Finanzen

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Elektroautos in Ostdeutschland besonders unbeliebt: Woran liegt es?

elektroautos in ostdeutschland besonders unbeliebt: woran liegt es?

Das Streichen der Kaufprämie für E-Autos in Deutschland Ende 2023 hat die Nachfrage nach Elektroautos einbrechen lassen. Außerdem mangelt es an ausreichend Ladesäulen.

Der Plan der Bundesregierung, 15 Millionen Elektroautos bis 2030 auf die deutschen Straßen zu bringen, steht weiterhin auf dem Bremspedal. Die Nachfrage nach vollelektrischen Pkw ging in den letzten Monaten kontinuierlich zurück. Im ersten Quartal 2024 wurden laut Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts 81.337 Elektroautos neu zugelassen und damit 14,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, allein im März wurden im Vergleich zum Vorjahresmonat mehr als ein Viertel weniger E-Autos zugelassen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Portals Motointegrator zeigt, dass Elektroautos in Ostdeutschland noch unbeliebter sind als im Westen, die Berliner Zeitung berichtete. Ostdeutschland liegt demnach mit einem Anteil von nur 1,55 Prozent Elektroautos deutlich hinter dem Westen mit 3,10 Prozent.

Als möglichen Grund gab die Studie die unterschiedlichen Durchschnittsgehälter in West- und Ostdeutschland an. Im Osten liegt das durchschnittliche Bruttojahresgehalt demnach bei 37.200 Euro, in Westdeutschland dagegen bei 44.204 Euro. Ein Elektroauto unter 30.000 Euro ist kaum zu finden. Doch ist das niedrigere Einkommen die einzige Ursache für das geringere Interesse der Ostdeutschen an den Elektroautos?

Zur Erreichung des 15-Millionenziels ist eine flächendeckende und leistungsstarke Ladeinfrastruktur von zentraler Bedeutung. Für den Ausbau dieser Infrastruktur ist in Deutschland die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur unter dem Dach der bundeseigenen Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (Now GmbH) verantwortlich. In einem vor rund einem Jahr veröffentlichten Masterplan gab die Bundesregierung das „Ziel von einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglicher Ladepunkte im Jahr 2030“ aus. Dadurch solle „Deutschland zum globalen Leitmarkt für E-Mobilität werden“, hieß es in dem Plan.

Tatsächlich ist der aktuelle Ausbau noch nicht annähernd auf diesem Niveau, wie die Now GmbH auf Anfrage der Berliner Zeitung bestätigte. Derzeit seien in Deutschland „rund 115.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte in Betrieb“, sagte eine Sprecherin. Das entspricht gerade einmal etwas mehr als einem Zehntel des ambitionierten Ziels der Ampel.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) beklagte gegenüber der Berliner Zeitung, dass der Nachholbedarf hier noch enorm sei. „In rund 40 Prozent aller Gemeinden gibt es keinen einzigen öffentlichen Ladepunkt, in drei Viertel keinen einzigen öffentlichen Schnellladepunkt.“ Für einen flächendeckenden Umstieg auf Elektroautos müssten gute Rahmenbedingungen geschaffen werden. „Diese Rahmenbedingungen stimmen aktuell nicht, hier hat die Politik noch viele Aufgaben zu bewältigen“, kritisierte der Verbandssprecher die Ampel.

In Ostdeutschland scheint das Problem noch größer zu sein als im Westen. Die Now GmbH bestätigt große Unterschiede beim Ausbau im Vergleich zu Westdeutschland. Von den knapp 115.000 Ladestationen in Deutschland „fallen davon 98.000 auf die westdeutschen Bundesländer, auf die ostdeutschen Länder etwa 17.000“, sagte die Sprecherin des Unternehmens. Somit gibt es im Osten der Republik fast sechsmal weniger Ladesäulen als im Westen. Die folgende Grafik aus der Studie von Motointegrator verdeutlicht die Unterschiede zwischen Ost und West bei den Gesamtzulassungen von Elektroautos.

Wenn man den Umstand berücksichtigt, dass in Westdeutschland deutlich mehr Menschen leben als im Osten, bleibt trotzdem noch eine Unterversorgung in Ostdeutschland erkennbar. „In Relation zur Einwohnerzahl stehen in Westdeutschland 1,46 Ladepunkte pro 1.000 Einwohner zur Verfügung, in Ostdeutschland insgesamt 1,05“, bestätigt die Sprecherin der Now GmbH.

Die Versorgung der Besitzer von elektrischen Pkw sei in Ostdeutschland zwar gesichert. Das liege allerdings auch daran, dass dort im Verhältnis nur halb so viele Einwohner auch ein Elektroauto besitzen. Auf 1.000 Einwohner fallen in Westdeutschland 32,06 E-Autos, im Osten sind es lediglich 16,02.

Dass die größere Abneigung gegenüber Elektroautos im Osten etwas mit einer möglichen geringeren Stabilität des Stromnetzes zu tun haben könnte, bestreitet derweil der größte regionale Verteilnetzbetreiber, die Mitteldeutsche Netzgesellschaft Strom, gegenüber der Berliner Zeitung. In der jüngeren Vergangenheit gab es immer wieder Berichte über Stromausfälle und Engpässe in der Versorgung, beispielsweise in Oranienburg bei Berlin. Trotzdem seien die Unterbrechungen der Stromversorgung in den letzten Jahren eher geringer geworden, wie eine Sprecherin des Netzbetreibers mit Verweis auf die Daten der Bundesnetzagentur bekräftigt. „Die Stabilität und Sicherheit des Netzes sind gewährleistet.“

Der deutliche Unterschied zwischen Ost und West zeigt: Die östlichen Bundesländer werden bei Zukunftstechnologien abgehängt. Das beeinträchtigt das Vertrauen in die Politik. Wie Daten einer Studie der Universität Jena belegen, fühlen sich Menschen in Ostdeutschland doppelt so häufig abgehängt wie Menschen in Westdeutschland (19 Prozent zu acht Prozent). Damit einhergehend hätten laut der Studie in Ostdeutschland mehr Menschen den Eindruck, dass sich die Politik nicht ausreichend für ihre Region interessiere und sich zu wenig für deren wirtschaftliche Entwicklung einsetze.

„Die abrupt beendete Förderung für E-Autos hat die Verbraucher sehr verunsichert“, legt die VDA-Sprecherin nach. Möglicherweise hat diese Entscheidung die Menschen in Ostdeutschland noch stärker von E-Autos abkehren lassen als im Westen. In Westdeutschland wuchs deren Anteil 2024 um 0,86 Prozent, in Ostdeutschland dagegen lediglich um 0,42 Prozent.

Haben Sie Feedback? Schreiben Sie uns gern! [email protected]

TOP STORIES

Top List in the World