Cadillac

Cadillac Lyriq im Test: Gut, aber langsam beim Laden

Nobles Fünf-Meter-Schiff ist in Deutschland bereits konfigurierbar

cadillac lyriq im test: gut, aber langsam beim laden

Der Cadillac Lyriq startet in Deutschland. Das noble Fünf-Meter-SUV mit 388-kW-Allradantrieb und 530 km Reichweite ist bereits konfigurierbar, die Auslieferung dürfte demnächst starten. Anlass genug, uns den Test anzusehen, den unser US-Kollege Tim Levin verfasst hat. Hier sind seine interessanten Eindrücke und Einschätzungen – und unsere Anmerkungen dazu, denn nicht alles davon lässt sich auf hiesige Verhältnisse übertragen.

Wie alle neuen Elektromodelle aus dem General-Motors-Konzern basiert der Lyriq auf der Ultium-Plattform, die Mittelklasse-SUVs wie den Equinox EV tragen kann, aber auch große Trucks wie den GMC Hummer EV. In den USA kam der Lyriq bereits vor einigen Jahren auf den Markt, doch aufgrund von Produktionsschwierigkeiten wurde er bisher kaum verkauft. Jetzt steigen die Verkäufe des ersten Elektro-Cadillacs jedoch rasant, und so wurden im ersten Halbjahr 2024 schon rund 13.000 Lyriqs ausgeliefert.

Technische Daten des Cadillac Lyriq (deutsche Version)

  • Allradantrieb mit 2 Permanentmagnet-Motoren
  • Systemleistung/Drehmoment: 388 kW / 610 Nm
  • 0-100 km/h / Höchstgeschwindigkeit: 5,3 Sek. / 210 km/h
  • WLTP-Stromverbrauch: 22,5 kWh/100 km
  • Akku netto / WLTP-Reichweite: 102 kWh (NCMA-Chemie) / 530 km
  • Max. Ladeleistung: 22 kW mit AC, 190 kW mit DC
  • DC-Ladedauer: k.A.
  • Maße: 5.005 mm Länge / 1.977 mm Brite / 1.623 mm Höhe / 3.094 mm Radstand
  • Kofferraum: 793-1722 Liter
  • Basispreis: 85.500 Euro

Fahreindrücke

In den USA gibt es den Lyriq als Hecktriebler mit 255 kW und als Allradler mit 373 kW. Die von Tim gefahrene AWD-Version ist also geringfügig schwächer als die deutsche Variante. Während sich bei manchen Elektroautos alles um die Sprintzeit dreht, sei der Lyriq für stilvolles, bequemes Cruisen gebaut, schreibt der Kollege, und diese Aufgabe erfülle er mit Bravour. Träge sei der Lyriq jedoch keineswegs, das Einfädeln auf den Highway erledigte er locker.

Das Fahrwerk (auf Basis von Fünflenker-Achsen mit passiven Dämpfern vorn und hinten, kein Luftfahrwerk) schluckt Unebenheiten gut, in Kurven liegt das SUV ziemlich ruhig. Selbst bei hohem Tempo bleibe es innen “so leise wie in einer Bibliothek”, so Tim. Dazu trägt die aktive Geräuschunterdrückung bei. Die Lenkung sei weder direkt noch besonders ansprechend, aber darum gehe es bei diesem Auto auch nicht.

Am stärksten ist der Vortrieb im Sportmodus, aber Tim nutzte lieber den effizienteren “Tour”-Modus und war mit der gebotenen Power zufrieden. One-Pedal-Driving ist in jedem Fahrmodus verfügbar. Man kann diese Betriebsart per Touchscreen aktivieren und zudem zwischen starker und schwacher Rekuperation wählen. Um nicht in ein Untermenü wechseln zu müssen, kann man das One-Pedal-Driving auch zur Menüleiste am unteren Bildschirmrand hinzufügen, sodass es mit einem Fingertipp aktiviert oder deaktiviert werden kann.

