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Zulassungsstelle überfordert: Händler und Kunden müssen bei Anmeldungen lange warten

Behörde verweist auf Personalnot

Zulassungsstelle überfordert: Händler und Kunden müssen bei Anmeldungen lange warten

zulassungsstelle überfordert: händler und kunden müssen bei anmeldungen lange warten

Bei ihm stapeln sich die Anträge: Volker Kahl vom Kfz-Zulassungs-Service bekommt den Ärger von allen Seiten zu spüren. Er darf täglich nur 50 Anträge einreichen.

Wer derzeit ein Fahrzeug an-, um- oder abmelden will, der braucht Geduld. Die gemeinsame Zulassungsstelle von Stadt und Landkreis Kassel ist aufgrund von Personalmangel überlastet. Dies sorgt nicht nur für Ärger bei Autokäufern, sondern auch bei den Händlern, für die verspätete Zulassungen einen wirtschaftlichen Schaden bedeuten.

Kassel – Auch die Zulassungsdienste, die für Händler, Firmen und Privatpersonen die bürokratischen Formalitäten erledigten, schlagen Alarm, weil sich bei ihnen die unerledigten Aufträge türmen.

Während die Zulassungsstelle einräumt, dass Privatkunden aktuell durchschnittlich elf Arbeitstage auf einen Termin warten müssten, haben Händler und Zulassungsdienste teils noch extremere Erfahrungen gemacht – sie sprechen von einer Dauer von bis zu drei Wochen für eine Zulassung. Dies liegt daran, dass sich die Anmeldungen zunächst bei den Zulassungsdiensten stapeln, weil diese täglich maximal 50 Anträge bei der Behörde einreichen dürfen. Wegen der Personalprobleme – die krankheits- und urlaubsbedingt seien – hat die Zulassungsstelle dieses Kontingent festgelegt.

Volker Kahl vom Kfz-Zulassungs-Service aus Kassel hat wegen dieser Maßgabe aktuell über 400 Anmeldungen in Warteposition – und es werden täglich mehr. Er könne derzeit die Anträge bei der Behörde einreichen, die er bereits Mitte September von seinen Kunden – zu denen viele Autohäuser zählen – erhalten habe. Er bekomme von allen Seiten den Druck ab, berichtet Kahl.

Den Autohändler entgehen Einnahmen, wenn verkaufte Fahrzeuge verspätet angemeldet werden. Die HNA hat mit drei Kasseler Händlern (Hetzler, Hansmann, Wahl) gesprochen, die alle nur dann Prämien der Hersteller erhalten, wenn sie die gesteckten Quartalsziele erreichen. Weil diese sich nach den Zulassungen richten, sei ihnen schon viel Geld verloren gegangen, berichten die Händler unisono. „Wollen die die Autobranche komplett kaputtmachen“, fragt etwa Thorsten Adomat, Filialleiter beim Autohaus Wahl. Hinzu komme, dass der berechtigte Ärger der Kunden bei ihnen lande. Privatpersonen und Firmen seien teils kurzfristig auf gekaufte Fahrzeuge angewiesen.

Die Behörde verweist auf die Option der Online-Zulassung für Privatpersonen. Für eine Anmeldung auf diesem Weg sind aber ein Personalausweis mit freigeschalteter eID-Funktion, ein Smartphone mit NFC-Chip und eine Ausweis-App nötig.

Wer am gestrigen Sonntag einen Termin bei der Zulassungsstelle in Kassel oder den Außenstandorten in Baunatal, Hofgeismar oder Wolfhagen buchen wollte, erhielt – je nach gewünschtem Standort – früheste Termine zwischen dem 14. und 21. Oktober. Nach Auskunft der Behörde hat sich die Wartezeit seit Februar, als sie noch null Werktage betragen habe, kontinuierlich verlängert. Als Grund dafür werden eine Krankheitswelle und Urlaube angegeben.

Beschwerden von Kunden und Händlern über die Zulassungsstelle

Kassel – Der seit Monaten andauernde Personalnotstand in der gemeinsamen Zulassungsstelle von Stadt und Landkreis Kassel sorgt bei Kunden, Händlern und dem Zulassungsservice für Unmut. Hier einige Stimmen:

Die Kunden

Der Kasseler Ergotherapeut Mike Sander berichtet, dass er ein Drittel seiner 80 Patienten, die er zu Hause und in Pflegeeinrichtungen behandelt, aktuell nicht aufsuchen könne. Der Grund: Vor 14 Tagen habe er seine zwei neuen Dienstfahrzeuge vom Zulassungsservice Kroschke anmelden lassen wollen. Doch bis heute habe die Zulassungsstelle die Anmeldungen nicht bearbeitet.

