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„Es ist das passiert, was ich befürchtet habe“

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„Es ist das passiert, was ich befürchtet habe“

„es ist das passiert, was ich befürchtet habe“

Gehören fast zusammen: Die Topathleten und die Motorräder und Kameraleute beim Ironman Hawaii. imago images

Helmut Storck führte eine Motorradstaffel für die Veranstalter Challenge und Ironman – das Risiko blendete er lange aus.

Helmut Storck erschaudern die Bilder noch immer. Natürlich hat sich auch der frühere Inhaber einer Fahrschule in Bruchsal das erschreckende Video vom Ironman Hamburg angesehen, als ein 70 Jahre alter Motorradfahrer im Gegenverkehr mit einem Radfahrer kollidierte und anschließend seinen Verletzungen erlag. Der tödliche Unfall hat die Triathlon-Szene erschüttert – und hat gerade ihn noch nachdenklicher gemacht: „Ich war geschockt: Es ist genau das passiert, was ich immer befürchtet habe.“

Der 72-Jährige hat fast zwei Jahrzehnte beim Triathlon im Kraichgau, bei dem oft genug Stars wie Jan Frodeno für einen smarten Einstieg in ihre Saison an den Start gingen, selbst ein Motorrad durch das Geflecht aus Amateuren und Profis, aus Frauen und Männer unterschiedlicher Leistungsstufen gelenkt, hat auf unterschiedliche Straßenbeläge, auf Sicherheitspersonal, Absperrungen und Zuschauer:innen geachtet. Einen schlimmen Unfall gab es unter Regie des ausgebildeten Motorradinstruktors glücklicherweise nie.

2005 gründete sein Verwandter Björn Steinmetz ein Event, das zunächst Triathlon Festival Kraichgau hieß, dann zu einem Challenge-Rennen wurde, ehe es seit 2015 als Ironman 70.3 Kraichgau firmiert. Die Aktiven nehmen hier die halbe Strecke mit 1,9 Kilometer Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren und 21 Kilometer Laufen auf sich. Die Radstrecke durchs „Land der 1000 Hügel“ hält ebenso einen Gegenverkehr wie an der Unglücksstelle am Elbdeich parat. „Eigentlich ist es auch dort zu schmal“, sagt Storck, der viele Jahre das Sagen über die dort eingesetzte Motorrad-Staffel hatte.

„es ist das passiert, was ich befürchtet habe“

Helmut Storck und sein Mottorad.

Die steigende Gefahr hat er über die Kommerzialisierung und Inszenierung durch die Veranstalter Challenge und Ironman, die nun an den nächsten beiden Wochenenden die großen Langdistanz-Events in Roth und Frankfurt ausrichten, zwar selbst miterlebt, aber irgendwie zu lange ausgeblendet, sagt er heute. Am Anfang seien vielleicht 15 Motorradfahrer dabei gewesen – und entsprechend entspannt war man unterwegs. „Dann wurde es größer und größer.“ Irgendwann waren 70 Motorräder gefragt. Für die Kampfrichter und Presseleute, erzählt er, „die sich natürlich gewünscht haben, dass wir ganz dicht ranfahren“. Oft hätten die Athleten gemeckert, „sie haben sich nicht wohlgefühlt“.

Storck steuerte oft das Führungsfahrzeug, stellte die Crew zusammen. Ein Problem sei gewesen, dass durch den steigenden Bedarf irgendwann die ihm bekannten Fahrlehrer und geübten Fahrer nicht mehr ausgereicht hätten. Der Kreis wurde zwangsläufig erweitert, „und irgendwann war ich schon gottfroh, wenn manche Leute ihr Motorrad festhalten konnten.“ Er hätte am Ende nicht mehr die Hand für jeden ins Feuer legen können, dass er wirklich seine Maschine in heiklen Situationen beherrscht. Die Auswahl wie die Bezahlung obliegt jedem Veranstalter selbst. Storck ist lange im Grunde ehrenamtlich gefahren, „da gab es mal einen Tankgutschein für 25 Euro, später nach dem Besitzerwechsel zu Ironman haben wir 70, 80 Euro bekommen.“

Appell an die TV-Teams

Wenig Entschädigung für viele Gefahren. Er erinnert sich noch gut, wie er einmal wegen einer auf die Straße eilenden Mutter mit Kindern abrupt abbremsen musste – und hinter ihm der Weltklassetriathlet Sebastian Kienle an ihm vorbeischoss. „Schlaftablette“ hätte ihm der Hawaii-Sieger von 2014 zugerufen, da Kienle die Ursache des Bremsmanövers nicht erkannte. „Als ich ihn nach den Rennen drauf angesprochen habe, konnte er sich an nichts erinnern: Viele Triathleten sind völlig im Tunnel.“ Was dem Motorrad-Organisator wichtig ist: seine Gruppe sei immer mit Leidenschaft, Freude, und Engagement dabei gewesen.

Nichtsdestotrotz plädiert Storck als Lehre aus dem schrecklichen Ereignis vom 4. Juni ausdrücklich für eine Kurskorrektur: deutlich weniger Kampfrichter auf dem Motorrad, so gut wie keine Medienvertreter mehr. Der an dem tragischen Zwischenfall beteiligte 27 Jahre alte Sportler erlitt an jenem Sonntag schwere, aber keine lebensgefährlichen Verletzungen. Der 50 Jahre alte Kameramann auf dem Motorrad wurde leicht verletzt und erlitt einen Schock.

Storck würde sich bei den Fernsehanstalten wünschen, „dass die Kameraleute auf den Motorrädern ihre Kamera nicht mehr wenige Zentimeter über dem Asphalt halten.“ Ergebe zwar schöne Bilder, sei aber zu gefährlich. Im Nachhinein schüttelt er über sich selbst den Kopf, dass er jeden Wunsch erfüllt habe: „Was die von uns gefordert haben, haben wir geliefert.“ So ginge es nicht mehr weiter.

„Sicherheit muss vorgehen“

Die Challenge-Organisatoren haben solche Konsequenzen gezogen. Die Zahl der motorisierten Begleitung wird für die mit Abstand am besten besetzte Veranstaltung auf der Langdistanz am kommenden Sonntag drastisch reduziert. Geschäftsführer Felix Walchshöfer hatte das sofort angekündigt, um für 3500 Einzelstarter, 650 Staffeln, 6000 Helfer und mehr als 100 000 Fans im Triathlon-Mekka mehr Sicherheit zu schaffen. „Roth ist das erste große Rennen nach Hamburg, doch ich bin sehr selbstbewusst, was unsere Sicherheitskonzepte angeht.“ Auf der Radstrecke würde zusätzlich in Prallschutzmatten investiert, die man auch vom Skifahren kenne.

Ob ähnliche Maßnahmen auch für den Ironman Frankfurt (2. Juli) umgesetzt werden, wo ähnlich viele Teilnehmer auf der Strecke erwartet werden, teilten die Organisation auch auf mehrfache Anfrage nicht mit. Europa-Chef Oliver Schiek ist offenbar die Kommunikation aus der Firmenzentrale in Florida entrissen worden, aber für einen wie Helmut Storck steht fest, dass es bei allen Interessenskollisionen für jedes Triathlon-Großereignis nur noch heißen darf: „Die Sicherheit muss immer vorgehen.“

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