Finanzen

Wirtschaft

Wirtschafts-nachrichten

Ein Fährbetrieb ganz ohne Subventionen

Überfahrt über den Main

Ein Fährbetrieb ganz ohne Subventionen

ein fährbetrieb ganz ohne subventionen

Sie hält tapfer Kurs: die Fähre über den Main in Offenbach-Rumpenheim. Annette Schlegl

Die Familie Dill setzt Autos, Räder und Fahrgäste seit 60 Jahren in Offenbach-Rumpenheim über den Main. Im Gegensatz zu vielen anderen Fähren stimmt hier der Umsatz.

Die morgendliche Rushhour ist vorbei – und trotzdem reihen sich am Ufer im Offenbacher Stadtteil Rumpenheim und am gegenüberliegenden Maintaler Ufer die Autos, die auf die Überfahrt über den Main warten. Sorgen, die andere Kollegen plagen, kennt Fährmann Udo Dill kaum bis gar nicht. Die Masse an Fahrzeugen, die er tagtäglich über den Fluss schippert, macht den Unterschied. „Wir sind wahrscheinlich die einzige Fähre am Main, die sich lohnt“, sagt er. Und das, obwohl der Fährbetrieb ohne öffentliche Zuschüsse auskommen muss. Die Mainfähre ist nämlich im Familienbesitz, wird privat in Form einer GmbH betrieben. Das heißt: Die Dills finanzieren alles aus eigener Tasche.

Fähre Rumpenheim ist schnellster Weg von der A66 nach Offenbach

Vor 60 Jahren kaufte Hans Dill, der bereits verstorbene Vater der heutigen Inhaber Udo und Winfried Dill, den Kahn der Stadt Offenbach ab. Heute ernährt der Fährbetrieb nicht nur die beiden Brüder, sondern auch zwei Rentner mit Fährpatent, die in Teilzeit am Ruder stehen, sowie 13 sogenannte Decksmänner – früher Schiffsjungen genannt –, die auf Minijob-Basis an Bord abkassieren und das Anlegetau am Ufer festmachen.

„Dass wir Gewinn machen, liegt an den guten Rahmenbedingungen“, sagt Udo Dill. Das heißt? „Unsere Autofähre ist der schnellste Weg von der Autobahn 66 aus Richtung Hanau nach Offenbach und umgekehrt.“ Die nächsten Autobrücken liegen gut fünf Kilometer weiter am Hafen in Offenbach sowie neun Kilometer weiter in Hanau-Steinheim. Deshalb gibt es „sehr viele, die täglich oder mehrmals die Woche hier rübermüssen“, erklärt er. Arbeiter:innen, Angestellte, Handwerker:innen und Lieferant:innen nutzen die Hochseilfähre mit Motorantrieb, die sie etwa alle fünf Minuten übersetzt. Auch das Navi führt so manchen von der Autobahn dorthin.

Ausflugsverkehr spielt nur Nebenrolle für den Umsatz der Mainfähre

Udo Dill gibt aber auch zu, es spiele ihm in die Karten, dass die Fähre zwischen Mühlheim und Maintal nicht mehr existiere. „Der Ausflugsverkehr spielt bei uns nur im Sommer eine Zusatzrolle“, sagt er. Deshalb konnte er vor zwei Jahren problemlos die Fährzeiten abends und am Wochenende reduzieren. „Am Umsatz merken wir dieseAusflusgsver Einschränkungen kaum.“

ein fährbetrieb ganz ohne subventionen

Mainfähren

Ein paar Flusskilometer weiter verkehrt eine Fahrzeugfähre, die von den Seligenstädter Stadtwerken betrieben wird. Sie verbindet Seligenstadt mit Karlstein auf der bayerischen Mainseite, fährt aber jedes Jahr hohe Verluste ein, obwohl Autofahrer:innen doppelt so viel wie in Rumpenheim für die Überfahrt bezahlen müssen. Doch dort ist das Schiff hauptsächlich für den Freizeittourismus im Einsatz, es fehlt an Berufspendlern, an wichtigen Verkehrsrouten und an Industrie. In Rumpenheim dagegen macht laut Dill „die Masse den Umsatz, nicht der Fahrpreis“. Dill verlangt 1,50 Euro pro Auto.

Weil es kaum noch Fährleute gibt, bildet Dill selbst einen Fährmann aus

„Mit dem, was die Fußgänger- und Radfahrerfähre Höchst an Umsatz macht, könnte ich nicht mal mein Personal bezahlen“, sagt er und geht davon aus, dass der dortige Kapitän Sven Junghans nicht ohne weitere Zuschüsse überleben kann.

Zugegeben: Fast hätten sich auch die Gebrüder Dill Sorgen machen müssen. Aber eben nur fast. Am 1. Mai ging nämlich ein festangestellter Fährmann in den Ruhestand; die Fähre wird jetzt im Schichtbetrieb in Minimalbesetzung gesteuert. Auf lange Sicht ist das natürlich nicht machbar, aber der Arbeitsmarkt für Fährleute ist leergefegt. Deshalb hat Udo Dill einen Deckmann mittleren Alters rekrutiert, den er auszubilden versucht. „Er muss 180 Tage Fahrzeit an Bord nachweisen, dann kann er eine Prüfung ablegen“, sagt er.

Bis 2028 wollen die Eigentümer der Rumpenheimer Fähre noch durchhalten

Sieben Tage die Woche stehen die Eigentümer am Ruder – außer von Weihnachten bis Ende März, wo an Sonn- und Feiertagen niemand übergesetzt wird. Eigentlich könnte Udo Dill schon in Rente gehen. Er ist 66 Jahre alt, sein Bruder Winfried 61. „Wir müssen zumindest noch so lange durchhalten, bis mein Bruder 66 Jahre alt ist und Rente bekommt“, sagt er. Ihre Gesundheitsprüfungen, die sie laut neuem EU-Recht alle fünf Jahre ablegen müssen, gelten noch bis 2027 beziehungsweise 2028. „Ob ich dann mit 70 noch Lust habe, am Ruder zu stehen?“, sinniert er und lässt den Satz unvollendet. Die drei Söhne der beiden Inhaber haben mit dem Fährbetrieb jedenfalls nichts am Hut. „Das ist kein sicherer Beruf für die Zukunft, man weiß nicht, ob man auf Dauer davon leben kann“, sagt Udo Dill.

Er ist sich aber sicher, dass er wirtschaftliche Probleme hätte, wenn es die Fähre Mühlheim noch geben würde. „Dann könnten weder wir noch die vom Fährbetrieb leben.“ Seiner Meinung nach arbeiten nämlich mehr Menschen im Homeoffice. Außerdem gebe es weniger Großfirmen in Offenbach – und damit auch weniger Berufspendler.

TOP STORIES

Top List in the World