Auf diesem Bild ist das Rekuperations-Paddle links hinter dem Lenkrad erkennbar

Eine Besonderheit ist das Paddle links hinter dem Lenkrad. Es verstellt die Rekuperation je nach Stärke des Drucks: Bei schwachem Druck verstärkt sich die Bremswirkung ein klein wenig, drückt man stark, ist das praktisch so, als würde man die Bremse betätigen. Tim hatte Spaß daran, damit herumzuspielen, doch ist die Wirkung offenbar schwer vorherzusehen.

“It’s progressive, meaning that if you squeeze only a little bit, you get a little bit of additional stopping power. If you squeeze the paddle all the way, that’s effectively like slamming on the brakes.” (Tim benutzt das Verb “squeeze”, also drücken, nicht “pull”)

Reichweite und Aufladen

Die 102-kWh-Batterie des Lyriq hat laut deutscher Website eine NCMA-Chemie, das heißt, sie enthält neben Nickel, Cobalt und Mangan auch Aluminium. Was die Reichweite angeht, so kann der Lyriq AWD mit 307 Meilen (494 km) nach amerikanischer Norm mit den Maximalwerten anderer Premium-SUVs mithalten, schreibt Tim: Für den BMW iX werden 324 Meilen genannt, für den Mercedes EQE SUV 307 Meilen und für den Genesis GV60 294 Meilen.

In Deutschland sieht das anders aus: Die 530 km nach WLTP-Norm sind in dieser Klasse höchstens Mittelmaß: Der BMW iX schafft bis zu 633 km, der EQE SUV 628 km. Der (deutlich kleinere) GV60 ist mit 517 km auf dem gleichen Niveau, doch Audi Q6 e-tron und Porsche Macan Electric liegen bei 641 km, das Tesla Model Y bei 600 km.

Bei einer 80 km langen Testfahrt (hauptsächlich Highway bei 60-70 mph, also rund 100-115 km/h, mit einigen Höhenmetern) kam Tim auf eine Effizienz von 2,7 Meilen/kWh, was einer Reichweite von 275 Meilen entspricht. Umgerechnet sind das 23 kWh/100 km bzw. 442 km.

Die maximale Ladeleistung liegt bei 190 kW, die Ladedauer gibt Cadillac nicht an. Ein Test von InsideEVs.com im Oktober 2023 zeigte, dass ein Ladehub von 20 auf 80 Prozent gleich 40 Minuten dauert. Die maximale Ladeleistung wird nicht lange gehalten. Hier die Ladekurven an 350-kW-Säulen von Electrify America und EVGo:

Ladekurven des Cadillac Lyriq RWD bei Versuchen an zwei verschiedenen Ladesäulen

Laut EV-Database sind die von Cadillac angegebenen 102 kWh die Nettokapazität. Daraus und aus den 40 Minuten Ladezeit für den Hub von 20-80% errechnet sich eine Ladegeschwindigkeit von gerade mal 1,5 kWh/min. Zum Vergleich: Ein VW ID.4 Pro kommt auf 1,9 kWh/min. Der Lyriq lädt also wirklich nicht schnell, auch für ein 400-Volt-Auto nicht. Der Q6 e-tron lädt mit bis zu 3,2 kWh/min, also mehr als doppelt so schnell. Zugunsten des Lyriq muss man allerdings sagen, dass diese Zahlen auf den Herstellerangaben beruhen.

Der Lyriq wird automatisch auf das Schnellladen vorbereitet, wenn man den Schnelllader als Navi-Ziel eingibt. Sogar eine manuelle Vorkonditionierung ist möglich. Positiv auch: Anders als die meisten Elektroautos kann man den Lyriq mit bis zu 22 kW Wechselstrom aufladen. Auch hierfür gibt Cadillac keine Ladezeit an.

Interieur und Bedienung

Das Interieur des getesteten Lyriq in der Ausstattung “Luxury 3” mit zahlreichen Extras fand Tim äußerst angenehm. Die Kunstledersitze bewährten sich auch auf langen Fahrten. Das zweifarbige Interieur mit Holz-Details wirkte solide und hochwertig.

