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Corvette Z06 (2023) im Test: Wirklich ein 911 GT3-Gegner?

Die Mittelmotor-Z06 mit Hardcore-V8-Sauger ist fahrdynamisch eine Offenbarung, aber der Preis schreckt ab

corvette z06 (2023) im test: wirklich ein 911 gt3-gegner?

Was ist das?

Frohlocket, Jünger der unverkünstelten Achtzylindrigkeit, denn hier kommt das Auto mit dem stärksten Serien-V8-Sauger aller Zeiten. Nix Maranello. Detroit, Baby. Yeah! Das hat aber mal gar nichts mehr zu tun mit dem Kompressor-V8 der Vorgängerin und auch nichts mit dem 6,2-Liter-V8 der C8 Stingray. Stattdessen stammt die Maschine relativ unverändert aus dem C8.R-Rennauto.

Die Eckdaten lesen sich entsprechend exotisch, gerade für ein US-Erzeugnis: 5,5 Liter Hubraum, Flatplane-Kurbelwelle mit einem Hubzapfenversatz von 180 Grad, Trockensumpfschmierung, Einlass-Ventile und Pleuel aus Titan, Natrium-gefüllte Auslassventile, 680 PS bei – jetzt kommt’s – 8.400 U/Min , 623 Nm bei 6.300 U/min (die europäische Version leistet aus Emissionsgründen 645 PS und 595 Nm, buh!) und ein Drehzahllimit von 8.600 Touren.

Corvette gibt offen zu, dass man sich den 4,5-Liter-V8 des Ferrari 458 Speciale (für mich noch immer eines der göttlichsten Aggregate, das der Mensch je erfunden hat) ziemlich genau angeschaut hat. Scheint sich gelohnt zu haben. Dieser Motor definiert im Prinzip das ganze Auto.

Also “nur” ne normale Vette mit einer verrückten Maschine? 

Na glücklicherweise nicht. Nichts gegen die wunderbare C8 Stingray, aber bei einer Hardcore-Variante, einem renitenten Stachel im Fleisch des Porsche 911 GT3, musst du schon noch ein bisschen anbauen. Corvette tat dies im wahrsten Sinne, machte die Z06 stabile 9 Zentimeter breiter.

Das bedeutet wesentlich breitere Backen, um die monströsen Walzen (vorne 285er, hinten sind es 345er) unterzubringen und eine komplett neue Fahrwerksgeometrie. Es gibt größere Bremsen von Brembo, das optionale E-Diff und die magnetorheologischen Dämpfer sind Serie, die Federn sind straffer und die Übersetzung der 8-Gang-Doppelkupplung ist kürzer. 

Im Standard-Trimm erzielt die Z06 165 Kilo Abtrieb bei 300 km/h. Klingt nach nicht besonders viel? Ähm .. richtig. Hier kommt das optionale Z07-Paket ins Spiel. Sie sehen es auf dem gelben Auto in der Galerie.

Das Renntrimm-Extra bringt ein 15 Prozent strafferes Fahrwerk, Carbon-Bremsen mit 398-mm-Scheiben, Michelin Cup 2 R-Pneus und ein Aero-Upgrade mit Splitter und Flicks vorne sowie einem stark ausgeformten Heckflügel. Der Abtrieb verdoppelt sich dadurch auf 333 Kilogramm. Zum Vergleich: Der aktuelle 911 GT3 RS erzielt bis zu 860 Kilo. Wer sehr gut im Meiden von Randsteinen ist, kann sich zusätzlich Kohlefaser-Räder bestellen, die 18,6 Kilo einsparen.  

So richtig leicht wird die Z06 dadurch aber auch nicht. Das Trockengewicht liegt bei 1.561 Kilo. Also rechnen Sie mit allen Flüssigkeiten und Fahrer mit um die 1.700. Fürs Coupé wohlgemerkt. Es gibt auch eine Cabrio-Variante. Etwas schwerer dann. Ob man die wirklich braucht, sei mal dahingestellt, denn das Coupé verfügt ja traditionell über ein abnehmbares Dachpaneel. Für die offene Version spricht wiederum, dass man bei geschlossenem Dach das Heckfenster runterfahren kann. Dann ist das infernale Geschrei des Motors näher am eigenen Ohr und das kann ja nicht verkehrt sein.

Sprengt die Z06 also die Richter-, Hühnerpellen- und Platzende-Trommelfell-Skala?

