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Die neue Lust am elektrischen Mountainbike

836.000 Geländefahrräder mit Antrieb wurden 2022 verkauft. Was E-MTBs kosten, was sie können – und wo Interessenten sie in Sachsen für Testfahrten leihen können.

die neue lust am elektrischen mountainbike

Mit Rückenwind aus der Steckdose über Stock und Stein: 38 von 100 hierzulande verkauften E-Bikes taugen für die Fahrt über Stock und Stein. © Kay Tkatzik/pd-f.de

Puristen unter den Mountainbikefahrern lieben diesen T-Shirt-Spruch: „Warum ich ohne Akku fahre? Weil ich es kann!“ Doch der Trend in Deutschland geht in die entgegengesetzte Richtung. Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) hat sich die Zahl der verkauften Mountainbikes ohne Motorunterstützung seit 2019 halbiert. Geländeräder mit Elektromotor verkaufen sich dagegen blendend. 836.000 Exemplare waren es vergangenes Jahr, das entspricht einem Zuwachs von 38 Prozent. Das Seltsame daran: Manch einem geht es gar nicht darum, offroad zu fahren.

Worin liegt das Erfolgsgeheimnis der E-Mountainbikes?

ZIV-Sprecher Reiner Kolberg nennt als entscheidenden Faktor den hohen Nutzwert für Freizeitfahrer. „Mit einem E-Mountainbike lassen sich längere und steigungstechnisch anspruchsvollere Strecken zurücklegen.“ Die Quälerei bergauf weiche dem Genuss. „Wer möchte, kann die Motorunterstützung jederzeit reduzieren oder ganz abschalten und sich richtig auspowern, um danach wieder entspannt weiterzufahren.“

Dazu komme ein Imagewandel, so Kolberg. „Hightech-E-Mountainbikes sind mittlerweile Statussymbole.“ Matthias Scheffler vom Dresdner Onlinehändler elektrofahrrad24.de sieht noch eine andere Ursache für den Erfolg: „Ich nenne es den Trend zum Eskapismus. Mountainbikes bedienen das Motiv der Flucht vor dem beruflichen, oft urban geprägten Alltag.“

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“Mountainbikes bedienen das Motiv der Flucht vor dem beruflichen, oft urban geprägten Alltag”, sagt Matthias Scheffler vom Dresdner Onlinehändler elektrofahrrad24.de. © Elektrofahrrad24.de

Wie viel kostet ein solides E-Mountainbike mindestens?

Kommt darauf an, ob es ein Markenhersteller sein soll oder nicht. Ab etwa 2.000 Euro seien ansprechende Hardtails, also Räder ohne gefederten Hinterbau, zu kriegen, sagt Scheffler. „Dafür bekommt man einen Alurahmen, eine Gabel mit 100 Millimetern Federweg, eine Kettenschaltung mit neun oder zehn Gängen und einen No-Name-E-Antrieb.“

Der Herstellername auf dem Motor fehle bei Anbietern wie Decathlon deshalb, weil sich damit ohnehin kein Vertrauen gewinnen lasse, so Scheffler. Für ein Markenrad-Hardtail sollten Interessenten mindestens 2.500 Euro kalkulieren, sagt Thomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad, einem Zusammenschluss von 50 Vereinen, Firmen, Institutionen und Organisationen rund ums Fahrrad. Vollgefederte E-Mountainbikes seien mindestens noch mal 1.000 Euro teurer. Nach oben gibt es kaum Preisgrenzen. Zahlungskräftige Kunden können locker 15.000 Euro und mehr ausgeben.

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“85 bis 96 Newtonmeter sind Standard”, sagt Thomas Geisler vom Pressedienst Fahrrad über das maximale Drehmoment von Motoren aktueller E-Mountainbikes. © Frank Stefan Kimmel/Pressedienst Fahrrad

Der Mehrpreis komme weniger durch den Antrieb und den Akku zustande, sondern durch edles Beiwerk, sagt Matthias Scheffler: „Dinge wie ein elektronisches Fahrwerk, elektronische Schaltung, Sonderlackierung, limitierte Auflage, Federgabel und Dämpfer mit hochwertigen Beschichtungen.“

Welcher Antrieb ist zu empfehlen, sollte er möglichst stark sein?

