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Kräfteverhältnis WEC Imola: Ist Ferrari wirklich allen über?

Schon das Qualifying war das von den Tifosi erhoffte Spektakel (und wirft unangenehme BoP-Fragen auf, aber das nur am Rande): Die Ferrari 499P dominieren bei der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) im Autodromo Enzo e Dino Ferrari nach Belieben. Doch ist auch im Rennen mit einem Durchmarsch in Rot und Gelb zu rechnen?

Ferrari-intern war zunächst die Runde von Antonio Fuoco bemerkenswert, der seinen Teamkollegen Robert Schwarzman und Alessandro Pier Guidi noch einmal fast eine halbe Sekunde abnahm. “Ich hatte schon im freien Training ein gutes Gefühl, deshalb musste ich nur die Konzentration aufrechterhalten”, erklärt der 27-Jährige. (Alle Infos zur WEC in Imola 2024)

“Das Auto war wirklich gut und ich habe eine gute Runde zusammengebracht. Es war eine besondere Runde. Das Heimrennen vor unseren Fans hat mir heute einen zusätzlichen Schub gegeben. Ich habe im Qualifying von Anfang bis Ende 100 Prozent gegeben.”

 

Ist der Dreifachsieg mit Tifosi-Party also schon eingetütet? Ganz so einfach wird es wohl nicht. Denn bei den Longruns ist Porsche dran. Das zeigen die Auswertungen. Ob es reicht, in die Phalanx einzubrechen, wird sich noch herausstellen. Einen Vorteil hat Porsche: Der 963 bringt die Reifen extrem schnell auf Temperatur. Ein Überfallkommando in der Startphase ist denkbar.

Kevin Estre gibt sich kämpferisch: “Viel mehr als Platz vier hinter den ‘Roten’ war meiner Meinung nach heute für uns nicht drin. Aber wir blicken dem Rennen optimistisch entgegen und freuen uns auf einen guten Kampf – mal sehen, ob wir die Ferrari mit einer besseren Strategie schlagen können.”

Dicht gestaffeltes Mittelfeld

Dahinter liegt das Feld dicht beieinander, mit leichten Abstufungen. Toyota und die privaten Porsche 963 reihen sich zusammen mit BMW hinter Ferrari und Porsche ein. “Definitiv besser als Katar. Aber ich glaube nicht, dass es für ganz vorne reicht”, sagt Sebastien Buemi gegenüber Motorsport-Total.com.

kräfteverhältnis wec imola: ist ferrari wirklich allen über?

Die FP3-Longruns von Porsche (weiß/grau) und Ferrari (Rot und Gelb) im Vergleich: Der 963 kann mithalten

Foto: smg/Stritzke

Der Dreher von Dries Vanthoor im Qualifying beendete alle Hyperpole-Hoffnungen für den BMW #15 (D. Vanthoor/Marciello/Wittmann). Die Rote Flagge stößt im BMW-Lager auf Unverständnis, da andere Dreher, unter anderem von Brendon Hartley und Matt Campbell, nur eine Gelbe Flagge nach sich zogen. Dennoch blickt das WRT-Team nach Startplatz sieben des Schwesterfahrzeugs zuversichtlich auf das Rennen.

“Es ist ein klarer Fortschritt, aber wir haben noch viel Arbeit vor uns, um es nach ganz vorne zu schaffen”, sagt Dries Vanthoor gegenüber Motorsport-Total.com. “Die Ferraris scheinen etwas arg weit weg zu sein, aber wir können durchaus dahinter mitmischen. Im Gegensatz zu Katar kennen wir die Strecke und das Auto funktioniert hier gut.”

WRT und BMW arbeiten derzeit noch an der Leistungsentfaltung auf den Randsteinen beim Herausbeschleunigen aus den Kurven. Im Leistungsmanagement sieht man noch Potenzial.

Zumindest weiß BMW, wo man ansetzen muss. Bei Lamborghini steht der Worst Case an. “Es fehlt uns ein bisschen an allem. Wir müssen in allen Bereichen arbeiten”, sagt Mirko Bortolotti nach P16 im Qualifying. Er bittet um Geduld: “Wir haben zwei Jahre Rückstand und es ist das erste Mal, dass Lamborghini einen Prototypen gebaut hat. Wir kämpfen gegen die großen Schwergewichte, aber wir lieben diese Herausforderung.”