In irgendeinem ersten Test zur Z06 las ich, das Auto wäre in der Geräuschentwicklung ein wenig zu zahm. Keine Ahnung, welches Gefährt der Autor fuhr, meines allerdings sicher nicht. Das mechanische Geschrei und Getöse ist Hochdrehzahl-Komposition vom Feinsten. Da wird umgehend der “Baaaah, is das geil”-Teil des Gehirns getriggert und jederzeit so viel Drehzahl, Lärm und Speed eingefordert, wie es nur irgendwie geht. Mittelschwerer Wermutstropfen: In den USA hat die Z06 eine komplett andere Auspuffanlage, die ungefähr 3x so penetrant ins Ohr dübelt. Schade, dass die Brüsseler Anti-Spaß-Polizei sowas bei uns unmöglich gemacht hat. 

So schlecht ist das, was wir kriegen, aber nun auch wieder nicht. Wirklich nicht. Die Vette brüllt und prügelt sich durch die zweite Hälfte des Drehzahlmessers, die Zahlen steigen unerbittlich, die Reaktionen sind hier so unmittelbar und intensiv und man fühlt diese Magie, die man nur bei einem performanten Saugmotor erleben kann.

Zur Wahrheit gehört dabei natürlich auch, dass unter viereinhalb-, fünftausend U/min nicht so arg viel zusammengeht. Also in schöner Regelmäßigkeit an den Carbon-Schaltpaddles zupfen und den Sauger bei Laune halten. Das trockene Klacken der Wippen ohne jeglichen Einrast-Widerstand hab ich so noch bei keinem anderen Hersteller erlebt. Es fühlt sich allerdings absolut fantastisch an. 

Nach was sich das Auto letztlich aber nicht ganz anfühlt, sind gut 650 PS. Obenrum wird’s ab 240, 250 km/h für Supercar-Verhältnisse ungewohnt zäh. Und beim Durchzug weiter unten wäre ein 135 PS schwächerer 911 GT3 gefühlt nicht im Hintertreffen. 

Die neue Z06 verknüpft Entertainment mit Arbeit, will nicht stumpf alles und jeden mit schierer Power niedertrampeln. Da war die Vorgängerin mit ihrem 6,2-Liter-Kompressor-V8 ja noch auf einer gaaanz anderen Party unterwegs. Das ist hier ein komplett anderes, viel feiner geschnitztes Erlebnis. Mit erstaunlich guten Manieren. Fahr das Auto langsam durch die Stadt und der Motor ist seidenweich, macht keinen Heckmeck, nichts ruckt oder blökt, Vibrationen auf Minimum, bemerkenswert ruhig ist es auch.

Aber muss die Z06 nicht ein richtiges Biest sein? Immer?

Einige Fans werden das sicher so sehen. Ich erinnere mich noch als wir vor 2-3 Jahren die C7 Z06 in der Redaktion hatten. Sowohl von der schieren Präsenz und der erschreckenden Tiefe außen, als auch vom gewaltigen Ausmaß innen hatte das was von einem Tourenwagen-LKW-Mix mit beängstigender Leistung und ziemlich ungehobelten Manieren. Das war geil, trieb einem aber auch zu jeder Zeit so ein bisschen den Kackstift in die Buchse. Gefühlt warst du bei jedem Gasstoß kurz davor, dass das Ding einfach abhebt.

Jetzt ist so viel anders. Meiner Meinung nach (und da bin ich sicher nicht alleine) hat die Vette mit dem Wechsel aufs Mittelmotor-Layout doch einiges ihres Coors Light- und Chicken Wings-Charmes verloren. Deutlich generischer und fast ein bisschen brav sieht sie aus. Die Proportionen werden auch nicht als besonders gelungen in die Geschichte eingehen.

Bei der Z06 ist es immerhin ein bisschen besser, einfach weil man ihr seitlich so viel mehr Blech aufgedengelt hat. Da hat das schon eher den Bigger is Better-Rock’n’Roll-Ausdruck, den man sich von diesem Auto wünscht. 

Innenraum? Nicht nur als Fan werden Sie die Kritik am seltsamen Bedien-Divisor zwischen Fahrer und Beifahrer gelesen haben. In der Realität ist das erst einmal ein bisschen komisch, einfach weil es so sinnlos wirkt, aber stören tut es überhaupt nicht und nach ein wenig Zeit findet man es eigentlich ganz cool, einfach weil es eine einzigartige Note ins Auto zaubert.

Auffällig: Für einen Mittelmotor-Sportler ist die Sitzposition extrem ungewöhnlich. Man hat seinen Hintern gefühlt nicht mit der Bodenplatte verschraubt wie etwa in einem Cayman GT4 RS, einem der McLarens oder Ferraris. Stattdessen hat man das Gefühl, Armaturenbrett, Infotainmentscreen und den ominösen Mittelsteg von oben herab zu bedienen, als würde man einen Hund streicheln. Für mich persönlich ist das zu hoch. Außerdem sind die Sitze zwar relativ angenehm gepolstert, aber im Hüftbereich etwas zu eng.