„Momentan sind 85 bis 95 Newtonmeter Drehmoment Standard“, sagt Thomas Geisler. Das Ende der Fahnenstange sei derzeit bei 120 Newtonmetern erreicht. Diesen Topwert schaffe ein Motor der deutschen Firma TQ Systems. „Aber das ist eher Nische.“ Hierzulande am verbreitetsten sind Bosch-Motoren des Typs Performance Line CX, bei Shimano ist es das Aggregat Steps EP8.

Gleichzeitig befördern Konkurrenten wie das zu Porsche gehörende Start-up Fazua den Trend zu kleinen, weniger drehmomentstarken Antrieben. Deren Vorteil: Das Gewicht des Rades sinkt, was ihm ein ähnliches Handling verschafft wie ein normales Mountainbike. Weitere gute Motoren kommen laut Einschätzung der Experten von Yamaha, Brose und Panasonic.

„Mittelmotoren sind schon im unteren Drehzahlbereich agil, arbeiten also quasi aus dem Stand heraus sehr gut“, sagt Reiner Kolberg vom ZIV. „Viel hilft viel“ sei im Hinblick aufs Drehmoment der falsche Ansatz. „Es kommt aufs Zusammenspiel der Komponenten und die Elektronik an.“

Wann ist ein E-Mountainbike leicht, wann gilt es als schwer?

„Das Lightrider E Ultimate des Schweizer Herstellers Thömus ist ein vollgefedertes Cross-Country-E-Bike und wiegt weniger als 15 Kilo“, sagt Matthias Scheffler. Zu den Fliegengewichten zählt auch das Scott Lumen mit 15,5 Kilo.

Doch solcher Leichtbau will bezahlt sein: Das Top-Modell der Lumen-Serie kostet fast 16.000 Euro. Auch für das Thömus-Mountainbike wird eine fünfstellige Summe fällig. Weniger gewichtsoptimierte Modelle mit größeren Akkus, anderen Motoren und schwereren Rahmen kratzen dagegen an der 30-Kilo-Marke. Als Normalgewicht bezeichnet Thomas Geisler die Spanne wischen 21 und 25 Kilo.

Gibt es Angebote, die man trotz günstiger Preise meiden sollte?

Egal ob Antrieb, Schaltung, Bremsen oder Reifen: Essentielle Bauteile ohne Hersteller- und Modellbezeichnung seien normalerweise kein gutes Zeichen, sagt Scheffler. Schon in der Phase, in der die Komponenten funktionieren, dürfe man nicht zu viel erwarten. „Die wahren Probleme kommen aber erst mit den ersten Defekten.“

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Bosch ist der Platzhirsch unter den Anbieter von Motoren für E-Bikes. Doch es gibt eine Reihe anderer Unternehmen, die ebenfalls gute Antriebe bauen. © Arne Dedert/dpa

So werde die Ersatzteilbeschaffung für viele gewöhnliche Fahrradläden oft mühsam, wenn nicht gar unmöglich. „Und Kompatibilität zu höherwertigen Alternativen dürfte nur äußerst selten gegeben sein.“

In dem Kontext hat der E-Bike-Fachmann noch eine bemerkenswerte Zahl parat. „Gut 90 Prozent des Ersatzteilmarktes für E-Bikes in Deutschland entfallen auf Bosch-Systeme. Darauf haben sich die meisten Werkstätten eingestellt – verständlicherweise.“

Welche Ausstattung ist Pflicht, welche tendenziell verzichtbar?

Das hängt stark vom Einsatzzweck ab. „Wer zum Beispiel gerne auf Trails unterwegs ist, sollte über eine versenkbare Sattelstütze nachdenken“, empfiehlt Thomas Geisler. „Eine elektronische Schaltung ist etwas für Fahrer, die viele kurze Anstiege fahren, auf denen sie oft schalten müssen.“ Scheibenbremsen sollten immer an Bord sein, sind aber ohnehin Standard.

Gibt es auch vollausgestattete, alltagstaugliche E-Mountainbikes?

