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In fünf Schritten zum passenden Fahrrad

Branchenkenner David Koßmann über Radgattungen, Ausstattung, Reichweiten, steigende Preise und das sich verändernde Image von E-Bikes.

in fünf schritten zum passenden fahrrad

David Kossmann beim Mountainbiken in der Dresdner Heide: Der 44-Jährige ist ein ausgewiesener Kenner der Fahrradbranche. © Pressedienst Fahrrad

Er kennt die Fahrradbranche aus verschiedenen Blickwinkeln: David Koßmann hat in Fahrradläden und als Radkurier gearbeitet, seit 2008 gehört er zum Branchennetzwerk Pressedienst Fahrrad.

Herr Koßmann, sogenannte Fahrrad-Finder im Netz versprechen, binnen weniger Minuten das richtige Rad zu finden. Wie gut funktioniert das?

Solche Versprechen halte ich für fahrlässig. Sie können sich mit solchen Werkzeugen allenfalls grob orientieren. Außerdem stehen hinter solchen Services meist bestimmte Hersteller. Niemals würde ich nur aufgrund der Ergebnisse eines Online-Fahrradfinders eine Kaufentscheidung fällen.

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Seit 2008 arbeitet David Koßmann für das Branchennetzwerk Pressedienst Fahrrad. Er kennt die Branche aber auch aus der Perspektive eines Fahrradladenmitarbeiters und Radkuriers. © Frank-Stefan Kimmel/Pressedienst Fahrrad

Zu welchem Vorgehen raten Sie?

Arbeiten Sie einen Fünf-Punkte-Plan ab. Punkt eins: Bestimmen Sie den Einsatzzweck! Wollen Sie am Wochenende in den Schrebergarten, oder müssen Sie Ihre Kinder in die Kita schaffen? Wollen Sie reisen, transportieren Sie Einkäufe? Müssen Sie Ihr Rad regelmäßig ins dritte Obergeschoss tragen? Aus den Antworten auf diese Fragen leiten sich Empfehlungen ab.

Punkt zwei?

Das Budget. Was sind Sie bereit oder in der Lage auszugeben? Natürlich kriegen Sie für 300 Euro im Baumarkt ein Fahrrad. Wenn Sie aber Ihr Zweitauto abschaffen wollen, jeden Tag sieben Kilometer ins Büro und manchmal auch auf holprigen Waldwegen radeln möchten, kommen Sie mit so einer Summe nicht hin.

Und die übrigen drei Punkte?

Drittens: Klären Sie die Finanzierung. Also, ob vielleicht auch Leasing infrage kommt. Viertens und fünftens: Vereinbaren Sie einen Beratungstermin beim Händler Ihres Vertrauens und machen Sie eine ausgiebige Probefahrt mit Ihrem Wunschrad.

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Der Trend ist eindeutig: 2023 wird aller Voraussicht nach mehr als jedes zweite verkaufte Fahrrad einen Elektromotor haben. © Andreas Arnold/dpa

Was zahlt man heutzutage für ein durchschnittliches Rad?

2022 lagen wir laut Zweirad-Industrie-Verband bei 1.600 Euro, wenn Fahrräder ohne Motor und E-Bikes statistisch zusammengefasst werden. E-Bikes kosteten im Schnitt 2.800 Euro, normale Fahrräder 500 Euro. Wobei hier auch Kinderräder mit erfasst werden. Grundsätzlich gilt: Die Preise sind über die Jahre immer weiter gestiegen. Wegen des E-Bike-Booms war der Sprung 2022 noch mal ein gewaltiger.

Verwundert Sie es, dass Leute so viel Geld für ein E-Bike ausgeben?

Jein. Was das E-Bike dem Fahrrad voraushat, ist der „Rückenwind aus der Steckdose“. Das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Die Leute sind bequem und ein bisschen faul, haben Spaß am Geschobenwerden. Und sie merken, dass diese Dinger hip sind. Fahrräder sind Statussymbole geworden, E-Bikes haben großen Anteil daran. Andererseits mache auch ich als Fahrradmensch bei manchen Preisen große Augen.

Den Ruf als Rentnergefährte haben E-Bikes verloren, oder?

Natürlich sagen manche: ‚Ach, ich brauch so was doch nicht.‘ Meine Mutter tickt so, sie fährt tapfer ihr Trekkingrad. Mittlerweile ist sie aber Mitte 60. Neulich schlug sie vor, wir könnten doch mal schauen, was es so an E-Bikes gibt… Generell gilt: Die Zielgruppe für E-Bikes wird jünger.

