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Ein Fahrzeug kann eine Waffe sein : Die Polizei sollte bei Autokorsos kein Auge mehr zudrücken

Ein 26-Jähriger rast im Rahmen von türkischen Jubelfeiern einen Rentner tot. Autokorsos werden mitunter als rechtsfreier Raum wahrgenommen. Das muss ein Ende haben.

ein fahrzeug kann eine waffe sein : die polizei sollte bei autokorsos kein auge mehr zudrücken

Türken feiern den Sieg ihrer Mannschaft und den Einzug ins Achtelfinale

Es gibt zwei Sachen, die sind in Deutschland unantastbar. Fußball und Autos. Ich bin ein großer Fan von beiden Dingen. Ich liebe Fußball und ich fahre gerne Auto. Was ich hingegen noch nie richtig verstanden habe, ist die Liebe zum Fußball über das Auto auszudrücken. Vielen Menschen in diesem Land geht das offenbar anders. Sobald ihre Mannschaft einen Sieg errungen hat, steigen sie in ihren Wagen, fahren hupend durch das Stadtzentrum, um dann meist nach wenigen Minuten im Stau stecken zu bleiben, weil Hunderte andere auf die gleiche Idee gekommen sind.

Dieses Phänomen ist allgemein unter dem Namen Autokorso bekannt und hat in Zeiten der Europameisterschaft natürlich Hochkonjunktur. Am Mittwochabend waren es türkische Fußballfans, die in endlosen Kolonnen Teile Neuköllns, Kreuzbergs und vor allem die City West um den Kurfürstendamm lahmlegten. Die überwiegende Mehrheit der Feiernden verhielt sich friedlich, die meisten Autofahrer befolgten die geltenden Verkehrsregeln.

Dennoch scheinen Jubeleskapaden in Form von Autokorsos immer wieder auch jene anzuziehen, die in den Korsos eine Chance sehen, all das zu machen, was sonst verboten ist. Motor aufheulen lassen, rote Ampeln überfahren oder übermäßiges Beschleunigen. Das ist zwar streng genommen auch in den Korsos verboten, kümmert aber meist niemanden und wird nur selten von der Polizei geahndet.

Jubeleskapaden in Form von Autokorsos scheinen immer wieder auch jene anzuziehen, die in den Korsos eine Chance sehen, all das zu machen, was sonst verboten ist.

Tagesspiegel-Autor Julius Geiler

Der furchtbare Tod eines Rentners in Berlin-Neukölln, der in der Nacht zu Donnerstag durch einen 26-jährigen Teilnehmer eines türkischen Autokorsos mit einem hochmotorisierten Fahrzeug tot gerast wurde, sollte in erster Linie dazu führen, innezuhalten. Als zweiter Schritt muss eine Diskussion über die allgemeine Sinnhaftigkeit des Autos bei Jubel- aber auch Protestveranstaltungen geführt werden.

Denn längst hat sich das motorisierte Fahrzeug auch im Rahmen von Demonstrationen etabliert. Zuletzt setzten Deutschlands Landwirte auf ihre Traktoren, um das Land von Ost nach West und Nord nach Süd lahmzulegen. Infolge dieser Traktoren-Blockaden kam es zu zahlreichen Unfällen, die teilweise tödlich verliefen.

Auch bei den Autokorsos kommt es in regelmäßigen Abständen zu schweren Unfällen. Es gibt so viele unterschiedliche Formen, seine Freude auf die Straße zu tragen. Die Schotten haben es vorgemacht, die Niederländer auch. Es fällt mir keine einzige Erklärung ein, warum ausgerechnet das Auto beim Feiern oder Protestieren eine Rolle spielen muss.

Ein Fahrzeug kann eine Waffe sein. Ein Verbot der Korsos wird in der Praxis kaum umsetzbar sein. Deswegen braucht es harte Strafen für die fast ausschließlich männlichen Täter. Ein Unfall wie jener in Neukölln muss als Tötungsdelikt gewertet werden. Die Strafe muss abschreckend wirken und junge, Tempo-motivierte Fahrer warnen. Die Zeit, in der bei Autokorsos als bunte Feier-Folklore auch von der Polizei gerne mal ein Auge zugedrückt wurde, muss vorbei sein. Der motorisierte Wahnsinn muss ein Ende haben.

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