Mazda holt den Drehkolbenmotor aus der Versenkung und packt ihn in ein Elektroauto. Macht das noch Sinn? Eine Testfahrt nährt eher Zweifel.
- Serieller Plug-in Hybrid
- Wankelmotor gegen die Reichweitenangst
- Akku fasst nur 17,8 Kilowattstunden
- Maximal 85 Kilometer im EV-Mode
- Plug-in so teuer wie die Batterieversion
- 2500 Exemplare für Deutschland in 2024
Mein allererstes Elektroauto bekam ich 2017 – zugeteilt von unserer Fuhrparkmanagerin. Einen 125 kW (170 PS) starken BMW i3 REX, einen kleinen Stromer mit einem 34 PS starken Zweizylinder-Boxermotor als „Range Extender“. Eigentlich hätte ich gern ein rein batterieelektrisches Fahrzeug übernommen. Aber damit würde ich nicht glücklich, beschied mir die Herrin über die Dienstwagen. Für tägliche Pendelfahrten über 150 Kilometer seien die aktuell verfügbaren Elektroautos meiner Preisklasse nicht ausgelegt. Und die Ladeinfrastruktur weise noch große Lücken auf: „Damit werden Sie nicht glücklich.“
Serieller Plug-in Hybrid
Und so fuhr ich denn zwei Jahre lang einen „E-Rex“ durch die Lande. Die Batteriekapazität war mit (brutto) 33,2 kWh tatsächlich etwas knapp bemessen. Sie reichte so gerade aus, um von daheim über Landstraßen und die Autobahn ins 75 Kilometer entfernte Büro in der Düsseldorfer Innenstadt zu stromern. Reichweitenangst kam trotzdem keine auf. Denn ich hatte ja noch den Motorradmotor als eiserne Reserve an Bord. Dank des 9-Liter-Tanks waren damit Fahrten ohne Lade- oder Tankpause von bis zu 300 Kilometern möglich.
Edition R Zum Start gibt es den neuen Mazda MX-30 R-EV in einer 45.040 Euro teuren Sonderedition mit schicker Zweifarb-Lackierung.
Über fünf Jahre später sitze ich wieder in einem wiederaufladbarem Elektroauto mit einem benzingetriebenen Motor als Reichweitenverlänger – im nagelneuen Mazda MX-30 e-Skyactiv R-EV. So umständlich bezeichnet Mazda eine Variante des bereits im Herbst 2020 eingeführten Batterieautos MX-30 mit kleinerem Akku, aber einem Wankelmotor samt Stromgenerator als Reichweitenverlängerer. Genau gesagt handelt es sich wie beim BMW i3 REX von 2017 um einen seriellen Plug-in Hybrid. Interessanterweise mit der gleichen Antriebsleistung – 125 kW.
Wankelmotor gegen die Reichweitenangst
Japanische Ingenieurskunst Die komplette, 125 kW starke Antriebseinheit mit Einscheiben-Kreiskolbenmotor und Generator ist sehr kompakt geraten.
Technisch ist der MX-30 E-REV ein echter Leckerbissen. Vor allem durch den nagelneuen, ultrakompakten Einscheiben-Kreiskolbenmotor mit 830 Kubikzentimetern Hubraum, den Mazda in über dreijähriger Arbeit speziell für dieses Fahrzeug entwickelt hat. Ob er noch in anderen Fahrzeugen zum Einsatz kommt, steht zwar noch nicht fest. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings hoch: Wie Uefuji im Gespräch einräumt, hat Mazda erhebliche Mittel in die Entwicklung und Verfeinerung des Wankelmotors gesteckt – und auch schon fit für den Betrieb mit Wasserstoff oder synthetischen Kraftstoffen gemacht. Entsprechend euphorisch sieht sie die Perspektiven des vergleichsweise teuren Aggregats: „Zehn Jahre nach der Beendigung der Serienproduktion eines Autos mit Kreiskolbenmotor feiert die Technik nun im Zeitalter der Elektrizierung als Generator ein Comeback.“
Akku fasst nur 17,8 Kilowattstunden
Kreiskolbenmotoren galten in der Vergangenheit nicht als besonders sparsam. Mazda will diese Schwäche mit einer Benzindirekteinspritzung, neuen Materialien und geringeren Toleranzen in der Fertigung ausgetrieben haben. Zudem läuft die Maschine als Generator nur mit maximal 4500 Umdrehungen. Zudem ist die Höchstgeschwindigkeit des MX-30 R-EV auf 140 km/h begrenzt. Das alles soll den Spritverbrauch im Schnitt auf ein Liter pro 100 Kilometer begrenzen.
Tatsächlich kommen wir dem Normverbrauch bei einer ersten Ausfahrt mit dem Mazda von München nach Augsburg und zurück recht nahe. Zumindest im ersten Teil, die uns bei spätsommerlichen Temperaturen überwiegend über Landstraßen führt. Zur Halbzeit weist der Bordcomputer einen durchschnittlichen Benzinverbrauch von 1,4 Litern Benzin aus. Hinzu kamen 18,1 Kilowattstunden Strom aus dem nur 17,8 kWh fassenden Akku – im rein elektrischen „EV-Mode“ hätten wir das rund 90 Kilometer entfernte Ziel also nicht erreicht. Und das Laden des Akkus unterwegs hätte uns viel Zeit gekostet: Mehr als 36 kW nimmt der Onboard-Charger selbst an einer mit Gleichstrom betriebenen Schnellladesäule nicht auf.
