Wohnmobile

Dieser Oldtimer wird als Familiencamper genutzt

1971 ist es endlich soweit: Hymer wagt erneut den Einstieg in den Markt der Reisemobile. Obgleich es den eigentlich gar nicht gibt. Aber so etwas wie den 550er hatte es zuvor ja auch nicht gegeben.

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© Andreas Weise

Danke nochmals für den netten Plausch im Rahmen der „Nostalgic Journeys“ der Classic Days Düsseldorf – 2024 finden diese vom 2. bis 4. August statt!

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© Andreas Weise

Das stilvolle, helle Wohnzimmer des Hymer 550, man achte auf die beiden Dachfenster, lässt sich vom Führerhaus abtrennen. Raum für den Spielenachmittag mit Sohnemann Linus bleibt dennoch.

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© Andreas Weise

Lässige Eckkneipe aus den Zeiten von Eierlikör und Plattenspieler. Oldiefans lieben solche Details.

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Der Gasboiler ist so original wie funktionsfähig – und er wird denn auch genutzt, das Frischwasserdepot misst mal eben 100 Liter.

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Nirosta sagte man und meinte Edelstahl. Spüle und Herd sind bis heute im Einsatz und bei Nichtgebrauch unter einer Arbeitsfläche verborgen.

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Bückware: Die Bedienleiste des Silo-Kühlschranks sitzt ganz tief unten.

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Funkensprüher: Der Herd will noch händisch entfacht werden, gerne stilvoll.

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Auch an Stauraum mangelt es dem 550er nicht, da bleibt sogar Platz für eine coole Auslegeware oder die Topfpflanze.

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Guido hat den Dachträger um zwei Zentimeter angehoben.

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© Andreas Weise

Damit die Leiter, die stützt sich am Zierstreifen (!) ab,…

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© Andreas Weise

…nicht an der Dachhaut schleift.

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© Andreas Weise

Außen prunkt der 550er in Movaweiß, das Führerhaus wurde ob des stumpfen Lacks neu in Papyrusweiß lackiert. Doch innen gibt er sich bunt.

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Eher Zierbrett denn -leiste, das gibt dem neu rund 55.000 DM teuren Hymer einen noblen Touch.

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Der Knick im Dach wird geschickt für die Innenausleuchtung genutzt, zwei Jalousien dämpfen das Licht etwas.

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© Andreas Weise

Bettina und Guido schätzen ihren raren Camper: 20, vielleicht 30 existieren heute noch.

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Das Beifahrergestühl ist drehbar.

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1971 ist es endlich soweit: Hymer wagt erneut den Einstieg in den Markt der Reisemobile. Obgleich es den eigentlich gar nicht gibt. Aber so etwas wie den 550er hatte es zuvor ja auch nicht gegeben.

Will man die Existenz des Hymermobil 550 verstehen, dann muss man sich zunächst das Vorgängerprojekt anschauen, den Caravano. Wenn Ihnen dieses Fahrzeug nichts sagt, dann ist das keine Schande, es wurden nämlich bloß drei gebaut, nur einer existiert wohl noch, der auf Basis eines Borgward gefertigte Camper steht im Erwin Hymer Museum in Bad Waldsee. Sein lindgrünes Erstlingswerk im Bereich “Campingbus und Reisemobil” realisierte Erwin Hymer auf Basis des Borgward B611, das war 1961. Sogar die Serienfertigung des ausgebauten Kastenwagens war schon geplant, es gab Prospekte, doch machte der Borgward-Konkurs den Traum zunichte. Die Idee wurde nicht weiterverfolgt, Erwin Hymer sah auf dem Markt kein anderes Basisfahrzeug mit der für ihn passenden Qualität.

Zehn Jahre später greift er die Idee wieder auf, mit dem 550 wagt er sich erneut ans Thema. Jetzt allerdings wählt er ein Lkw-Fahrgestell, auf das ein Wohnwagen mehr oder minder “aufgesetzt” wird. Und wieder ist dies ein mutiger Schritt, denn zu jenem Zeitpunkt gibt es in der Bundesrepublik gerade mal so 6.600 zugelassene Reisemobile, “aber das waren zumeist Campingbusse, die es allein vom Platzangebot und vom Komfort her mit dem 550er nicht aufnehmen konnten”, meint Guido Seeliger mit leichtem Lächeln und bittet anschließend zur kleinen Schlossführung.

Über sieben Meter langes Reisemobil

Und die hat einige Überraschungen parat, wenn man den lichtdurchfluteten Innenraum des über sieben Meter langen Reisemobils betritt. Vorne findet sich eine Sitzgruppe, auf der man zu fünft bequem Platz hat – auch wenn das Fahrergestühl nicht gedreht wird. Gleichwohl spürt man, dass es sich um einen Teilintegrierten handelt, die Fahrerkabine wirkt nicht als integraler Bestandteil des Wohnbereichs, per Falttür lässt sich dieses Areal auch abtrennen, “alleine schon wegen der nicht isolierten Scheiben im Führerhaus macht das Sinn”, erklärt Gattin Bettina. Nach hinten schließt sich die Küche an, schräg gegenüber liegt das Badezimmer, der originale Gasboiler ist voll funktionsfähig und wird auch genutzt. “Der war damals aufpreispflichtig” erklärt Guido, wobei der Originalprospekt eine farbige Schnittzeichnung und im Badezimmer eine just duschende Dame in leicht frivoler Darstellung zeigt. Im Heck schließlich findet sich das Schlafzimmer, das bequeme Doppelbett misst 2,0 auf 1,4 Meter; bei manchen Ausführungen war darunter noch ein von außen zugänglicher Stauraum zu finden, den man wegen der Höhe von nur 30 Zentimetern jedoch nicht als Heckgarage im heutigen Sinn würde verstehen können. Mit seiner Breite von 120 und seiner Länge von 220 Zentimetern war er indes ideal für Campingmöbel geeignet.