Was sind die Hauptgründe?

Einerseits hat es mit Pendlern zu tun, die aufs Rad umsteigen, andererseits mit Familien, die ihren Zweitwagen verkaufen und sich stattdessen ein kompaktes Pedelec zulegen, das sich schnell auf unterschiedliche Körpergrößen einstellen lässt. Wahlweise auch ein elektrisches Lastenrad.

Tatsächlich bekommt man für den Preis mancher Pedelecs auch einen gebrauchten Kleinwagen.

Was aber nach wie vor unterschätzt wird, ist das Thema Leasing. Immer mehr Firmen nutzen das Dienstradprivileg. Damit werden teurere Räder erschwinglicher. Manch einer zuckt dann eben nicht mehr vor einem Listenpreis von 7.000 Euro zurück, sondern akzeptiert, dass die Monatsrate in diesem Fall vielleicht von 90 auf 110 Euro steigt. Das schmerzt weniger.

Noch mal zum Durchschnittspreis fürs E-Bike: Was kann ich als Käufer für 2.800 Euro erwarten?

Kommt immer auf die Fahrradgattung an. Ein elektrisches Trekkingrad oder Citybike der Mittelklasse sollte einen kräftigen Mittelmotor und einen relativ großen Akku haben, dazu hydraulische Scheibenbremsen, Federung und LED-Beleuchtung.

Wie definieren Sie „kräftiger Motor“ und „relativ großer Akku“?

Die Akkukapazität wird in Wattstunden gemessen. Bei kleineren, leichteren Akkus findet man Exemplare ab 300 Wattstunden, große haben 600 bis 750. Für Lasten- oder Reiseräder mit Doppelakku können es 1.200 bis 1.500 Wattstunden sein.

Welche Reichweite ergibt das?

Kommt darauf an, was Sie von dem Rad wollen. Wenn Sie 60 Kilo wiegen, mit Rückenwind an elbabwärts fahren und Unterstützungsstufe eins aktivieren, kommen Sie vielleicht 120 Kilometer weit. Dagegen kann bei einem vollbepackten Reiserad durchs Osterzgebirge ein Doppelakku nach 50 Kilometern leer sein. Es gilt also herauszufinden: Wo fahre ich, und wie fahre ich?

Was macht einen guten Antrieb aus?

Die meisten E-Bikes haben einen Mittelmotor. Der heißt so, weil er sich an der Kurbel, also in der Mitte des Rades, befindet. Dort ist er fahrdynamisch am günstigsten. Es kann aber auch Vorteile haben, vorn oder hinten einen Nabenmotor zu haben. Die Motoren haben eine Nenndauerleistung von 250 Watt, und bei 25 km/h wird abgeriegelt. Sie können aber kurzzeitig auch mal 800 oder 1.000 Watt leisten – aber niemals über einen längeren Zeitraum. Die Kraftunterschiede zeigen sich beim Drehmoment, das in Newtonmetern angegeben wird. Die stärksten E-Mountainbikes bringen es auf 120 Newtonmeter. Das ist Moped-, wenn nicht Motorradniveau.

Welche Werte erreichen andere Räder?

Ungefähr 80 bis 90 Newtonmeter sind es zum Beispiel bei Lastenrädern, Reise-Pedelecs oder SUV-E-Bikes. Normale Stadt- und Trekkingräder liegen bei 50, Räder mit extraleichten Motoren zwischen 35 und 40. Natürlich gibt es Modelle, die außerhalb dieser Korridore liegen.

Was sind SUV-E-Bikes?

Ein Zwischending aus Mountainbike und Reiserad, also mit breiten Profilreifen, Federung, aber voll ausgestattet, inklusive Beleuchtung, Gepäckträger und Schutzbleche.

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Sicherheit geht vor: Mittlerweile gibt es sogar ein Antiblockiersystem (ABS) für E-Bikes. Damit soll das Bremsen auch in Kurven sicherer werden. © Bosch

Wem empfehlen Sie ein E-Bike, dem man die Kraft nicht ansieht, weil der Akku im Unterrohr versteckt ist?

