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Fiat 600e im Test: Elektrisches Dolce Vita für Familien

Der vollelektrische Fiat 600e soll das Charisma des kleinen Bruders 500 auf eine familientaugliche Ebene heben. Dazu bringt er Platz für fünf Personen und Reichweiten um die 400 Kilometer ins Spiel. Kann dieses Gesamtpaket überzeugen? Wir haben es ausprobiert.

fiat 600e im test: elektrisches dolce vita für familien

Fiat 600e: Die optischen Anleihen beim 500er sind unübersehbar. Hersteller

Was er ist:

Ein vollelektrischer Crossover und das zweite E-Auto von Fiat. Das erste war bekanntlich der 500e, den der 600e aber um eine Kleidergröße überflügelt. Mit 4,17 Metern Länge ist er zwar noch immer verhältnismäßig klein und kompakt, den Maßen eines Minis entwächst er jedoch hin zu mehr Familientauglichkeit. Im Wettbewerbsumfeld trifft der 600e unter anderem auf seine Geschwister aus dem Stellantis-Konzern – den Jeep Avenger Elektro etwa, den Opel Mokka Electric, den Peugeot E-2008 oder den DS 3 E-Tense.

Wie er aussieht:

Wie man die Kundschaft mit Charme dazu bringt, ihr Geld beim Fiat-Händler zu lassen, macht der 500 seit Jahrzehnten erfolgreich vor. “Schau und lerne”, scheint man dem 600 in die Geburtsurkunde geschrieben zu haben. Ersichtlich greift er die knuffige Body-Positivity seines kleinen Bruders auf, das Halbrund der Scheinwerfer erzeugt einen leicht lasziven Blick, der die Scharfkantigkeit der anderen Gesichtszüge sympathisch abmildert, mattschwarze Seitenschweller und Radhauseinfassungen unterstreichen den Crossover-Look. Das Charisma des 500ers erreicht der 600 zwar nicht. Dennoch: Wer aufsteigen möchte, wird mit ihm nicht fremdeln und sich insofern leicht tun.

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Wie er eingerichtet ist:

Modern und ziemlich schick. Kunststoff findet zwar weitflächige Verbreitung, billig wirkt er aber nicht und ist deshalb kein Ambiente-Killer, zumal er ausstattungsabhängig fröhlich-farbenfroh daherkommt. Mit gewissem Misstrauen hinsichtlich ihrer Langlebigkeit sind wir nur dem etwas labberigen Faltcover über dem großen Staufach in der Mittelkonsole begegnet, das auch die induktive Lademöglichkeit fürs Smartphone beherbergt. Das digitale Fahrerinstrumentarium und der Touchscreen führen mit physischen Bedienelementen eine weitgehend funktionale Koexistenz, die Fahrstufen werden per Tastendruck angesteuert, daran gewöhnt man sich rasch. Gut gefallen hat uns, dass es einen Drehknopf für die Lautstärke gibt, weniger beifällig haben wir die Notwendigkeit registriert, sich zum Einschalten der Sitzheizung in ein Menü des Infotainmentsystems begeben zu müssen, das aber zumindest erfreulich logisch aufgebaut und durchstrukturiert ist. Apropos Sitzen: Im Topmodell “La Prima” weist der elektrisch verstellbare Fahrersitz eine Massagefunktion auf.

Auf kein Verständnis sind wir bei der Sprachassistenz gestoßen, das Online-Abonnement sei abgelaufen, hat uns der Testwagen wissen lassen.

Wie viel Platz er hat:

Im Gegensatz zum 500 ist der 600 ein Fünftürer und ein Fünfsitzer, allein das macht ihn schon praktikabler. Allerlei nützliche Ablagen stehen bereit, und wer nicht gerade von Basketballer-Format ist, den wird auch der Fond einigermaßen gut und gemütlich unterbringen. Verschieben lässt sich die Hinterbank nicht. Das Gepäckabteil ist mit 360 bis 1231 Litern ausreichend groß dimensioniert, beim Befrachten muss allerdings eine verhältnismäßig hohe Ladekante überwunden werden, und nach Umklappen der Rücksitzlehnen entsteht keine komplett ebene Ladefläche. Auf einen “Frunk” unter der Fronthaube verzichtet der 600, zumindest die “La Prima”-Variante bietet aber einen doppelten Kofferraumboden, so lassen sich die Ladekabel aus dem Weg schaffen. Eine Anhängevorrichtung wird nicht angeboten, wer wenigstens Fahrräder huckepack nehmen möchte, muss sich im Zubehörhandel nach einer geeigneten Vorrichtung umsehen.

