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Neue Strategie: Der große Umbau des Motorenherstellers Deutz

neue strategie: der große umbau des motorenherstellers deutz

Im Kölner Motorenwerk: Deutz-Chef Sebastian Schulte

Ein großer Zukauf in Amerika, eine Reise nach Chennai in Indien für eine wichtige Partnerschaft, dazu eine Kapitalerhöhung und reichlich Aktienkursbewegung: Sebastian Schulte hat bewegte Tage hinter sich. Am Montag wird der Vorstandsvorsitzende der Deutz AG auch den Beschäftigten in Köln noch genauer erklären, was gerade mit dem ältesten Motorenhersteller der Welt passiert. „Deutz gibt es jetzt seit 160 Jahren. Und wenn wir die nächsten Jahrzehnte erfolgreich gestalten wollen, müssen wir uns an einigen Stellen neu erfinden“, sagt Schulte im Gespräch mit der F.A.Z. „Allein mit der heutigen Technologie und den heutigen Anwendungsbereichen wird das nicht gelingen.“

Das Kerngeschäft von Deutz besteht daraus, Verbrennermotoren herzustellen und zu warten. 99 Prozent des Umsatzes des S-Dax-Konzerns von zuletzt 2,1 Milliarden Euro basieren darauf. Allerdings ist das Kölner Unternehmen etwas weniger von der Elektrifizierung bedroht, als es die Automobilhersteller sind, konzen­triert es sich doch auf Motoren für große Bau- und Landmaschinen, die abseits der Straße unterwegs sind. Auf dem Acker gibt es keine Steckdosen. Und riesige Maschinen mit Strom zu betreiben wird auch noch in einigen Jahren angesichts der benötigten tonnenschweren Batterien unrealistisch sein.

„Wir stehen zu unseren deutschen Standorten“

Die Richtung ist allerdings klar, wenngleich sich die Elektrifizierung deutlich langsamer vollzieht. Für Lkw-Hersteller gilt, dass sich der Bedarf an mittelschweren Dieselmotoren reduzieren und sich damit nicht mehr für alle die Produktion lohnen dürfte. Deutz setzt darauf, als unabhängiger Hersteller diese Aufgabe etwa für Lkw-Marken zu übernehmen. Von 2028 an produziert Deutz Motoren, die bislang von Daimler Truck hergestellt werden. Ein weiterer Faktor, der manchmal in der Betrachtung von Verbrennungsmotoren vergessen wird, ist, dass sie mit synthetischen Kraftstoffen oder neuer Technik wie Wasserstoffverbrennung auch in Zukunft noch eine Daseinsberechtigung haben, gerade für schwere Maschinen.

Trotzdem will Schulte sich nicht nur darauf verlassen: „Wir haben uns mit unserer neuen Strategie fokussiert, um unsere Aktivitäten zu sortieren und teilweise zu bereinigen“, sagt der 45 Jahre alte Vorstandsvorsitzende. Während sich Deutz zuletzt vom Hersteller für elektrische Bootsantriebe Torqeedo getrennt hat, kauft das Unternehmen auf einem anderen Feld zu.

Mit Wasserstoffmotoren im Film

Erworben haben die Kölner gerade einen amerikanischen Hersteller von Stromerzeugungsaggregaten namens Blue Star Power Systems. Im Geschäft mit dezentraler Energieversorgung, etwa mittels Generatoren für Krankenhäuser oder Supermärkte, sieht Schulte große Wachstumschancen. „Der Energiemarkt ist deutlich weniger abhängig von Konjunkturzyklen als unser heutiges Geschäft“, sagt er. Der Zukauf stärke das Unternehmen insgesamt. Blue Star erzielt derzeit einen Umsatz von etwas mehr als 100 Millionen Dollar im Jahr.

Der Energiebereich von Deutz soll bis zum Ende des Jahrzehnts auf das Fünffache anwachsen, auch durch weitere Akquisitionen. „Energie soll ein relevantes Geschäft werden, und dafür muss es für uns eine Größe von einer halben Milliarde Euro haben.“ Wachsen will Deutz dabei auch im Servicegeschäft, weshalb das Unternehmen zukünftig nicht nur auf Verkauf und Wartung setzt, sondern auch Motoren vermieten will.

