Mit dem neuen G90 fordert Genesis die etablierte Luxusklasse heraus. © Foto: Genesis
Mit dem neuen G90 fordert Genesis die etablierte Luxusklasse heraus. In Korea und den USA fährt die Premium-Limousine bereits. Jetzt überlegt die noble Hyundai-Tochter ihr Flaggschiff auch nach Deutschland zu bringen.
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Bereits im Dezember 2021 debütierte die Luxuslimousine in Korea und verkaufte sich auf dem Heimatmarkt bislang über 20.000-mal. 2022 folgte die Premiere in den USA, das renommierte US-Automagazin “Motor Trend” kürte den G90 jüngst zum “Car of the Year 2023”. Und noch eine Auszeichnung, die Genesis beim Aufstieg in die Welt der Schönen und Reichen gerne mitnimmt. Im aktuellen J.D. Power-Ranking, dem größten Report zur Kundenzufriedenheit in den USA, belegte der koreanische Newcomer gerade Platz zwei hinter Lexus. Zum Vergleich: Mercedes landete auf Rang 27.
Genesis G90 fährt recht staatstragend vor
Genesis G90
Vorne lässt der Korea-Cruiser mit seinem stilprägenden Kühlergrill keinen Zweifel daran, zu welcher Familie er gehört. Dabei beleuchten die schmalen, übereinander positionierten Scheinwerfer und die doppelstöckigen Blinker schon mal den Weg, den Genesis optisch einschlagen wird. Das “Two-Line-Design” mit zwei parallel verlaufenden Leuchtstreifen rund ums Fahrzeug, werden in Zukunft alle neuen Genesis tragen. Die beiden Linien treffen sich am coupéhaft abfallenden Heck des G90 wieder, unter der Klappe klafft ein riesiger Schlund, großzügig bemessen, selbst für die Celebritys, die ständig im Rampenlicht stehen.
Zwischen den Achsen streckt sich ein üppiger Radstand von 3,18 Meter, der erahnen lässt, dass es auch im Innenraum nicht wirklich eng wird. Schon in der Kurzversion geht es hinten so luftig und luxuriös zu, wie es Menschen erwarten, die vom Rücksitz aus ein Imperium lenken. In der Long Wheel Base-Version mit 3,37 Meter Radstand hat man hinten Schwierigkeiten, den Fahrer in der Ferne zu erkennen.
Auf dem Chefsessel Platz genommen, gleitet der Beifahrersitz wie selbstverständlich nach vorne. Die Loungeliege (Standard beim Long Wheel Base) gleicht einer belederten Recamere mit Massagefunktion, elektrisch verstellbarer Rückenlehne, kuschelweichem Kopfkissen und gleichfalls elektrisch ausfahrbarer Fußstütze. Airlines nennen so etwas gemeinhin Business-Class, was allerdings den Charakter dieses exklusiven Teils nur unzureichend trifft. Türen öffnen und schließen ein Stück weit elektrisch, über sein eigenes Touchpad befehligt der Herrscher im Fond einen ganzen Hofstaat, der ihm das Leben auf Reisen so angenehm wie möglich macht. Bis hin zum grandiosen Bang & Olufsen-Soundsystem, das mit der Power von 1.700 Watt 23 Lautsprechern so glasklare Töne entlockt, als säße ein ganzes Orchester mit im Auto. Nach zwei Minuten Beschallung, wächst dir Gänsehaut in den Ohren.
Man mag kaum nach vorne wechseln, denn zweifellos spielt beim G90 die Musik hinten. Dabei ist der Platz für den Steuermann keine Spur spartanischer. Auch vorne bleibt Genesis seiner klassischen Linie treu und verzichtet auf einen Overkill an technischem Gedöns in Form von riesigen Hyper Screens, wie ihn zum Beispiel Mercedes in die S-Klasse einbaut. Der mittlere Monitor des G90 ist allemal groß genug und von ebenso brillanter Klarheit wie das digitale Cockpit. Auffällig, wie viele Knöpfe und Tasten Genesis rund um die Kommandozentrale verteilt. Alle wesentlichen Funktionen sind so direkt und schnell anwählbar. Konservativ und clever. Früher war nicht alles schlechter. Die Verarbeitung scheint tip top, die Materialien sind von hoher Güte. Nur leider schafft es auch Genesis wieder, Leder so lange zu foltern und zu knechten, bis auch wirklich die letzte Struktur verschwunden ist und es ausschaut wie schnöder Kunststoff. Asiaten mögen keine Tiere im Auto.
Genesis GV80 Coupé Concept
Wohlstandsspeck, den man spürt
Als Antrieb für sein prestigeträchtiges Zugpferd wählte Genesis einen 3,5 Liter-Sechszylinder Turbo aus dem Konzernbaukasten kombiniert mit einer sanft schaltenden Achtgangautomatik von ZF, die spontane Gangwechsel allerdings gerne anderen überlässt. Elektrifizierte Antriebe sind nicht geplant. In der Kurzversion leistet der Benziner 280 kW / 380 PS und beim Langen 305 kW / 415 PS. Das Plus verdankt er einem 48 Volt starken Supercharger. Dieser hilft der Stretchlimo schneller auf Touren zu kommen. Schließlich hat der von uns gefahrene G90 LWB mit über 2,3 Tonnen noch einmal über 200 Kilo mehr zu schleppen. Allradantrieb ist bei ihm ebenso Standard wie das Luftfahrwerk oder die Hinterradlenkung. Wohlstandsspeck, den man spürt. Von Natur aus eher arm an sportlichem Ehrgeiz, nimmt der G90 schnell gefahrene Kurven mit ausgeprägter Gemütlichkeit. Zweifellos sind Siebener, Audi A8 oder S-Klasse hier flinker auf den Beinen und deutlich wacher im Kurswechsel. Auch wenn unser Testwagen noch mit dem koreanischen Setup unterwegs war, steht fest: Will man in der Höhle der Löwen bestehen, muss sich Genesis künftig auch fahrdynamisch an der Finesse und Erfahrung der deutschen Luxusliner orientieren und messen lassen.
Beim Komfort fährt der G90 bereits auf Augenhöhe. Solange es geradeaus geht, ist er ein Gleiter erster Güte. Ein Verwöhner, der den Stress aussperrt, wie das dicke Akustikglas die Windgeräusche. Viel kommoder, entspannter und feudaler lässt es sich auf vier Rädern kaum reisen, wir erwähnten es schon: am besten hinten rechts.
In Korea kostet diese Seelenmassage umgerechnet 64.700 Euro, auf dem Kaufvertrag für die Langversion mit allem Zipp und Zapp stehen rund 118.700 Euro. Wann der G90 zu uns kommt, welche Versionen es dann geben wird und zu welchem Preis, steht alles noch nicht fest. Das dauert seine Zeit. Und Zeit ist ja bekanntlich Luxus.