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Fluchen, beleidigen, Stinkefinger zeigen: Das kann teuer werden!

Im Straßenverkehr kochen die Emotionen oft hoch – und machen sich dann in üblen Beleidigungen Luft. Doch wer sich nicht im Griff hat, riskiert strenge Bestrafung.

fluchen, beleidigen, stinkefinger zeigen: das kann teuer werden!

Diskutieren ja, beleidigen nein: In besonders schweren Fällen droht sogar eine Freiheitsstrafe. ampnet/ADAC

Siegfried Brockmann war “entsetzt”. Die Unfallforschung der Versicherer (UDV), der er als Chef vorsteht, hatte wissen wollen, wie es um die Aggressivität im Straßenverkehr bestellt ist und eine große Befragungsstudie durchgeführt. Das Ergebnis, vorgestellt im vergangenen November: Immer rücksichtsloser geht man miteinander um, drängelt, räumt die Überholspur mit der Lichthupe frei, überholt rechts oder erzwingt die Vorfahrt.

Rund die Hälfte der befragten Studienteilnehmer gab an, dass sie sich zumindest gelegentlich gleich abreagieren müsse, wenn sie sich geärgert habe – 2016 hatte der Wert noch halb so hoch gelegen. Dem Unmut wird gern auch mithilfe von Beleidigungen, Beschimpfungen oder abfälligen Gesten Luft gemacht. Aus der Anonymität und dem Schutzraum eines Auto-Cockpits heraus fällt das besonders leicht, man kennt sich nicht persönlich und macht sich im Zweifel schnell von dannen.

Kaum einer schimpft nie

Auch das auf Dashcam-Technologie spezialisierte Unternehmen Nextbase und das Meinungsforschungsinstitut YouGov haben sich unlängst unter Autofahrern umgehört. Lediglich eine Minderheit von 16 Prozent der befragten Männer erklärte dabei, niemals während der Fahrt Schimpfwörter zu benutzen, bei den Frauen waren es nur unwesentlich weniger, nämlich 14 Prozent. Vor allem Jüngere leisten sich Entgleisungen: Gerade einmal fünf Prozent der 18- bis 24-Jährigen gab zu Protokoll, das Fluchen bleiben zu lassen, während die offensichtlich gelassenere Altersgruppe der mindestens 55-Jährigen zu 17 Prozent ohne Verbalinjurien auskommt.

Der “Idiot” liegt vorne

Die unrühmliche Hitliste der beliebtesten Ausdrücke wird von “Idiot” angeführt, gefolgt von “A…ch”, Penner, Blödmann und Depp. An kreativen Wortneuschöpfungen hielten die Interviewer beispielsweise Blindflansch, Bananenhirn, Beilagenaufesser oder Unappetitliches wie Kloreinigerpimmelknecht fest.

Kein Kavaliersdelikt

Manches davon mag lustig klingen. Doch “Beleidigungen im Straßenverkehr sind kein Kavaliersdelikt”, wie der ADAC warnt. In Paragraf 1 der Straßenverkehrsordnung steht ausdrücklich geschrieben, dass die Teilnahme am Straßenverkehr “gegenseitige Rücksichtnahme” erfordert, Beschimpfungen gehen damit nicht konform – egal übrigens, ob sie von Autofahrern, Radlern oder Fußgängern kommen. Sabine Brandl, Juristin bei der Ergo-Versicherung, zitiert darüber hinaus das Strafgesetzbuch: “Beleidigungen sowie abwertende Gesten sind laut Paragraf 185 StGB Straftaten und können eine Geld- und im schlimmsten Fall eine Freiheitsstrafe nach sich ziehen”. Unter Umständen stehen auch ein zeitweiliges Fahrverbot oder sogar ein Führerscheinentzug im Raum, bei grob verkehrswidrigem Verhalten kann zur Wiedererlangung eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) angeordnet werden. Denkbar ist auch, dass der Täter beziehungsweise die Täterin Schmerzensgeld zahlen muss. Flensburg-Punkte drohen seit der Neuregelung des Punktesystems indes nicht mehr.

Einen exakten Strafenkatalog, der sich wie bei Tempoverstößen oder Alkoholfahrten an bestimmten Grenzwerten festmacht, gibt es für Kränkungen in Wort- oder Gestenform nicht. “Gerichte entscheiden hier im Einzelfall”, sagt Sabine Brandl, berücksichtigt würden Faktoren wie die Situation, die Schwere der Beleidigung und mitunter auch der Tonfall. Was zu entrichten ist, wird in Tagessätzen berechnet. Ein Tagessatz entspricht einem Dreißigstel des monatlichen Nettoeinkommens.

4000 Euro für den Stinkefinger

Einen Anhaltspunkt, was wie viel kosten kann, liefern Gerichtsurteile. Das Herausstrecken der Zunge wurde demnach mit 150 Euro geahndet, ein unflätiges “du blödes Schwein” mit 475 Euro, das Duzen eines Polizisten mit 600 Euro, “Idiot” mit 1500 Euro, die Scheibenwischer-Geste mit 1000 Euro und der Stinkefinger mit 4000 Euro. Auch das vermeintlich schlaue Verpacken einer Beleidigung in den Konjunktiv beziehungsweise eine Androhung bleibt nicht folgenlos: “Am liebsten würde ich jetzt A…ch zu dir sagen” hatte ein Bußgeld von 1600 Euro zur Konsequenz. Straffrei blieben laut ADAC schon einmal “Das ist doch Korinthenkackerei” zu einem Parkwächter, “Wegelager” zu einem Polizisten oder “Parkplatzschwein” gegenüber einem Falschparker. Als Freibrief, selbst zu einer solchen Entgleisung ansetzen zu dürfen, sollte man das freilich nicht verstehen.

Filmen oder fotografieren? Besser nicht

Gefallen lassen muss man sich Beschimpfungen und böse Gesten grundsätzlich nicht. Allerdings ist es nicht ganz einfach, einen Nachweis für die Beleidigung zu erbringen. Zunächst einmal muss innerhalb von drei Monaten Strafantrag bei der Polizei gestellt werden, eine einfache Anzeige reicht nicht aus. Dann ist es erforderlich, dass der Täter/die Täterin zweifelsfrei identifiziert werden kann. Das Kennzeichen ist keine Hilfe, denn die beleidigende Person war womöglich jemand anderes als der Fahrzeughalter. Gut ist es, wenn man eine möglichst exakte Personenbeschreibung liefern und am besten auch Zeugen benennen kann. Geradezu ideal erscheint das Beibringen von Foto- oder Videomaterial. Doch das geht unter Umständen nach hinten los. “Je nach Situation kann dies ein eigener Verstoß gegen fremde Rechte sein”, warnt Juristin Sabine Brandl. Schlussendlich ist es dann der oder die Beleidigte selbst, die sich einem Bußgeldverfahren ausgesetzt sieht.

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