Was ihn antreibt:

Ein bis zu 115 kW/156 PS starker Elektromotor, der ein maximales Drehmoment von 260 Newtonmetern produziert und von einer Antriebsbatterie mit 54 kWh Kapazität (netto 51 kWh) gespeist wird.

Der Fiat 600 basiert auf der Mischplattform e-CMP des Stellantis-Konzerns. Das bedeutet, dass der Italiener nicht nur für Elektroantrieb gemacht ist: Alternativ sind zwei Mildhybridvarianten mit 74 kW/100 PS oder 100 kW/136 PS erhältlich.

Wie er sich fährt:

Fahrtechnisch serviert der 600e solide elektrische Hausmannskost. Dass die Passagiere beim Beschleunigen von der sprichwörtlichen Faust in die Sitze gepresst werden, lässt sich nicht behaupten, aber eine solche Vehemenz erwartet von einem City-Crossover auch niemand. Die gebotene Leistung – dosierbar über die drei Fahrmodi Eco, Normal und Sport – reicht völlig aus, zügig und leise geht es voran, so soll elektrisches Fahren sein. Dem Fahrwerk haben die Fiat-Ingenieure eine schwerpunktmäßig komfortable Abstimmung anerzogen, auch das überzeugt. Abstandstempomat und Verkehrszeichenerkennung funktionieren tadellos, und dass es zum Rekuperieren nur eine, per B-Taste zu aktivierende Stufe gibt, hat uns genügt. Wollte man irgendwo herummäkeln, dann höchstens an der ziemlich leichtgängigen und gefühllosen Lenkung.

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Wie weit er kommt:

Fiat gibt die Reichweite mit bis zu 409 Kilometern im kombinierten Stadt-Land-Autobahn-Mix an, auf rein innerörtlichen Wegen sollen maximal 604 Kilometer möglich sein. Die Reichweitenanzeige unseres Testwagens hat nach jeder Vollladung beharrlich 400 Kilometer im Normal-Modus versprochen. Das ist im Alltag realistisch, sofern man überwiegend durch die Stadt stromert und sich nicht gerade auf die Autobahn begibt. Stellt man dort den Tempomat auf Richtgeschwindigkeit 130, wird nach etwa 250 Kilometern ein Ladestopp erforderlich, die Batterie ist halt nicht allzu groß. Trotzdem lässt sich die Langstrecke zwischendurch gut machen. Unser Beisammensein mit dem 600e hat allerdings bei sommerlich milden Temperaturen stattgefunden. Im Winter dürfte sich der Aktionsradius verengen.

Die Fahrmodi haben auch Einfluss auf die Reichweite. “Sport” kostet gegenüber “Normal” etwa 20 Kilometer, “Eco” hingegen gewinnt diese Distanz hinzu.

Wie viel er verbraucht:

Je nach Fahrprofil haben wir zwischen 13,5 und 18,2 kWh/100 km festgehalten und als Schnitt schließlich 15,9 kWh notiert. Das ist ein ordentlicher Wert, verschwenderisch geht der 600e nicht mit dem Fahrstrom um.

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Wie er lädt:

Wechselstrom-Laden (AC) funktioniert mit 11 kW. Damit kommt man gut klar, wenn das Auto über Nacht an die heimische Wallbox angeschlossen wird. Geht es aber darum, den 600 an der öffentlichen Ladestation zu “betanken”, wo die Aufenthaltsdauer nicht selten auf vier Stunden begrenzt ist, wäre ein stärkerer 22-kW-Onbordcharger durchaus wünschenswert.

An der Schnellladestation (DC) verarbeitet der 600e bis zu 100 kW. Kein Wert, mit dem allzu viel Staat zu machen ist, der aber zumindest erreicht, sogar etwas übertroffen und auch gut gehalten wird, bevor die Ladekurve ab etwa 80 Prozent Akkufüllstand wie üblich abfällt.

