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Große Boxer mit großer Verkleidung

Verrückte Zeiten! Während Harley-Davidson mit LiveWire und Pan America in neue Welten aufbricht, will BMW deren auf endlose Highways gepolte Stammkunden mit neuen Modellablegern des XXL-Boxers begeistern. Vorhang auf für R 18 Transcontinental und R 18 B.

Große Boxer mit großer Verkleidung

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Auf den ersten Blick könnte man denken: 30 Jahre zu spät! Wer leckt sich heute noch die Finger nach archaischen Cruiser-Monstern mit dem cW-Wert einer Einbauküche, um Lincoln Highway und Route 66 abzureiten? Und: Haben sich daran nicht bereits die Japaner, aber auch die Konkurrenz im eigenen Land abgearbeitet? Andererseits scheint sich Harley mit Gründung und Ausbau einer eigenen Elektro-Marke vom traditionsverliebten Kunden zu verabschieden und räubert zudem mit dem Adventure Bike Pan America in fremdem Terrain. Vor allem in einem Terrain, über dem normalerweise ein weißblauer Himmel strahlt und “Mia san mia” an den Fahnenmasten knattert. Und die Bayern grantln nicht lange, sondern setzen wie Gerd Müller flugs zum Vollstrecken an. Und damit betreten die R-18-Versionen Nummer drei und vier die Bühne. Was ist neu, was ist anders?

Bekanntes Kraftwerk

Fangen wir zunächst mit dem an, was gleich ist – und das ist genauso zentral wie unübersehbar: der immer noch unfassbar große luftgekühlte Zweizylinder-Boxermotor. Somit erübrigt sich auch die Frage, ob Transcontinental und B wie Bagger drei Jahrzehnte zu spät kommen. Es ist der komplett neu entwickelte Motor, der diese BMW-Reihe zu einem unverwechselbaren, begehrenswerten Original macht. Der schnöde Abklatsch eines V-Motors hätte genauso wenig Sinn gemacht wie – die Geschichte hat es uns gelehrt – die Adaption eines “kleinen” 1200er- oder 1250er-Boxers. Also: R 18 B und Transcontinental satteln technisch betrachtet nahezu tupfengleich auf dem auf, was wir bereits von der Ur-R-18 kennen. Motor, Leistung, Fahrwerk und alles reichlich vorhanden: 1.802 Kubik wuchten 158 Nm bei 3.000 Touren ins Getriebe, kurz darauf stehen 91 PS bei gemütlichen 4.750 /min an. Optional können alle R18 Varianten ab  sofort kostenlos auf A2-konforme 35 kW gedrosselt werden. Mittels 24 Liter Tank und dem angegebenen Verbrauch von 5,8 Litern, sind knapp über 400 Kilometer machbar. Beim Fahrwerk fallen vor allem die deutlich geänderten Geometriewerte der beiden neuen Varianten auf. Die Gabel steht mit 62,7 Grad 5,4 Grad deutlich steiler im Rahmen, was durch einen immens vergrößerten Nachlauf von 150 auf 183,5 Millimeter ausgeglichen wird und in einem verkürzten Radstand von 1.695 Millimetern zu 1.730 Millimetern mündet.

Verpackung neu und schwer

Neu ist im Wesentlichen die Verpackung, oder man sollte eher sagen, das Gesamtarrangement der zwei Fahrzeuge. Dass deren Haupteinsatzgebiet und somit auch der potenzielle Kunde nicht zwischen Niederrhein und Soester Börde unterwegs sein wird – daran lässt auch die beigefügte Presseprosa der Münchner keinen Zweifel. Bereits in den einführenden Sätzen zu den zwei neuen Modellen wird von “Grand American Tourer” und dem “American Way of Ride” fabuliert. Oder auch, dass der Bagger “insbesondere in den USA populär ist”. Natürlich ist unstrittig, dass sich auch in good old Germany etliche Cowboys und Indianer finden werden, die Gefallen am Flanieren im Kingsize-Format haben und sich konzeptbedingt erfreuen an viel zu lenkender Masse: 427 Kilogramm wollen bei der Transcontintal beherrscht werden, 398 Kilo wiegt die Bagger, was 82 und 44 Kilo Mehrgewicht zur Basis R18 bedeuten. Das zulässige Gesamtgewicht ist mit 630 Kilo angegeben, die Transcontinental darf also 203 Kilo zuladen, die Bagger entsprechend mehr, was dem verstärkten Rahmen zu verdanken ist. Dem angepasst ein neues Federbein mit wegabhängiger Dämpfung und elektronisch gesteuertem Beladungsausgleich.

Dickes Ausstattungsplus

Das dicke Plus kommt bei der Transcontinental mit hohem Windschild, in Fahrzeugfarbe lackierten Windabweisern, Koffern und Wandschrank-Topcase mit Rückenlehnenpolsterung á la Sofa. Oder als R 18 B wie Bagger mit etwas flacherem Windschild und “nur” Seitenkoffern. In puncto Ausstattung sind Bagger wie auch Transcontinental sehr identisch aufgebaut: drei Fahrmodi (Rain, Rock, Roll), Vollintegral-ABS, Tempomat, Heizgriffe, schlüssellose Keyless-go-Technik, Marshall-Soundsystem. Die Extraliste ist genauso lang, wie der Boxer breit ist: radargesteuerter Tempomat mit automatischer Abstandsregelung, Kurvenlicht, Rückwärtsgang, Berganfahrhilfe. Beide Modelle gibt es zum Modellstart als “First Edition”, wozu ein reichhaltiges Lack- und Chrompaket gehört. Die Preise sind mit 26.600 Euro für die Bagger und 27.650 Euro für Transcontinental im Vergleich zu 20.950 Euro für die R18 hoch und marktüblich. Viel Mopped kostet eben viel Geld. Wer sich direkt etwas abheben möchte, kann direkt einige Häckchen in den Option-719-Menüs setzen. Hier ist neben allerlei optischem Fräswerk auch die Lackierung Galaxy Dust metallic als Flip-Flop-Lackierung mit Titansilber Metallic buchbar. Ebenfalls kann die serienmäßige Marshall-Anlage auf sechs Lautsprecher per bezahltem Mausklick erweitert werden. Preis für den Sonderlack in der Transcontinental 2.380 Euro und in der B 2.260 Euro, die Upgrades der Soundanlage kosten 750 und 1.200 Euro (letztes nur in der Transcontinental).

Fazit

BMW erweitert erwartungsgemäß die R18 Reihe nach oben. Stark auf den super-cruisenden US-Markt ausgerichtet wollen die B(agger) und Transcontinental mit exklusiver Ausstattung und dem Charme des Riesenboxer ein großes Stück vom Kuchen auf den eigenen Teller ziehen. Doch auch in Europa werden die beiden neuen Versionen ihre Freunde und Käufer finden.

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