Franzosen-Frust im Qualifying

Damit qualifizierte sich der grüne Bolide von Iron Lynx vor den beiden Alpine A424. “Die Rote Flagge kam für uns leider genau zum falschen Zeitpunkt”, erklärt Mick Schumacher gegenüber Motorsport-Total.com. “Es geht vor allem darum, die Reifen zum richtigen Zeitpunkt für die richtige Runde im Fenster zu haben, das haben wir leider nicht geschafft.”

Sein Teamkollege Nicolas Lapierre, der das Auto qualifizierte, ist enttäuscht: “Wir wollten eigentlich in die Nähe der Top 10 kommen. Leider sind wir weiter zurückgefallen. Wir werden uns anschauen, was hier passiert ist. Wir haben eine bessere Rennpace, aber es ist schwierig, hier zu überholen.”

Eine große negative Überraschung erlebte Peugeot. Der runderneuerte 9X8 2024 sah in den Trainingssitzungen trotz seines hohen Gewichts konkurrenzfähig aus. Die Plätze 14 und 15 im Qualifying waren eine unerwartete Enttäuschung.

Jean-Eric Vergne gibt zu, dass man sich am Kopf kratzt: “Ohne die Rote Flagge wären vielleicht zwei oder drei Zehntelsekunden mehr drin gewesen. Aber selbst dann wären wir nicht einmal in die Nähe der Hyperpole gekommen.”

Jean-Marc Finot, Motorsportchef bei Stellantis, ist ebenfalls verblüfft: “Wir wissen, dass das Auto Potenzial hat und schneller als die 2023er-Version ist. Aber wir konnten das im Qualifying nicht zeigen. Uns hat Pace gefehlt.” Sowohl Peugeot als auch Alpine hoffen auf die Rennpace, doch in Imola ist eine schlechte “Track Position” wegen der begrenzten Überholmöglichkeiten Gift.

Die Unbekannten: Verkehr, Reifen und Wetter

Das Rennen wird mühsam, da sind sich alle einig. Die enge Strecke in Imola macht es den Hypercars schwer, die GT-Fahrzeuge zu überholen. Innerhalb der Hypercars können Plätze nur durch kritische Situationen im Verkehr oder bei den Boxenstopps gutgemacht werden, reguläre Überholmanöver sind nahezu ausgeschlossen.

Auch die Haltbarkeit der Reifen konnte noch nicht getestet werden – zumindest bei den Teams, die noch nicht im Autodromo Enzo e Dino Ferrari getestet haben. “Wir haben hier einen deutlich höheren Verschleiß als in Katar. Dort gab es fast keinen Verschleiß”, so BMW-Pilot Robin Frijns gegenüber Motorsport-Total.com.

Gleichzeitig scheidet der härteste der drei Michelin-Reifen wegen des kühlen Wetters aus, wie Mike Conway aus dem Toyota-Lager erklärt: “Wir haben den harten Reifen gar nicht erst ausprobiert, weil er keine Option ist. Damit würde man 25 bis 30 Sekunden [pro Stint] verlieren.”

Nicht auszuschließen ist auch, dass sich Porsches Vorteil, die Reifen schnell zum Arbeiten zu bringen, langfristig in einen Nachteil beim Verschleiß verwandelt. Katar spielte dem 963 mit seinem geringen Verschleiß in die Karten. Allerdings hat Porsche im Vorfeld in Imola getestet, sodass Penske auf Erfahrungswerte zurückgreifen kann.

Doch es könnten auch ganz andere Reifen zum Einsatz kommen, nämlich bei Regen. In der Hyperpole entging die WEC nur knapp einem Regenschauer, am Samstagabend musste das Rennen der Lamborghini Super Trofeo abgebrochen werden, weil ein Gewitterschauer die Strecke unter Wasser setzte und Äste auf die Strecke wehte.

Das WEC-Rennen wird größtenteils trocken über die Bühne gehen, aber auch am Sonntagabend besteht die Möglichkeit eines ähnlichen Regengusses. Das Rennen endet nicht vor 19 Uhr. Bei solchen Schauern ist es allerdings schwierig, den genauen Ort vorherzusagen.

Mit Bildmaterial von Motorsport Images.

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