Großartig dagegen: Die Sicht nach vorne durch die sehr weit nach unten gezogene Windschutzscheibe. Das versprüht schon McLaren 720 S-Vibes. Außerdem ist die Verarbeitungsqualität und die Auswahl der Materialien einfach eine komplett andere Welt gegenüber der C7. Absolutes Top-Niveau, sehr schön anzusehen. Respekt nach Michigan. 

Fährt sie denn jetzt auf GT3-Niveau?

Also das mal vorneweg: Die Unterschiede zur C8 sind exorbitant. Die Performance-Upgrades wirken, als hätte man dem Auto drei Espresso und eine große Dose Taurinbrause in die Leitungen gekippt. 

Die “kleine Schwester” Stingray ist ja immer in einem extrem guten Flow. Hier fließt es weniger, es eskaliert. Richtungsänderungen sind nun eher Pingpong statt Tennis, alles ist straffer, ungeduldiger, aggressiver – und wesentlich schneller. 6.000, 7.000, 8.000 Touren, die Landschaft drückt sich immer wieder verschwommen in einem Mix aus G-Kräften und sägendem Gekreische am eigenen Hirn vorbei. Großartig.

Ziemlich problematisch dagegen: Das Armaturenbrett spiegelt extrem in der Windschutzscheibe. Das ist bei konzentriertem Schnellfahren eine echte Plage. Außerdem könnte das hexagonal geformte Lenkrad den ein oder anderen vor den Kopf stoßen. Sowas ist einfach Quatsch in einem Extrem-Sportwagen. So macht die Z06 initial einen etwas distanzierten Eindruck, was sie natürlich überhaupt nicht ist. Das merkt man bereits nach der ersten Kurve. 

Die Kommunikation ist sehr klar und messerscharf. Man gewinnt schnell Selbstvertrauen in dieses filigrane Monster. Auf der Rennstrecke mag der 911 GT3 das bessere Auto sein, aber auf der Straße bin ich mir da gar nicht so sicher. 

Denn die Z06 teilt sich unglaublich facettenreich mit, man erhält mächtig viel Feedback bei allem, was man tut. Und trotzdem – hier ist sie dem Elfer überlegen – federt sie wahnsinnig komfortabel. Die Dämpfer bieten auch bei kurzen Stößen und sehr schlechten Straßen eine Art Fliegender-Teppich-Gefühl, wie es der immer etwas straffe, hoppelige Porsche nicht hinkriegt. Zudem bietet die Corvette durch ihre diversen Fahrmodi (inklusive konfigurierbarem “Z”-Knopf am Lenkrad) eine relativ große Bandbreite mit stark spürbaren Unterschieden in puncto Ansprechverhalten, Abrollkomfort und Co. 

Fazit: 9/10

Auch wenn es sehr abgedroschen klingt: Aus dem einstigen Bodybuilder ist ein sehniger Leichtathlet geworden. Die Corvette Z06 braucht sich fahrdynamisch vor keinem Mittelmotor-Supercar zu verstecken. Bietet Tonnen an Feedback, Emotion und auch Komfort. Die Verarbeitungsqualität im Innenraum ist ebenfalls auf Topniveau. Der V8-Sauger ist ein wahnsinniger Charakterbolzen, muss aber ordentlich gedreht werden.

Ein bisschen das Problem der C8 Z06 ist das Preisschild, dass man ihr für den deutschen Markt aufgeklebt hat. 185.000 Euro sind zwar gerade noch unter dem Niveau eines Porsche 911 GT3 und Lamborghini Huracán, aber verglichen mit dem Vorgänger halt auch mal eben gut 60.000 Euro mehr. Außer den absoluten Hardcore-Vette-Fans mit dem entsprechenden Geldbeutel dürften da nicht all zu viele Menschen abgeholt werden. Verdient hätte es dieses Auto allemal. 

Technische Daten und Preise Corvette Z06 C8

  • Motor: V8-Saugmotor; 5.463 ccm
  • Getriebeart: 8-Gang-Doppelkupplung
  • Antrieb: Hinterradantrieb
  • Leistung: 475 kW (645 PS bei 8.550 U/min
  • Max. Drehmoment: 595 Nm bei 6.300 U/min
  • Beschleunigung 0-100 km/h: 3,2 Sekunden
  • Höchstgeschwindigkeit: 314 km/h
  • Länge: 4.588 mm
  • Breite: 2.025 mm
  • Höhe: 1.235 mm
  • Leergewicht: 1.722 kg
  • Kofferraumvolumen: 357 Liter (vorne + hinten)
  • Verbrauch: Testverbrauch: ca. 13 Liter
  • Emission: k.A.
  • Basispreis: 185.927 Euro

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