Leider lässt sich das Laden nicht automatisch auf einen bestimmten Füllstand begrenzen. Das ist deshalb ein Manko, weil es der Gesundheit des Akkus dient, wenn er nur zu 80 bis 90 Prozent befüllt wird.

Das Navi macht darauf aufmerksam, wenn das eingegebene Ziel nicht mit dem aktuellen Batterieladestand zu erreichen ist und bietet für diesen Fall an, nach Ladestationen entlang der Strecke zu suchen. Eine wirkliche Laderoutenplanung wird aber nicht ausgearbeitet. Auch eine Batterievorkonditionierung gibt es nicht.

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Was er bietet:

Das Basismodell “Red” bringt unter anderem Voll-LED-Scheinwerfer, elektrisch verstellbare Außenspiegel, ein digitales Fahrerdisplay, Infotainmentsystem mit Apple CarPlay und Android Auto, Klimaautomatik sowie Fahrhelfer wie Tempomat und Verkehrszeichenerkennung mit. Im 600e “La Prima” sind darüber hinaus 18-Zoll-Leichtmetallfelgen, ein sechsfach elektrisch verstellbarer Fahrersitz mit Massagefunktion, Sitzheizung vorne, Navi, Adaptivtempomat inklusive Stauassistent, 360-Grad-Parksensoren, Rückfahrkamera und die elektrische Heckklappe anwesend, außerdem ein umfangreicheres Sortiment an Fahrassistenzsystemen. Und: Die Farbauswahl erweitert sich über die Grundtöne Rot, Weiß und Schwarz hinaus.

Nicht fündig wird die Kundschaft bei Posten wie Panoramadach, Lenkradheizung oder Head-up-Display.

Was er kostet:

Als “Red” ab 36.490 Euro, der “La Prima” vollzieht einen Preissprung auf 42.490 Euro. Zu Vergleich: Der 600 Hybrid mit 74 kW/100 PS steht schon ab 24.990 Euro in der Preisliste.

Was wir meinen:

Der 600e kann die Charmeoffensive der kleinen Knutschkugel 500 nicht ganz in eine höhere Fahrzeugklasse übersetzen, sammelt aber trotzdem erfolgreich Sympathiepunkte. Und er hat dem kleinen Bruder sehr vernünftige Vorteile wie das ordentliche Platzangebot und die guten Fahreigenschaften voraus, die er mit einer Portion Vergnüglichkeit zu würzen weiß. Reichweite und Ladeleistung sind nicht top, reichen für den Alltag jedoch aus. Auch der Preis stimmt. Wer sich die volle Dolce-Vita-Dosis Schick und Lifestyle gönnen möchte, muss freilich den “La Prima” wählen, dem dann gleich ein ambitionierteres Preisschild anheftet.

Ulla Ellmer

Die Daten des Fiat 600e

Antrieb: Permanenterregter Elektromotor. Automatisches Eingang-Reduktionsgetriebe. Frontantrieb.

Leistung: 115 kW/156 PS

Max. Drehmoment: 260 Nm

Batterietyp: Lithium-Ionen

Batteriekapazität: 54 kWh brutto, 51 kWh netto

Ladeanschluss: AC Typ 2, DC CCS

Ladeanschluss: AC 3-phasig bis 11 kW, DC bis 100 kW

Höchstgeschwindigkeit: 150 km/h (abgeregelt)

Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 9 sec

Reichweite WLTP kombiniert: 409 km

Normverbrauch WLTP: 15,2 – 15,1 kWh/100 km

Testverbrauch: 15,9 kWh/100 km

CO2-Emission: 0 g/km

Energie-Effizienzklasse: A

Länge: 4,17 m

Breite: 1,78 m ohne, 1,98 m mit Außenspiegeln

Höhe: 1,52 m

Gepäckraum: 360 – 1231

Leergewicht: 1595 kg

Zul. Gesamtgewicht: 2025 kg

Zuladung: 430 kg

Anhängelast: –

Versicherungs-Typklassen: 15 (KH), 25 (VK), 18 (TK)

Preis: Ab 36.490 Euro

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