Lancia

Lancia Delta HF Integrale Evo 2 (1994): Legendär unterwegs

Wochenendtrip mit einem 30 Jahre alten, sechsmaligen Rallye-Weltmeister ...

lancia delta hf integrale evo 2 (1994): legendär unterwegs

Meine Begeisterung für Autos fand ihren Startschuss irgendwann in den 1980er-Jahren bei Papa aufm Schoß im 1979er Ford Taunus Turnier zum Einfahren in die Garage. Meine Hände berührten zum ersten Mal ein Lenkrad und plötzlich schoss da dieser eine erste Funke in mein Gehirn. Doch ein Taunus reichte – zumindest damals – nicht aus, um das frisch erlangte Interesse zu festigen.

Es waren die wilden Bilder der 1980er Rallye-Knallbüchsen, die nicht nur eine Faszination festigten, sondern auch einen Fahrzeugtyp für immer in meine DNA brannten: kurze kompakte Kampfzwerge. Es waren Peugeot 205 Turbo, Renault 5 Turbo und vor allem dieser eine Geselle hier, die mich nachhaltig prägten und von denen ich nie dachte, dass ich sie jemals bewegen würde. Einer von ihnen hat mich nun zwei Tage lang begleitet: der Lancia Delta HF Integrale Evo 2.  

Bildergalerie: Lancia Delta HF Integrale Evo 2 (1994)

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Insgesamt sechs Mal konnte Lancia eine der begehrtesten Trophäen des Motorsports mit diesem Fahrzeug einsammeln: Sechs Markentitel in der Rallye-WM von 1987 bis 1992. Und ich? Ich drücke mir nicht mehr nur die Nase an Glasscheiben platt oder wippe hinter Flatterband auf Messen aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. Ich darf anfassen, öffnen, ausprobieren, einsteigen, sitzen … und vor allem … fahren!

Hallo, Motorsport-Legende!

Aber bevor ich mich jetzt ungestüm auf den Fahrersitz schwinge und Integrale und ich alles im hier und jetzt vergessen, schauen wir doch einmal kurz in den Rückspiegel. Denn zur Legende wirst du eben nicht ohne Vergangenheit.

1987 löst der Lancia Delta HF 4WD im Motorsport das knapp 500-PS-Biest Delta S4 ab. Zu brachial die Autos der Gruppe B, zu viele schwere Unfälle innerhalb der Rallye-Weltmeisterschaft. Es müssen genügsamere Gesellen her, die diese unglaublichen Geschwindigkeiten auf schmalen Waldpfaden inmitten von Zuschauermassen, Baustämmen und Klippen nicht mehr erreichen. Wobei genügsam hier natürlich ebenso unangebracht erscheint wie bei Dagobert Duck und seinem Geldspeicher.

Der Lancia Delta HF 4WD kommt 1987 mit knapp der Hälfte an PS an den Start der Rallye Monte Carlo angerollt. 265 PS bei 6.250 U/min. Ein permanenter Allradantrieb sorgt für Traktion. Zudem an Bord: ein vorderes Selbstsperrdifferenzial, ein zentrales Verteilergetriebe und ein Torsen-Differenzial an der Hinterachse.

Lancia Delta Integrale HF (1994)

Und so zerlegte das Martini Racing Team gleich zum Einstieg ins Rallye-Jahr die Konkurrenz um Röhrl und Audi. Die Legendenbildung fand ihren Start. Am Ende dieser Ära standen 46 Siege und sechs Weltmeistertitel. Dominanzen im Motorsport gab es schon vor Mercedes und Red Bull, liebe Kinder. 

Kein Wunder also, dass sich dieses heiße Teil ohne Mühe in meine Synapsen brennen konnte. Und jetzt steht er vor mir. Knallrot glänzend in der Sonne. Die letzte Evolutionsstufe der Straßenversion von 1994. Was ein Glück, dass die Teilnahme an der Rallye Weltmeisterschaft auch immer ein Serienfahrzeug bedingt. Lancia Delta HF Integrale Evo 2 – unter der nach vorne öffnenden Haube ein 2,0-Liter Turboherz mit 1,0 bar Abgasladedruck. Auf dem Papier: Allradantrieb, 215 PS, 220 km/h in der Spitze, von 0 auf 100 km/h in 5,7 Sekunden.

