Genesis

Genesis GV80

Genesis GV80 Diesel (2023) im Dauertest: Preisgünstiges Premium

Für rund 87.000 Euro ist die prestigeträchtige Hütte voll. Sollte man GLE, Q7 oder X5 jetzt stehen lassen?

genesis gv80 diesel (2023) im dauertest: preisgünstiges premium

Wenn der Genesis GV80 ein Mensch wäre, dann wäre er ein alter, weißer Mann. Zumindest auf den ersten Blick. Denn nach etwas mehr als einem Monat mit dem dieselnden SUV-Dickschiff von der Nobelmarke aus dem Hyundai-Konzern und rund 5.000 Kilometern in allen Lebenslagen, muss man feststellen, dass die Persönlichkeit dieses Fahrzeugs doch vielschichtiger ist. Also … viel Spaß mit unserem Dauertest. Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.

Was ist das?

Diese Frage stellen sich viele. Muss man einfach so sagen, denn derart zahlreich bekommt man selten diese ideenlosen Blicke von Passanten oder anderen Autofahrern zugeworfen. Egal ob jung oder alt. Selbst der eigentlich automobil-bewanderte Kassierer an der Dorftankstelle freut sich, dass er jetzt endlich mal einen Bentley gesehen hat.

Hat er aber natürlich nicht, obwohl das Logo zum Verwechseln ähnlich sieht (genau wie die Embleme von Aston Martin … oder Mini). Also klären wir ihn auf. Was da gerade an Säule 4 seinen 80-Liter-Dieseltank gefüttert hat, ist ein Genesis GV80 3.0D AWD in der Luxury Plus-Ausstattung.

Kaum aufgeklärt, steht dem guten Mann die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Dabei könnte er sich eigentlich glücklich schätzen, denn so ein GV80 stammt auch aus der Feder von Ex-Bentley-Designer Luc Donckerwolke und ist sogar noch seltener in Deutschland zu finden als ein Bentayga.

Ungelogen. Das britische SUV verkaufte sich nämlich hierzulande in den letzten beiden Jahren jeweils rund 250-mal, der Edel-Koreaner ging 2021 nur 83-mal über die Ladentheke. Unverständlich? Finden wir auch …

Denn optisch macht so ein GV80 ganz schön was her – wie alle aktuellen Genesis-Modelle. Der überdimensionale Chrom-Grill, die riesigen 22-Zoll-Felgen, der insgesamt sehr massige Auftritt, die jeweils zweigeteilten Matrix-LED-Scheinwerfer sowie die LED-Rückleuchten. Sieht schon scharf aus und wirkt zwar clean, aber auch deutlich gehobener (“adeliger” oder “majestätischer” würde ebenfalls passen) als die Abmessungs-ähnliche Konkurrenz um Audi Q7, BMW X5 oder Mercedes-Benz GLE.

Dazu kommt, dass der GV80 ein echtes Schnäppchen ist … also im Vergleich. Während deutsche Premium-Hersteller für ihre ähnlichen Fahrzeuge gerne einmal 100.000 Euro und mehr verlangen (Volvo für einen entsprechenden XC90 übrigens auch), bekommt man bei Genesis dieses vollausgestattete Modell mit 3,0-Liter-R6-Diesel, 278 PS, 588 Nm Drehmoment, 8-Gang-Automatik und Allradantrieb für rund 87.000 Euro.

Und für so wenig Kohle ein Auto fahren zu können, das alle für einen exklusiven Bentley (oder einen Aston Martin) halten, ist schon ziemlich witzig.

Und der Innenraum?

Prestige ist auch hier Programm. Meine (besserverdienenden) Herren. Was für ein Anblick. Ein Dachhimmel in hellem Alcantara, Leder bis in die hintersten Ecken, Rautensteppung mit Kontrastnähten, offenporiges Holz, Aluminium und Plastik dann nur noch an sehr versteckten Stellen oder an öfter beanspruchten Bauteilen vereinen sich extrem gut verarbeitet zu einem derart stimmigen Interieur, wie es selbst Stuttgart, München oder Ingolstadt nur mit Mühe erreichen. Chapeau. Und dabei haben wir noch kein einziges Wort über die eigentliche Ausstattung verloren …

Auch die kann sich sehen lassen. Die Sitze in Reihe eins? Sehr bequem. Sie sind außerdem in alle Richtungen elektrisch verstellbar, sie massieren, sie kühlen und heizen. Im Fond bietet diese Ausstattung des GV80 ebenfalls Einzelsitze. Auf eine Höhenverstellung sowie die Massagefunktion muss aber verzichtet werden. Dafür gibt’s Infotainment-Bildschirme an den Rückenlehnen fürs Infotainment.