Ja, sogenannte SUV-E-Bikes. „Dabei handelt es sich um vollgefederte Räder mit moderatem Federweg, Schutzblechen, Lichtanlage, Gepäckträger und Seitenständer“, erklärt Matthias Scheffler. Inspiriert ist der Name von den gleichnamigen vierrädrigen Sports Utility Vehicles, also Pseudo-Geländewagen, die mittlerweile die Zulassungsstatistiken dominieren.

Stiftung Warentest hat zuletzt im Frühjahr vergangenen Jahres neun SUV-Pedelecs geprüft und die Bestnote (1,8) dem österreichischen Hersteller KTM verliehen. Dessen rund 4.200 Euro teures Modell Macina Aera 671 LFC überzeugte demnach mit gut abgestuftem Bosch-Motor, schnell zu ladendem 625-Wattstunden-Akku und kräftiger Lichtanlage. Auf den Rängen zwei und drei landeten das Simplon Kagu Bosch CX 275 TR (ca. 5250 Euro) und das Specialized Turbo Tero 4.0 Step-Through EQ (ca. 5.100 Euro) – beide mit der Gesamtnote „Gut“ (2.1).

Lohnt sich der Kauf eines gebrauchten E-Mountainbikes?

Wie bei vielen teuren Konsumgütern existiert auch bei E-Bikes mittlerweile ein Refurbished-Markt. Unternehmen wie Rebike, Upway, Velio, Bikesale, Bike-Resale oder Gebrauchtrad Studio bieten generalüberholte E-Mountainbikes deutlich unter Neupreis an. Die Nachlässe variierten je nach technischem Zustand des Rads und Nachfrage enorm, sagt Scheffler.

Beispiel Rebike: Der Aufbereiter aus München verlangt 5.700 Euro für ein Cannondale Moterra Neo Carbon 2 des Baujahres 2022. Als Referenzpreis nennt Rebike die unverbindliche Preisempfehlung von 7.500 Euro, der reale Preisvorteil dürfte also eher unter den beworbenen 1.800 Euro liegen.

Dem Motor und dem Akku sollten Käufer besondere Beachtung schenken, mahnt Scheffler. „Der Händler kann zum Beispiel ein Updateprotokoll generieren, aus dem die genaue Anzahl der Ladezyklen hervorgeht. Auf dieser Basis lässt sich der Zustand des Akkus seriös bewerten.“ Gebrauchtkäufe von Privat zu Privat über Ebay Kleinanzeigen und Co. blieben eine heikle Angelegenheit, sagt er.

Wo kann man E-Mountainbikes für Probefahrten ausleihen?

Für einen Überblick, welche Verleiher in Sachsen passende Modelle anbieten, sollten Interessenten die regionalen Tourismusverbände kontaktieren. Hier gilt: Je bergiger die Landschaft, desto größer das Angebot. Im Erzgebirge beispielsweise ist das Trailcenter Rabenberg in Breitenbrunn eine bekannte Adresse. Dort stehen zum Saisonstart am 29. April knapp zwanzig E-Mountainbikes bereit. Die Tagesleihe kostet 65 Euro.

Viele geländegängige Pedelecs seien auch am K1 Sporthotel und bei Sport Gahler in Oberwiesenthal sowie im Verleih am Greifenbachstauweiher unweit von Ehrenfriedersdorf verfügbar, sagt Ronny Schwarz vom Tourismusverband Erzgebirge. Eine Linkliste mit weiteren Verleihern in der Region finden Interessenten hier.

In der Sächsischen Schweiz können motorisierte Mountainbikes zum Beispiel bei Bike and Snow in Pirna, Kanu Aktiv Tours in Königstein oder beim Aktiv Zentrum Sächsische Schweiz in Bad Schandau gemietet werden. Selbst im Lausitzer Seenland gibt es Verleiher, die derlei Nachfrage bedienen – beispielsweise die Fahrradvermietung Bike Stadl im Senftenberger Ortsteil Großkoschen, teilt Katja Wersch vom regionalen Tourismusverband mit.

Im nächsten Teil der Serie “Sachsen radelt” lesen Sie: Ein normales Fahrrad zum E-Bike umrüsten – lohnt sich das?

Dier bisher erschienenen Teile der Serie: E-Bike überholt Normalrad – auch bei den Verkaufszahlen und In fünf Schritten zum passenden Fahrrad.

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