Es gibt Menschen, die nicht zeigen wollen, dass sie E-Bike fahren. Insofern eignet sich so ein Modell für eitle Leute (lacht). Ausschlaggebend ist aber häufig, dass das Rad regelmäßig getragen werden muss, um es in der Wohnung zu laden.

Welches Minimalgewicht erreichen diese Inkognito-E-Bikes?

Um die 15 Kilo. Sowohl optisch als auch gewichtsmäßig sind da kaum noch Unterschiede zum Rad ohne Motor. Interessant ist, dass in dieser Gattung immer noch neue Modelle herauskommen und Hersteller nicht nur Modellpflege betreiben.

Welche Prämissen gelten bei der Wahl der Rahmenform?

Erlaubt ist, was gefällt und von den Körpermaßen her passt. Kategorien wie Damenrad und Herrenrad sind überholt. Generell gibt es drei Varianten: den klassischen Diamant-Rahmen mit hohem Oberrohr, den Trapezrahmen, bei dem das Oberrohr etwas tiefer Richtung Tretlager angeschlagen ist, und Rahmen mit tiefem Durchstieg, zum Beispiel Schwanenhalsrahmen. Unisex-Räder haben häufig Trapezrahmen.

Welche Radgattung ist in Deutschland am beliebtesten?

Nach wie vor das Trekkingrad – der Jack-Wolfskin-Anorak unter den Fahrrädern. Wobei ich neulich gelesen habe, das Gravelbike sei das neue Trekkingrad.

Was raten Sie bei der Wahl der Komponenten und der Ausstattung?

Fragen Sie nicht nur nach Komfort, sondern auch, welche Wartungsintensität Sie sich einhandeln. Einige Gabelhersteller sprechen von 40, 50 Nutzungsstunden bis zum nächsten Service. Mancher fährt das in einer Woche! Oder die Schaltung: Mein Schwager hat sich ein S-Pedelec gekauft und pendelt damit täglich von Weimar nach Erfurt. Nach acht Wochen rief er an und fragte: Sag mal, wann muss man eigentlich so ’ne Kette tauschen? Es stellte sich raus, dass er schon 2.700 Kilometer weg hatte. Vielfahrer sollten also erwägen, ob sie statt Ketten- lieber Riemenantrieb beziehungsweise statt Ketten- eine Nabenschaltung oder ein Getriebe ordern. Weil solche Komponenten auf andere Belastungen ausgelegt und wartungsärmer sind.

Welche Laufradgröße ist die richtige?

Das Dogma „Ich bin erwachsen und fahre 28 Zoll“ ist Unfug. Entscheidend sind die Körpergröße und was das Rad können soll. Es gibt wendige Stadträder für Erwachsene mit 20-Zoll-Rädern. Wollen Sie ins Gelände, sind große Laufräder gut. Es gibt sogar Räder mit zwei Laufradgrößen. Beim Mountainbike heißt dieser Mix aus großem Vorder- und kleinem Hinterrad Mullet. So bekommt man spurstabile Führung vorn und Agilität hinten. Bei Lastenrädern ist es umgekehrt, damit der Schwerpunkt des Gewichts auf dem Frontträger niedrig liegt.

Wie löst man das Größendilemma bei Kindern, die binnen weniger Jahre ein 20er-, 24er- und 26er-Rad brauchen?

Grundsätzlich gilt: Kinderräder lassen sich gut wiederverkaufen. Schon allein deshalb, weil viele Familien vor diesem Problem stehen. Es gibt inzwischen Fahrradläden, die eine Art Abo anbieten. Da bezahlen Sie ein Rad und bringen es zurück, wenn Ihr Kind „rausgewachsen“ ist. Gegen einen kleinen Obolus gibt’s das nächstgrößere Modell.

Wie lange dauert es, bis das bestellte Wunschfahrrad da ist, und wie schaut es mit Rabatten aus?

Unterschiedlich. Manche Händler machen die Lieferfristen sehr transparent. Da weiß der Kunde: Dieses Rad in Rot und Rahmengröße M kommt Ende April, bei XL dauert es bis Mai. Generell sind die Lager im Vergleich zu 2022 und 2021 wieder besser gefüllt. Die Engpässe der Coronazeit hingen oft mit nicht verfügbaren Einzelteilen zusammen. Ich gehe aber nicht davon aus, dass Kunden auf breiter Front mit 20 Prozent Nachlass rechnen können. Es ist eher so, dass sich die Preise normalisieren.

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