Unter dem Kofferraumboden befinden sich dann noch zwei weitere Sitze. Allerdings hatte kein einziger Mitfahrer im Testzeitraum Lust, darauf Platz zu nehmen. Aber wann fährt man auch mal mit 6 Personen und wer will freiwillig die Knie unterm Kinn haben?

Herzstück des Genesis-Innenraums ist das freistehende 14,5-Zoll-Infotainment-Display auf dem Armaturenbrett, dazu gesellt sich ein 12,3-Zoll-Kombiinstrument mit 3D-Grafik hinter dem Lenkrad. Eine Bildschirm-Landschaft, die sich aber nur mittelmäßig bedienen lässt. Vom Fahrerplatz die rechte Seite des Displays betouchen, erfordert nämlich sehr lange Arme.

Die Sprachsteuerung? Hört nicht ganz so zuverlässig zu. Das Drehrad? Muss wie ein altes Telefon bedient werden. Die Klimasteuerung lässt sich dagegen wieder einwandfrei steuern. Über echte Knöpfe und Regler beziehungsweise über ein kleines Touchdisplay, welches aber sauber ablesbar ist.

Wie fährt er sich?

Um dies herauszufinden, hatten wir also entspannte 5.000 Kilometer Zeit. Alltag, Urlaub, Kurz-, Mittel- oder Langstrecke, Stadt, Land, Autobahn. Volles Programm. Und um es kurz zu machen: Die Lieblingsdisziplin des GV80 ist mit dieser Antriebskombination eindeutig die vollbesetzte Langstrecke in den Urlaub. Mit viel Gepäck. Sehr viel Gepäck. Und vier erwachsenen Personen an Bord. Ab auf die Piste. Von Frankfurt an die Mecklenburgische Seenplatte. 650 Kilometer.

Das Fahrwerk schluckt dabei die meisten Unebenheiten dieser Reise. Wenn man den GV80 jedoch zu schnell in eine Kurve zwingt, wird er leicht unruhig. Die breiten Reifen und der Allrad bieten zwar reichlich Grip, aber wenn man ein wenig zu ungestüm hinter dem leichtgängigen Lenkrad sitzt, kommt es zu leichtem Übersteuern und argen Wankbewegungen – ein unangenehmes Gefühl in einem großen Luxus-SUV. Der GV80 ist auch einfach schwer (2,3 Tonnen wiegt er leer und vollbeladen kratzen wir wohl eher an der 3-Tonnen-Marke), um sich bequem in eine enge Kurve legen zu können.

Auf kaputtem Asphalt (oder Betonplatten-Autobahnen) werden kurze Stöße zudem etwas unsanft in den ansonsten extrem leisen und mit Active-Noise-Canceling versehenen Innenraum durchgegeben. Wir sind uns aber nicht sicher, ob dieses Problem für die gesamte GV80-Familie typisch ist oder ob es vielleicht an den 22-Zoll-Rädern liegt.

Doch egal, was nun am Ende der Grund dafür ist … die deutsche Konkurrenz macht das besser. Auch ohne Straßenbeschaffenheit-scannende Kamera, die ihren Input zur Vorbereitung der Dämpfer an das adaptive Fahrwerk weitergibt.

Der Antrieb lässt hingegen wenig Wünsche offen. Obwohl zur vollkommenen Souveränität auf der Autobahn das letzte Quäntchen an Power fehlt. Aber er klingt dafür fantastisch, vibriert kaum. Dazu die sanft schaltende Automatik. Passt. Allzu sehr mit dem Messer zwischen den Zähnen sollte man eh nicht unterwegs sein, denn dann wird der GV80 zu einem Diesel-vernichtenden Koloss.

Den Höchstverbrauch erreichen wir bei unserer Nachtetappe von Jena nach Neustrelitz. 350 Kilometer feinste und freie A4, A9 und A10. Plus etwas Landstraße. Topspeed. Wenn möglich. Rund 18 l/100km quittiert uns der Bordcomputer. Uff.