Die Sitze des gefahrenen Version bieten Heizung, Belüftung und eine Massagefunktion

Der Lyriq bietet außerdem jede Menge Stauraum. Neben einem Handschuhfach gibt es eine kleine Schublade direkt unter den Klimareglern und ein Fach zwischen den Vordersitzen. Beide sind in leuchtend blauem Leder gehalten. Einen Frunk bietet der Lyriq allerdings nicht. Auch ist die Sicht nach hinten wegen des schräg abfallenden Hecks und der kleinen Heckscheibe nicht gut, und der (in den USA optionale) kamerabasierte Innenspiegel bietet kaum eine Verbesserung.

Ein Problem in Sachen Rundumsicht: Das schräg abfallende Heck mit der kleinen Heckscheibe

Das 33-Zoll-Doppeldisplay ist in drei Abschnitte unterteilt. Mittig erscheinen die Instrumente, links gibt es ein kleines Touchpanel fürs Licht und dergleichen, rechts schließt sich ein Touchscreen an, auf dem ein Betriebssystem aus Basis von Android Automotive mit integrierten Google-Diensten läuft. All das ist ansprechend, reaktionsschnell und einfach zu bedienen, so Tim. Er hatte allerdings ein paar Störungen. 

Das Cockpit des noblen Cadillac mit dem leicht gebogenen Display

Das Beste an dem System sind die vom Handy her vertrauten Google-Dienste. So basiert die Navigation auf Google Maps, der Sprachbedienung auf Google Assistant. Zusammen führten die Helfer unseren Tester zuverlässig zum Navigationsziel, selbst wenn er nur den Namen eines Restaurants nannte. Der Google Play Store bietet unter anderem Spotify an. Zur Anbindung des Smartphones gibt es kabelloses CarPlay und Android Auto.

Dankenswert ist laut Tim, dass es physische Bedienelemente unter dem Touchscreen gibt –für die Klimatisierung, die Lautstärke und sogar ein Dreh-Drück-Rad zur Bedienung des Monitors.

In Sachen Assistenzsysteme fielen Tim die Sitzvibrationen auf, die einen vor einer drohenden Kollision warnen. Er fand das irritierend und stellte stattdessen Warntöne ein. Das 360-Grad-Rundumsicht-System mit Vogelperspektive jedoch fand Tim sehr gut.

Das US-Modell gibt es ab 58.590 Dollar; dafür bekommt man den Hecktriebler in der Ausstattung Tech. Die Luxury-Variante gibt es ab 62.690 Dollar, die Topversion Sport ab  63.190 Dollar. Dabei gibt es die Luxury-Version in den Stufen Luxury 1, 2 und 3. Der getestete Lyriq Luxury 3 kostete 77.770 Dollar, einschließlich Überführung und Extras im Wert von 7.180 Dollar, darunter der Allradantrieb für 3.500 Dollar.

In Deutschland ist der Allradantrieb stets an Bord. Die Wahl hat man zwischen den Ausstattungen Luxury und Sport, die beide gleich teuer sind. Offenbar unterscheiden sich die Versionen hauptsächlich in der Optik.

Fazit

Der Cadillac Lyriq ist nach dem Urteil von Tim ein komfortables und luxuriöses Elektroauto, mit viel Technik und guter Bedienung sowie einer großartigen Optik. Die Reichweite findet Tim ebenfalls gut; in Europa bietet die Konkurrenz allerdings deutlich mehr. Als Nachteil wertet Tim das langsame Laden mit Gleichstrom an, und da können wir ihm zustimmen.

Im Vergleich zur Konkurrenz ist der Lyriq weitaus luxuriöser und bietet bessere Fahreigenschaften als ein Tesla Model Y, er ist viel billiger als ein BMW iX oder ein Mercedes EQE SUV, schreibt Tim. Da können wir mit Einschränkungen zustimmen. In Deutschland gibt es den iX zwar schon ab 77.300 Euro, aber mit weniger Leistung und weniger Reichweite. Der etwa gleichwertige EQE SUV 350 4Matic kostet schon 89.547 Euro. In Anbetracht der Ausstattung sind die 80.500 Euro wohl auch für hiesige Verhältnisse günstig. Aber das wird Kollege Christopher Otto wohl näher beleuchten, wenn er Anfang September die deutsche Version testet.

Quelle: InsideEVs.com, Cadillac Deutschland, Cadillac USA

TOP STORIES

Top List in the World