24.09.2024 11:15 Uhr | Lesezeit: 2 min
Der EQS fährt hochautomatisiert. © Foto: Mercedes-Benz
Ab Anfang nächsten Jahres übernimmt der weiterentwickelte Drive Pilot bei manchen Mercedes-Modellen die Aufgaben des Fahrers und zwar bis 95 km/h. Auf der ersten Testfahrt im Alltagsverkehr auf der Berliner Avus offenbarten sich jedoch wesentliche Einschränkungen.
Pioniere des autonomen Fahrens können sich ab Anfang nächsten Jahres in verschiedenen Mercedes-Modelle den Fahrkünsten des Computers bis 95 km/h anvertrauen, 35 km/h mehr als bisher. Das gilt für Neufahrzeuge ebenso wie für bestehende Stern-Modelle, bei denen die Software elektronisch per WLAN ins Fahrzeug übertragen wird.
Wir sind im rund 124.000 Euro teuren elektrischen Topmodell EQS unterwegs. Der Aufpreis für den neuen Drive Pilot von gut 6.000 Euro fällt da nicht wirklich ins Gewicht. Das Ambiente im Inneren der 5,22 Meter Nobel-Yacht für die Straße ist zunächst vertraut. Wenn da nicht die beiden silbernen Drucktasten wären, die in Daumennähe in die Lenkradspeiche eingelassen sind. Auf dem innerstädtischen Berliner Autobahnring passiert erstmal gar nichts. Dreispurig, Tempo 80 und jede Menge Laster auf der rechten Fahrbahn. Also ist Geduld und eigene Lenkarbeit angesagt. Denn der elektronische Chauffeur fahndet mit einer Fülle von Sensoren auf seine Chance zur Übernahme. Für die braucht er eine rechte Spur mit ausreichender Lücke zwischen den dortigen Autos. Und er sucht nach einem rollenden Leittier.
EQS: Innenleben speichert alle Strecken
Weißes Licht oberhalb der Griffmulden in der Lenkradspeiche signalisiert die Bereitschaft des Drive Pilot zum Dienstantritt. Jetzt eine der beiden Tasten drücken. Die Leuchtanzeige wechselt zu türkis, der Fahrer ist ab sofort ebenso Passagier wie ein Fluggast in der ersten Klasse. Der leistungsstarke Bordrechner hält den EQS zwischen den weißen Spurmarkierungen gefangen, sucht sich die passende Entfernung zum Vordermann und beginnt die friedliche Verfolgung des Transporters.
Seltsame neue Welt: Für einen 265 kW / 360 PS-Mercedes ist die rechte Spur nach landläufiger Sicht nicht das übliche Terrain. Der Chef im Ring lenkt und beschleunigt oder bremst in der verborgenen Schaltzentrale irgendwo im Innenleben. Der lässt sich nicht verleiten, einem Dacia oder einem Smart auf der Mittelspur ans Blech zu rücken, bleibt immer gelassen und betont entspannt.
Signalton fordert zur Verantwortung auf
Dieses Verfolgungssystem ist nur eine von diversen Einschränkungen, mit denen der Besitzer eines solchen Autos leben muss. Nachts oder in Tunneln funktioniert der Drive Pilot ebenso wenig wie bei Regen oder dichtem Nebel. Auch für die Art von Entspannung auf dem Fahrersitz gibt es strenge Regeln, die je nach Land unterschiedlich sein können. Einschlafen ist verboten, ein wachsames Kameraauge würde bei geschlossenen Augen unverzüglich Alarm schlagen. Nicht unentdeckt bliebe auch die Idee des Fahrers, den Rücksitz für das Nickerchen zu nutzen. Lobenswert ist ein System, das herannahende Rettungs- oder Feuerwehrfahrzeuge ebenso erkennt wie eine demnächst drohende Baustelle. Auch hier steigt das Mercedes-System mit Vorwarnung aus, bringt das Thema Rettungsgasse ins Gespräch.
Mercedes: Premiere als wichtiger Zwischenschritt
Mercedes sieht die Premiere des 95-km/h-Piloten als wichtigen Zwischenschritt. Ende des Jahrzehnts sollen 130 km/h möglich sein. Ein Tempo, das dann ohnehin auf deutschen Autobahnen wohl die Regel sein wird. In der Endstufe dieses Level 3 werden dann 30 Sensoren aller Art, darunter auch ein von Satelliten gefüttertes System zur genauen Positionierung des Standortes für Sicherheit sorgen.
Bleibt die Frage, ob den Mercedes-Kunden die immer noch begrenzen Möglichkeiten des heutigen Drive Pilot der tiefe Griff in die Familienkasse wert sein wird. Wobei sich die Stuttgarter auch um heute verbreitete Systeme und deren Verbesserung kümmern. So ist dank eines Updates das automatische Einparken künftig doppelt so schnell wie bisher möglich. Dessen Geschwindigkeit steigt von ein auf zwei km/h.
Mobilitätskonzepte