Zum Vergleich: Wenn man es sonst weniger hektisch angeht, liegt der Verbrauch irgendwo zwischen 8 und 9 l/100km. Und wenn man es wirklich darauf anlegt (also entspannte Landstraße, nicht mehr als 130 km/h auf der Autobahn und vorausschauend im Eco-Modus mit Segelfunktion fahren), lässt sich sogar eine 7 vor dem Komma realisieren.

Stadtverkehr kostet hingegen wieder Nerven (wegen der Größe) und Sprit. Einen einstelligen Verbrauch bei Stop-and-Go herauszufahren, ist nicht möglich. Auch nicht im Eco-Modus.

Auf was sollte man sonst noch achten?

Beginnen wir mit den negativen Punkten, die auch nach 5.000 Kilometern einfach nicht verschwinden wollten: Etwas mehr Beinfreiheit im Fond wäre bei der Größe cool. An die 3D-Instrumententafel gewöhnt man sich auch nicht nach einem Monat. Die dritte Sitzreihe ist eigentlich quatsch und nimmt nur Kofferraumvolumen weg.

Und der Innenraum mit seinem vielen Leder, den wertigen Materialen und dem kuscheligen Teppich ist allgemein derart empfindlich, dass man ja nicht auf die Idee kommen sollte, andere Dinge als sauber gekleidete Menschen und zuvor dampfgereinigte Gepäckstücke zu transportieren. Die Lenkradheizung? Ziemlich lasch.

Positive Dinge konnten wir in dem Monat aber ebenfalls hervor kitzeln: Zum Beispiel die großartig ausleuchtenden Matrix-LED-Scheinwerfer, die so gut den anderen Verkehr ausblenden, dass wir nie mit einer Lichthupe auf unser angeschaltetes Fernlicht aufmerksam gemacht wurden. Und dann wären da noch die Fahrhelfer, die sich zu einem stimmigen Autopilot firmieren. Sogar mit Spurwechselfunktion, die ebenfalls sehr solide arbeitet. Nochmal: Alles für unter 90.000 Euro. Ein Wort.

Fazit: Wenn Full-Size-Luxus-SUV, dann Genesis GV80

Wir legen uns fest und würden uns wahrscheinlich mit Blick auf die Konkurrenz wohl für einen GV80 entscheiden. Er macht eigentlich alles richtig, was es in dieser Klasse zu beachten gibt und schont dabei auch noch im Rahmen seiner Möglichkeiten das Konto.

Drinnen fühl man sich überaus wohl und nach draußen vermittelt man das Prestige eines Bentley. Nur das man schlauer ist als ein Bentayga-Kunde und den gleichen Effekt für weniger Geld vermittelt.

Genesis GV80 3.0D AWD 8AT Luxury Plus

  • Motor: 3,0-Liter-Reihensechszylinder-Dieselmotor
  • Getriebeart: 8-Gang-Automatikgetriebe
  • Antrieb: Allradantrieb
  • Leistung: 278 PS (204 kW) bei 3.800 U/min
  • Max. Drehmoment: 588 Nm bei 1.500 – 3.000 U/min
  • Beschleunigung 0-100 km/h: 6,8 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h
  • Verbrauch: 8,5 – 9,0 l/100km (WLTP) // 9,1 l/100km (Testverbrauch)
  • Emission: 222 – 231 g/km (WLTP)
  • Länge: 4.945 mm
  • Breite: 1.975 mm
  • Höhe: 1.715 mm
  • Leergewicht: 2.300 kg
  • Zuladung: 675 kg
  • Anzahl der Sitze: 6
  • Kofferraumvolumen: 727 – 2.144 l
  • Anhängelast: 2.722 kg (gebremst bei 12% Steigung)
  • Bodenfreiheit: 205 mm
  • Wattiefe: 400 mm
  • Basispreis: 66.160 Euro (GV80 3.0D AWD Premium Line)
  • Preis der Testversion: 83.350 Euro (GV80 3.0D AWD Luxury Plus Line 6-Sitzer)
  • Preis des Testwagens: 86.270 Euro (+ Panorama-Glasdach, el. Sperrdifferenzial, Savile Silver Metallic-Lackierung)

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