Interesse an Lösungen, die heutige Deutz-Technik mit dem neuen Zukauf aus Amerika verbinden, gibt es schon von großen Streamingdiensten: „Wir sind mit unseren Wasserstoffmotoren Teil eines Projekts, das der Filmindus­trie in Nordamerika über wasserstoffbetriebene Generatoren eine CO2-arme Stromversorgung am Filmset ermöglicht.“ Eine möglichst nachhaltige Produktion gehört schließlich zum Image der Streamingdienste – und das soll auch beim Dreh in der Wildnis funktionieren.

„Verteidigung ist auch ein Wachstumsfeld“

Finanziert wurde der Zukauf von Blue Star mit einer Kapitalerhöhung, in deren Rahmen Deutz rund 72 Millionen Euro eingenommen hat. Der Konzern hat dafür die Zahl seiner ausgegebenen Aktien um 10 Prozent auf etwas mehr als 132 Millionen erhöht und damit vor allem neue europäische Investoren gewonnen. „Das bestärkt uns auch, weil wahrgenommen wird, dass sich Deutz weiterentwickelt“, sagt Schulte. Bislang wurde der Konzern von Investoren meist in der zweiten Reihe gesehen: solide, aber auch irgendwie unspektakulär. Mit den neuen Investitionen kommt mehr Bewegung rein: In einem Bericht vom vergangenen Freitag gaben die Analysten von Kepler Cheuvreux ein Kursziel von 7 Euro aus, 22 Prozent höher als der Vortagesschlusskurs von 5,73 Euro.

Schon vor einigen Tagen war der Kurs des Motorenherstellers um 20 Prozent gestiegen, nachdem Schulte in einem Interview angedeutet hatte, sich künftig auch stärker in der Rüstung zu engagieren. „Verteidigung ist auch ein Wachstumsfeld“, sagt Schulte der F.A.Z. „Da steht keine Akquisition vor der Tür, aber wir wissen, dass wir ein sehr gutes Produktportfolio haben, das wir weiterentwickeln können.“

Dabei gehe es etwa auch um die Motoren, die Deutz von Daimler Truck übernimmt und die freilich auch in militärischen Fahrzeugen eingebaut werden können. Schon heute repariert der Konzern in Ulm Motoren für die Bundeswehr. Gleichwohl wird das für Deutz kein Geschäftsbereich, wie es für spezialisierte Unternehmen wie es etwa bei Renk der Fall ist, wo inzwischen mehr als die Hälfte der Umsätze aus dem Rüstungsgeschäft stammt. Aber die Kursreaktion hat Schulte wahrgenommen: „Ich sehe das als Auftrag. Es hat uns gefreut, dass das auf Interesse gestoßen ist.“

Mehr Rüstung, weniger China

Strategisch wichtiger noch als Rüstung dürfte hingegen die gerade angekündigte Partnerschaft mit dem indischen Landtechnikkonzern TAFE sein. Die Inder wollen zunächst bis zu 30.000 Deutz-Motoren in Lizenz herstellen, und zwar mit 2,2 Liter (50 bis 75 PS) sowie 2,9 Liter (75 bis 100 PS) Hubraum die kleinsten, die der Konzern im Angebot hat. TAFE hat als Lizenznehmer ein Interesse, die Motoren gut und günstig zu produzieren, Deutz wiederum ein Interesse, möglichst viele in Märkten zu verkaufen, die besonders preissensibel sind – und die bislang mit der teureren deutschen Produktion nicht bedient werden können. „Zudem wollen wir die Komponenten auch hier in Köln einsetzen, um die Produktion günstiger zu machen und sie damit langfristig zu sichern“, sagt Schulte. „Wir stehen zu unseren deutschen Standorten.“

Schon heute bringt Deutz viele Motorenteile aus China nach Deutschland. „Aber wir möchten die Abhängigkeit von China reduzieren und uns breiter aufstellen“, sagt Schulte. Das hängt nicht nur mit geopolitischen Gründen zusammen und einer Sorge vor einem neuen Handelskonflikt. „Die Lieferantenlandschaft in Deutschland steht vor großen Herausforderungen“, sagt Schulte. Denn Motoren der Größe, um die es geht, stecken auch in vielen Autos, also in einem Massengeschäft, mit dem die Lieferanten in der Vergangenheit eben auch gemeinsam mit den Pkw-Herstellern gewachsen sind. Das Geschäft bricht an vielen Stellen weg, wodurch zahlreiche Lieferanten verschwinden. „Wir bauen uns also eine neue Lieferantenlandschaft auf, die uns auch in Zukunft hier in Deutschland eine resiliente Produktion gewährleistet.“

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