Doch zurück in den Wohnbereich, auf den auch der damalige Prospekt abhebt, indem er rhetorische Fragen in den Raum wirft: “Stellen Sie sich Ihre Wohnung vor. Sie haben einen Wohnraum, ein Schlafzimmer, ein Bad, eine Küche, eine Toilette. Zugegeben, Ihre Wohnung ist größer. Vielleicht besitzen Sie noch weitere Räume. Aber diese Räume sind doch für eine Wohnung die wichtigsten. Und diese Räume kennzeichnen ein Hymermobil. Kein Campingbus also, bei dem Sie auf viel Platz und hygienischen Komfort verzichten müssen. Kein Mobilheim, mit dem Sie behördliche Schwierigkeiten bekommen, und kein Caravan, bei dem Sie Rangierproblemen ausgesetzt sind. Und doch können Sie ein Hymermobil wie einen Pkw betrachten. Sie fahren es mit Führerscheinklasse 3 und fahren dazu noch preisgünstig mit Diesel”, rezitiert Bettina aus dem originalen Prospekt.

Erste Fahrzeuge als Einzelanfertigungen

Familie Seeliger ist sichtlich stolz auf das formidable Mobil, “wobei man das mit der Führerscheinklasse 3 heute einschränken muss”, erklärt Guido. “Der Camper ist ein Fünftonner, abfahrbereit liegen wir bei ungefähr vier Tonnen, wir haben also rund eine Tonne Zuladung.” Sehr respektable Werte, die sich auch der soliden Basis verdanken, griff doch Erwin Hymer auf den Mercedes 508D zurück. Fans und Kenner reden eher vom Düsseldorfer Transporter oder vom “DüDo”. Der wurde Ende der 1960er Jahre auf Kiel gelegt, und ganz sicher wird man bei Hymer genau beobachtet haben, wie sich der Neuling schlägt, der mit verschiedenen Motoren, aber stets mit der markanten Front angeboten wurde, der Wagen bot sich als das perfekte Fundament an, um sich nach dem Caravano erneut an ein Reisemobil zu wagen. “Allerdings musste der Kunde selbst die Bestellung für Führerhaus und Rahmen bei Mercedes aufgeben; diese Rohware wurde dann nach Bad Waldsee gebracht”, erklärt Guido, wobei die ersten der insgesamt rund hundert gebauten Fahrzeuge noch reine Einzelanfertigungen waren. “Die hießen denn auch noch ‚Hymer Reisemobil‘, kurze Zeit später kam der Name ‚Hymermobil‘ auf.”

Guido schätzt, dass vielleicht noch 20 oder 30 Exemplare existieren, er sammelt stetig Bilder der zumeist in weiß gehaltenen Fahrzeuge, “es gab aber auch welche mit blauem Lack”, wobei das hier zu sehende, in Nordhorn beheimatete Prachtexemplar ein neu lackiertes Führerhaus bekam, vor einer Weile wurde es mit dem originalen “DB-Farbton 9717 papyrusweiß” optisch aufgefrischt. Das “Facelift” steht dem Oldie gut, und doch ist das wunderbar erhaltene Fahrzeug kein Museumsstück, “wir fahren zwischen fünf- und zehntausend Kilometer in der Saison”, erklärt Bettina, einige Detailänderungen wie der Ersatz der Umwälz- durch eine Trenntoilette zeugen vom “normalen” Einsatz als Wohnmobil. Auch sie weiß das Reisen in diesem legeren Camper zu schätzen, obgleich der 85 PS starke Dieselmotor natürlich keine Rennrakete aus dem weißen Riesen macht, das Reisetempo liegt bei 80 Stundenkilometern, und auch das Rangieren erfordert ein wenig Sorgfalt. Und doch möchten die beiden nicht mehr tauschen. Und warum auch? So viel Reisekomfort verpackt in so viel Charme, das lässt sich schwerlich toppen! Erwin hat eben bei seiner zweiten Kreation vieles richtig gemacht.

Daten & Fakten: Hymermobil 550

  • Erstzulassung: 1. August 1973
  • Motor: Vierzylinder-Saug-Diesel, 3758 ccm, 85 PS
  • Getriebe: 5-Gang-Schaltgetriebe
  • Fahrwerk: Blattfedern mit Drehstabilisatoren vorn und hinten, hydraulische Stoßdämpfer
  • Reifen: 6.50 R 16 C
  • Campingausstattung: Heckbett (200 x 140 cm), Frontsitzgr./umbaubar z. Bett (225 x 130 cm), 4 Schlaf-/7 Sitzpl., Truma Gashz. 3 kW, 60-l-Kühlschrank, 100 l Frisch-/Grauwasser, Gasboiler, Bad, Trenntoilette (Ersatz für orig. Monomatic-WC), 2 x 11 kg Propan, 2-Fl.-Gaskocher, 100-Ah-Aufbaubatterie, 7 Fenster (5 ausstellbar), 2 Dachhauben, 2 Oberlichter mit Jalousien.

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