Maximal 85 Kilometer im EV-Mode
Aber wir hatten ja noch den Wankel an Bord, der sich im „Normal Mode“ (in dem der Ladestand der Batterie bei 45 Prozent des Gesamtspeichervolumens gehalten wird) immer wieder leise knurrend hinzuschaltete, wenn es bergauf ging oder galt, einen voranfahrenden Lastzug zu überholen. In Summe und dank des großen Tanks lassen sich damit Reichweiten von über 600 Kilometer darstellen. Vollelektrisch im „EV-Mode“ allerdings nur maximal 85 Kilometer. Wer unterwegs in den „Charge Mode“ wechselt und den Akku während der Fahrt mithilfe des Verbrenners lädt, kann sich die langen Ladepausen immerhin sparen und somit Reisezeit gewinnen – zulasten der CO2-Bilanz.
Rasante Beschleunigungen sind allerdings selbst beim Kick-down – dem vollständigen Durchtreten des Fahrpedals – allerdings nicht zu erwarten. Dafür ist der Antrieb nicht ausgelegt, das maximale Drehmoment von 290 Newtonmetern zu gering und das Fahrzeuggewicht von 1778 Kilogramm zu hoch.
Ganz konventionell Das ansehnliche Cockpit des R-EV ist identisch mit dem der Batterieversion, inklusive Korkeinlagen und Hartplastik.
Plug-in so teuer wie die Batterieversion
Na ja, für ein vollwertiges Familienauto ist der MX-30 allerdings auch etwas knapp geschnitten und aufgrund der Portaltüren auch eher unpraktisch: Wer hinten sitzt, kommt erst raus, wenn die Vordertüren geöffnet werden und die Personen dort ihre Sitze geräumt haben. Auch darin sind sich BMW i3 und der Mazda frappant ähnlich. Wobei der BMW nach meiner Erinnerung hinten etwas mehr Knie- und Kopfraum bot. Dafür hat der Mazda schon in der 35.990 Euro teuren Basisversion „Prime“ serienmäßig ein Head-up-Display, ein Navigations- sowie zahlreiche Assistenzsysteme an Bord. Heutzutage erwarten Autokäufer so etwas. In unserem 45.040 Euro teuren Testwagen der „Edition R“ mit schicker Zweiton-Lackerung waren zudem Matrix-LED-Scheinwerfer, ein elektrischer Fahrersitz sowie eine 1500-Watt-Steckdose – zum Beispiel zum Laden des Laptops – an Bord.
Kreiskobel-Symbolik
Wer jetzt nach der Preisliste für den vollelektrischen MX-30 sucht: Der Aufpreis für den R-EV beträgt lediglich 500 Euro. Und der ist allein der Haushaltssteckdose geschuldet: Ausstattungsbereinigt kosten beide Modelle gleich viel. Was der eine mehr an Batteriekapazität hat (35,5 statt 17,8 kWh), schleppt der andere im Gegenwert des Wankelmotors durch die Lande. Das nennt man wohl ein Nullsummen-Spiel.
2500 Exemplare für Deutschland in 2024
Insofern sollte man wissen, wofür das Auto benötigt wird und wie das typische Fahrprofil aussieht, ehe man sich für eines der beiden Modelle entscheidet. Oder, der Hinweis sei hier erlaubt, für ein vollwertiges Elektroauto mit großer Reichweite eines anderen Hersteller. Zum Vergleich: Der in etwa gleich große und 200 kW starke Volvo EX-30 ist demnächst für beinahe den gleichen Preis (ab 36.590 Euro) zu bekommen, kommt mit einer Akkuladung immerhin 344 Kilometer weit und lädt den Strom zügig mit bis zu 153 kW.
Portaltüren für die Passagiere Das Türkonzept teilt der Mazda MX-30 mit dem (eingestellten) BMW i3. Es sieht schick aus, ist aber nicht sehr praktisch.
Bei Mazda Deutschland sind sie sich sicher, dass der R-EV sich hierzulande etwas besser verkauft als der Vollstromer. Die Rede ist von 1500 Exemplaren der Batterieversion und 2500 Einheiten des Plug-in Hybrid im kommenden Jahr. Das entspräche einem Mix von 62 zu 38 Prozent zugunsten des R-EV. In diesem Jahr sollen hierzulande noch 650 Exemplare des Teilzeitstromers abgesetzt werden – der Verkauf beginnt schließlich erst im November.
Mazda-Deutschland-Geschäftsführer Felix Gebhart ist jedenfalls sicher, dass Plug-in-Hybride weiterhin gefragt sein werden, auch wenn die Anschaffung nicht mehr mit einem staatlichen Umweltbonus unterstützt wird. Seit Jahresbeginn sei der Anteil des Antriebskonzepts an den Neuzulassungen um fast 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Aber 2022 habe es auch einen Vorzieheffekt gegeben. „Man kann also mitnichten behaupten, der Markt für PHEVs sei völlig eingebrochen.“ Mit einem Marktanteil von 5,6 Prozent sei das Segment weiterhin relevant und wegen der steuerlichen Vorteile bei der Dienstwagen-Besteuerung für Fuhrpark-Manager weiterhin relevant. Vielleicht sollte ich bei meiner alten Kollegin noch einmal anklopfen.