Hast dich gut gehalten, Sportsfreund

Den glücksbringenden HF-Elefanten trägt er stolz auf seinem chromumrandeten Kühlergrill, die Radkästen selbstbewusst und breit auf die Straße gestellt. Ein kleiner, einstellbarer Dachspoiler prangt am satten Hot-Hatch-Heck. Klare Ecken und Kanten auf äußerst übersichtlichen 3,90 Meter bei einem Radstand von 2,48 Meter. Klassisches Giugiaro-Design auf maximaler Fahrspaß-Plattform. Das … sieht wirklich “hot” aus.

Und dann wage ich es … setze mich auf die beige Sportbestuhlung, lasse die Tür ins Schloss fallen, schaue gebannt auf die vielen runden Instrumente, von denen jedes einzelne ultrawichtig dreinblickt und drehe den Schlüssel. “Ganz schön gewöhnlich” höre ich mich sagen, zucke mit den Schultern, lege den ersten Gang ein, lasse die Kupplung kommen und bewege den sanft vor sich her brummenden Delta von seinem Parkplatz in Richtung Straße.  

Doch schon beim Einkuppeln merke ich: es gibt ein Momentum, einen leichten Hauch von Vorwärtsdrang, den die fix ansprechende Kupplung und der Allradantrieb suggerieren. “Ruhig, Kleiner”, sage ich und denke an meinen alten Sportlehrer, der endlose Predigten über die Wichtigkeit des Aufwärmens abhielt. Das wollen wir schließlich beherzigen, bevor sich der Delta HF noch eine Zerrung einfängt. Warm fahren ist das Zauberwort. Und in dieser Disziplin wirkt dieser Extremsportler wirklich wie ein üblicher 1980er Massenkompakter aus Italien. Unaufgeregt, besonnen und wenig hektisch.

Dann mal los!

Jedoch, Fahrwerk und Lenkung melden schon vorab jede kleinste Änderung im Straßenbelag. Ganz so, als hauchten sie verschmitzt: “Wir sind bereit, wenn ihr es seid!” Und auch die Steifigkeit des Integrales erinnert noch einmal vorsichtig an seinen Ursprung. Keine Angst, ich vergesse nicht! Eine Weile später melden Öl und Wasser: “Von uns aus kann’s los gehen.”

Rheinland-Pfalz, irgendwo in der Nähe von Bad Kreuznach: Eine Journalistin gibt Gas, die Drehzahl steigt über 3.500 Umdrehungen, Der Turbolader bläst ins Horn, der Lancia Delta HF Integrale stürmt vorwärts, die Journalistin … grinst. Molto bene!

Alles unter dieser Drehzahl kümmert den Delta Integrale nicht. Da gähnt er müde, als wolle er sagen, “weck mich, wenn du Auto fahren willst.” Einmal den Arbeitsbereich des Turbos erreicht, gibt es kein halten mehr. Es rumort, pfeift und zischt das feinste mechanische Klassik-Konzert. Und viel zu schnell ist man viel zu schnell auf Deutschlands Landstraßen unterwegs.

Also wieder runter vom Gas, die nächste Kurve anvisiert, exakt hindurch gezirkelt, rauf aufs Gas und noch einmal, und noch ein mal und … noch einmal. Es macht süchtig. Dieses kleine kompakte Gefährt klebt förmlich an der Straße, schmeißt sich durch enge Ecken als hätte es das Wort Fliehkraft nie gegeben. Und ich bekomme eine Ahnung, warum die Rennversion so erfolgreich war.

Das Beste daran ist jedoch, dass der HF Integrale zu keiner Zeit aufdringlich wirkt. Keine überbordende Geräuschkulisse, nur reinste gesunde Sportlichkeit, die er unter 3.500 Umdrehungen komplett verstecken kann und damit zum angenehmen Cruiser oder gar Einkaufswagen wird. Wobei es einem dann vermutlich sehr bald der Rücken danken wird.

Ein nett dreinschauender Geselle, dem charmante Blicke und Daumen zugeworfen werden, als wären es Kamelle. Zwei Tage puristische Faszination. Nur ich und ein wenig magisch zusammengetackerte Mechanik aus Italien. Manchmal kann es so einfach sein. Und wir? Wir können ein wenig mehr Emotion zum Thema Auto gerade ganz gut brauchen, oder? Also einmal auf Reset gedrückt. Danke, Lancia Delta HF Integrale. 

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