Über eine Million Euro kostet ein Mercedes 300 SL Roadster. Da gönnt man sich auch schon mal eine neue Lackierung für 50.000 Euro. Die irre Geschichte!
- Der Sportwagen des Jahrhunderts
- Das Rundumsorglos-Paket
- Die Originalfarbe ist nicht rot
- So absurd teuer sind Ersatzteile für den 300 SL
- Kostenpunkt zwischen 50.000 und 100.000 Euro
Der Mercedes 300 SL ist ein Traumwagen, ein sehr kostspieliger Traumwagen. Wurden die Flügeltürer lange Zeit höher gehandelt als die Roadster, haben sich die Preise in den vergangenen Jahren angenähert. Für den ab 1957 angebotenen 300 SL werden mittlerweile ebenfalls deutlich siebenstellige Summen bezahlt. Unter 1,2 Millionen Euro geht praktisch nichts. Doch was, wenn das Traumauto nicht in der gewünschten Farbe auf dem Markt erhältlich ist?Mit dieser Frage sah sich ein gut situierter Hamburger Unternehmer konfrontiert. Er fand einen Mercedes 300 SL Roadster aus dem Baujahr 1962, also ein spätes Exemplar mit Scheibenbremsen (davon gibt es nur 269 Stück), bei dem alles passte. Nur ein – zugegebenermaßen nicht unerhebliches – Detail war nicht nach seinem Geschmack: die Außenfarbe. Und so entschloss er sich, den wertvollen Roadster kurzerhand in seiner Wunschfarbe “Blaugrau (DB166)” neu lackieren zu lassen.
Der Sportwagen des Jahrhunderts
Der Mercedes 300 SL ist eine Ikone des Automobilbaus und wurde zu Recht zum “Sportwagen des Jahrhunderts” gekürt. Zwischen 1954 und 1957 entstanden 1400 Coupés, die legendären Flügeltürer. Mit einem einstigen Neupreis von 29.000 DM kostete ein 300 SL rund sieben Mal so viel wie ein VW Käfer, heute ist es das 80- bis 100-fache.1957 wurde der 300 SL Roadster vorgestellt (nur 1858 Exemplare wurden gebaut), der knapp 70 Jahre später unter Kennern als das fahraktivere Auto gilt. Unter anderem aufgrund der fehlenden Klimaanlage heißt es in 300 SL-Kreisen, dass das Coupé das Auto zum Hinstellen und der Roadster das Auto zum Fahren sei.
Das Rundumsorglos-Paket
Ortstermin am Friedrich-Ebert-Damm. Es ist Januar 2024. Geschäftsführer Benjamin David empfängt AUTO BILD mit einem breiten Grinsen und zeigt uns stolz den imposanten Showroom. Hier stehen Supersportwagen wie Porsche 911 Dakar, Lamborghini Huracán STO, Ferrari 812 Competizione und unzählige weitere Traumautos fein säuberlich aufgereiht. Die meisten werden verkauft, einige sind über die Wintermonate eingelagert.Als Nächstes geht es in die Werkstatt, denn bei David Finest Sports Cars werden die Autos nicht nur verkauft, sondern auch gewartet, aufbereitet und veredelt. Wir stehen vor dem noch roten Mercedes 300 SL Roadster, die ersten Anbauteile sind bereits demontiert …
Bild: Jan Götze / AUTO BILDBei allem Know-how musste das Werkstatt-Team um Serviceleiter Olaf Bornhöft sich in die Thematik peu à peu einarbeiten. Zwar sind Reparaturen an Porsche, Lamborghini und Ferrari hier Tagesgeschäft, aber die Demontage und Neulackierung eines zwischen 1,2 und 1,5 Millionen Euro wertvollen 300 SL ist eine andere Hausnummer.
Die Originalfarbe ist nicht rot
Bild: Jan Götze / AUTO BILDDie Zerlegung des 300 SL nahm rund zwei Wochen in Anspruch. Nicht nur mussten alle Teile ordnungsgemäß ausgebaut, beschriftet und gelagert werden, wozu extra Schränke in der Werkstatt leer geräumt wurden, die Arbeit musste auch mit höchster Vorsicht geschehen, denn wirklich jedes Bauteil am 300 SL kostet ein kleines Vermögen.
So absurd teuer sind Ersatzteile für den 300 SL
Beispiele gefällig? Das originale Lenkrad schlägt mit rund 12.000 Euro zu Buche, die Zierleisten im Innenraum kosten rund 2000 Euro pro Stück (und es gibt mehr als zehn Stück), ein originaler Wagenheber 6000 Euro, die Wischerblätter 3000 Euro, und der legendäre Dreiliter-Reihensechszylinder (M 198) liegt bei etwa 400.000 Euro.
Bild: Jan Götze / AUTO BILDDer Zusammenbau kann ein bisschen wie Lego für Erwachsene beschrieben werden, mit dem Unterschied, dass hier jeder Fehler Tausende von Euro kostet. Zudem ist neben Geduld auch Fingerspitzengefühl gefragt, für die kleinsten Bauteile war zuweilen eine haushaltsübliche Pinzette vonnöten.
Kostenpunkt zwischen 50.000 und 100.000 Euro
Doch am Ende zählt das Ergebnis – und das kann sich sehen lassen. Nach dem mehrmonatigen Werkstattaufenthalt sieht der 300 SL Roadster aus wie ein Neuwagen und ist pünktlich zum Sommer bereit für die ersten Ausfahrten. Dass die Neulackierung inklusive Teilrestauration irgendetwas zwischen 50.000 und 100.000 Euro gekostet hat, dürfte der Besitzer angesichts des aktuellen Marktwerts des 300 SL verkraften können. Hätte er ihn in der Originalfarbe “Zementgrau (DB186)” lackieren lassen, so wäre der Roadster vermutlich sogar noch wertvoller, die Lackierung durch den Wertzuwachs so gesehen gar umsonst gewesen. Doch bei einem Traumauto geht es nur selten um Vernunft.