings „auf keinen Fall“, bis Ende der 2030er-Jahre Verbrenner anzubieten. Auch wenn man in Deutschland derzeit eine „Delle“ in der Nachfrage nach Elektroautos habe, weil die erste Euphorie verflogen sei, erkenne man global ein anderes Bild.

Tatsächlich ist die Zahl der Neuzulassungen von Elektroautos seit dem plötzlichen Stopp der Kaufprämie durch den Wirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) im Dezember 2023 stark eingebrochen. Laut Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts wurden in den ersten fünf Monaten dieses Jahres insgesamt 140.713 E-Autos in Deutschland zugelassen und somit 15,9 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Im Gegensatz geht es mit der Elektromobilität weltweit betrachtet weiterhin bergauf, wie eine Studie des Strategieberaterunternehmens Strategy& ergab. Demnach legte der globale E-Auto-Markt im ersten Quartal 2024 um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal zu.

Der Volkswagen-Konzern, zu dem auch Audi gehört, betrachtet, ähnlich wie die anderen Hersteller, eine flexible Technologieoffenheit als beste Lösung. Zwar sei VW davon überzeugt, „dass der Elektromobilität die Zukunft gehört“, betont ein Sprecher. Trotzdem sei es in der Transformationsphase wichtig, für die Kundinnen und Kunden ein flexibles Angebot an Antrieben zu bieten, weil sich die Transformation in den Regionen weltweit unterschiedlich schnell entwickle. „Deshalb behalten wir moderne Verbrennungs- und Hybridkonzepte mit im Blick.“ Somit scheint auch VW noch abzuwarten, in welche Richtung sich die politische Diskussion rund um die Ausrichtung bei der Frage der Antriebsart bewegt.

In diesem Zuge nimmt VW die Politik auch direkt in die Pflicht. „Der Umstieg auf die Elektromobilität muss für die gesamte Industrie gut geplant und umgesetzt werden.“ Es gehe dabei auch um „Rahmenbedingungen, die wir nicht oder nur begrenzt in den eigenen Händen haben“. Verfügbare Rohstoffe, Strompreise oder die Ladeinfrastruktur gehörten etwa dazu. Der Sprecher betont: „Der Hochlauf der Elektromobilität bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.“ Die Autoindustrie sei „langzyklisch“, man könne nicht alle drei, vier Jahre die getroffenen Entscheidungen infrage stellen. „Wir brauchen verlässliche und verbindliche Vorgaben von der Politik.“

Im Gesamtbild der Reaktionen der Hersteller wird eines sehr klar: Die Politik scheint die Zustimmung der Autoindustrie nach anfänglicher Bereitschaft zum kompletten Umstieg auf die Elektromobilität zunehmend zu verlieren. Die Antworten der Hersteller zeigen, dass sie ihr Vertrauen in die Langfristigkeit der politischen Entscheidungen verloren haben. Branchenexperten erzählen zudem in vertraulichen Gesprächen mit der Berliner Zeitung, dass die Ziele der Ampel, Verbrenner zu verbieten und 15 Millionen Elektroautos bis 2030 auf deutsche Straßen zu bringen, nicht gleich mit den Zielen der Hersteller seien – auch wenn diese öffentlich das Gegenteil kommunizieren würden. Diese Einschätzung ist bezeichnend dafür, wie wenig Einigkeit bei der Mobilitätswende herrscht.

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