Bernd Aschenbrenner hat am 5. September ein neues Motorrad bei Zweirad Schira gekauft. Gerne hätte er mit der Maschine die letzten sonnigen Tage genutzt. Doch daraus wurde nichts. Nach zwei Beschwerden erhielt er am 27. September die Zulassung.

Die Händler

Auf seinem Hof stünden derzeit 18 Maschinen, die noch nicht angemeldet werden konnten, erzählt Uwe Schütze, Inhaber von Zweirad Schira. „Es ist Glücksache, wann die Anmeldungen erfolgen. Oft sind es zwei bis drei Wochen. Die Kunden sind sauer. Über die Zulassungsdienste geht es noch am schnellsten, aber auch das ist eine Katastrophe“, sagt Schütze.

Alexander Host vom Autohaus Hetzler verweist darauf, dass die Probleme der Zulassungsstelle die wirtschaftliche Situation der Händler negativ beeinflussten. Wenn ein Kunde einen Kaufvertrag abschließe, müssten zunächst die Händler die Fahrzeuge beim Hersteller ablösen. „Bis zur Zulassung gehen wir in die Vorfinanzierung. Wir haben aktuell 27 Volvo-Fahrzeuge in der Zulassung, da geht es bei uns also um etwa 1,4 Millionen Euro“, so Host. Hinzu komme, dass aktuell – am Ende des Quartals – die Zulassungsziele überprüft würden. Wenn Händler diese nicht erreichten, gebe es von den Herstellern keine Prämien. „Beim Verkauf werden die Prämien aber von uns schon einkalkuliert“, so Host.

Thorsten Adomat vom Autohaus Wahl hat sich schon bei der Stadt Kassel über die Zustände in der Zulassungsstelle beschwert. „Unsere Branche ist im Moment froh, wenn sie überhaupt Autos verkauft. Und nun werden wir noch von der Behörde ausgebremst“, beklagt Adomat.

Weil die Händler bis zur Zulassung in Vorkasse gingen, sei ihre Liquidität gefährdet. „Wegen der Wartezeiten haben wir Kundenbeschwerden ohne Ende. Die glauben uns das langsam nicht mehr, wenn wir auf die Behörde verweisen.“

Marco Wicke vom Autohaus Hansmann hält die von der Behörde angegebene Wartezeit von durchschnittlich elf Arbeitstagen für geschönt. „Aber selbst elf Arbeitstage sind ein No-Go. Drei bis vier Tage lasse ich mir gefallen. In Melsungen, wo wir auch einen Standort haben, stelle ich morgens den Antrag und habe nachmittags die Unterlagen“, sagt Wicke. Die Option der Online-Zulassung hält er für zu kompliziert und an zu viele Voraussetzungen geknüpft. Zudem könne diese nur mit dem künftigen Halter erfolgen.

Der Zulassungsservice

Volker Kahl vom Kfz-Zulassungs-Service hat ein gutes Verhältnis zum Leiter der Zulassungsstelle, wie er sagt. „Der kann auch nichts dafür, dass ihm kein Personal zur Verfügung gestellt wird.“ Unterdessen stapeln sich bei Kahl die Anträge, weil er täglich nur 50 an die Behörde weitergeben darf, obwohl er mehr von den Autohändlern (60 bis 70 pro Tag) erhält.

Um die Behörde zu entlasten, lässt Kahl Fahrzeuge aus Stadt und Kreis Kassel von der Göttinger Behörde abmelden. Denn Abmeldungen sind überall möglich. „Die Situation in der Zulassungsstelle hat sich über Monate immer weiter verschlechtert, und man sieht kein Land.“

Die Zulassungsstelle

Die Behörde räumt die Probleme ein. Aufgrund der Personalsituation könnten für Händler zurzeit nur maximal 500 Zulassungsanträge pro Tag gestellt werden. Verteilt auf 10 Zulassungsdienste in Kassel bedeute dies 50 Anträge pro Dienst. Weil die eingereichten Zulassungsbescheinigungen und Kennzeichen in Tresoren gelagert werden müssten – die Tresor-Kapazitäten aber nicht ausreichten – sei die Begrenzung notwendig. Wann sich die Personalsituation voraussichtlich verbessert, dazu macht die Behörde keine Angaben.

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