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Verschärfter Wettbewerb auf dem größten Automarkt der Welt

verschärfter wettbewerb auf dem größten automarkt der welt

Die deutschen Hersteller sind derzeit mehr als früher vom chinesischen Markt abhängig.

Wie durch das Brennglas zeigt Chinas Automesse, dass sich in wenigen Jahren die Verhältnisse zugunsten heimischer Anbieter verschoben haben. Die Autoshow in Schanghai war 2021 wegen der Null-Covid-Politik der chinesischen Regierung ausgefallen. Der neue Start zeigt nun, wie sehr die chinesischen Anbieter in den vergangenen Jahren ihre Modellpalette modernisiert und ihre Wettbewerbsfähigkeit gesteigert haben. Für Aufsehen mit ihren Autos sorgten vor allem die chinesischen E-Autohersteller, aber auch Technologiefirmen wie Sense­time, das seinen nach dem Vorbild von ChatGPT entwickelten Chatroboter Sense­chat in die Autos bringen will.

Volkswagen reagierte am Dienstag auf der Automesse mit der Ankündigung, es gehe in China darum, „schneller“ zu werden. Weil der Konzern rapide Marktanteile an chinesische Wettbewerber verliert und junge, bewegliche Start-ups die Wolfsburger im Bereich der Elektroautos zu einem Nischenanbieter degradiert haben, soll die Entwicklungszeit der VW-Autos im Land um 30 Prozent sinken. Um das Versprechen der Schnelligkeit auch optisch zu unterstreichen, hatte Oliver Blume am Dienstagabend bei einem Zusammentreffen als einziges Mitglied aus dem Unternehmensvorstand schneeweiße Turnschuhe mit dicken Absätzen zum dunklen Anzug angezogen.

Die geschwächte Position von Volkswagen wurde pünktlich zur Messe durch die Meldung hervorgehoben, dass gerade der chinesische Hersteller BYD (Build your dreams) zum Marktführer in China geworden sei, nachdem der Volkswagen-Konzern diese Position seit mehr als drei Jahrzehnten unangefochten gehalten hatte. Während Konzernchef Blume noch vor wenigen Tagen in Deutschland VW als Marktführer im größten Automarkt der Welt dargestellt hatte, war in Schanghai nur noch von einer „starken Rolle“ die Rede, aus der deutsche Hersteller gegenüber Marken wie BYD, Nio und Li Auto verloren gegangenen Boden gutmachen müsse.

Große Bedeutung, große Verwundbarkeit

Die deutschen Hersteller sind derzeit mehr als früher vom chinesischen Markt abhängig. Wegen des größeren Wettbewerbs auf diesem größten Automarkt der Welt sind sie aber besonders verwundbar. Mit 23,5 Millionen Neuzulassungen von Personenwagen entfiel auf China im Jahr 2022 fast ein Drittel des gesamten Weltmarktes für Pkw. Das Center of Automotive Management (CAM) unter Leitung von Stefan Bratzel hat dazu verglichen, wie sich in den deutschen Autokonzernen die Bedeutung des chinesischen Marktes verändert hat: Der Volkswagen-Konzern habe 2022 rund 40 Prozent seiner Produkte in China abgesetzt, zehn Jahre zuvor erst 31 Prozent. Bei Mercedes-Benz lag 2022 der Absatz auf dem chinesischen Markt bei 36,8 Prozent gegenüber 18 Prozent zehn Jahre zuvor. BMW habe im vergangenen Jahr 33 Prozent seiner Pkw in China ausgeliefert gegenüber 14 Prozent vor zehn Jahren. Während der chinesische Automarkt 2022 um 9,7 Prozent wuchs, hat Volkswagen im Vergleich zum Vorjahr 3,6 Prozent an Verkaufszahlen verloren, BMW 6,4 Prozent und Mercedes-Benz 0,9 Prozent. Der chinesische Konzern BYD steigerte den Absatz dagegen um fast 150 Prozent. Gerade im Marktsegment der Elektroautos liegen die deutschen Anbieter sowohl beim Marktanteil als auch bei den Wachstumsraten zurück. Der Markt für rein batterieelektrische Autos ist in China 2022 um 84 Prozent auf 5 Millionen gewachsen. China ist mittlerweile der größte Markt für E-Autos. BYD steigerte seinen Absatz bei batterieelektrischen Autos um 184 Prozent und kam auf einen Marktanteil von 18 Prozent, berichtet das CAM-Institut. Volkswagen habe um 68 Prozent zugelegt, kam aber nur auf einen Marktanteil von 3,1 Prozent.

Die Bedeutung des chinesischen Automarktes für die deutschen Hersteller sei so groß wie nie, aber auch die Verwundbarkeit, kommentiert Stefan Bratzel. „Gleichzeitig bestätigt sich immer mehr, dass chinesische Unternehmen in den Zukunftsfeldern der Branche rund um Elektromobilität, Vernetzung und autonomes Fahren zu den Hauptwettbewerbern zählen werden.“

Aufholjagd wird nicht einfach

Wie sehr sich die Präferenzen zwischen deutschen und chinesischen Autokäufern unterscheiden und wie sehr dies wiederum chinesischen Herstellern in die Hände spielt, zeigt eine aktuelle Untersuchung der Unternehmensberatung PWC. Während Autokäufern in Deutschland traditionell Motorleistung und Straßenlage des Autos auch bei hohen Geschwindigkeiten wichtig sind, dürfen Chinesen ohnehin nicht schnell fahren und stehen in den Riesenstädten oft im Stau. Umso wichtiger sind ihnen daher elektronische Funktionen, auch für die Unterhaltung. Auch selbstfahrende Autos, die im Stau und auf Routinestrecken alles alleine machen und dem Fahrer Zeit für andere Beschäftigung lassen, sind für Chinesen sehr viel interessanter als für deutsche Autokäufer. Die Unternehmensberatung PWC folgert, dass für Autohersteller die Bedienung der Autos und ihrer Elektronik nun besondere Bedeutung habe. Gerade auf diesem Feld hat aber die jüngste Generation von Volkswagen enttäuscht, und die Entwicklung neuer Software auch für das Ausmerzen der aktuellen Probleme liegt weit hinter den ursprünglichen Terminzielen zurück.

Volkswagen will nun mehr in China für das Angebot auf dem chinesischen Markt entwickeln und in ein neues Entwicklungszentrum im ostchinesischen Hefei eine Milliarde Euro investieren. Dass die Aufholjagd nicht einfach wird, zeigte die Wortwahl Blumes, der das Negative – das Hinterherfahren in China – ins Positive umzudeuten versuchte: „Der starke Wettbewerb macht unsere Verkäufe besser.“ Blume hat offensichtlich nicht geahnt, wie groß die Probleme im China sind, die er von seinem Vorgänger geerbt hat. Im Gespräch mit der F.A.Z. äußerte Blume Kritik am früheren VW-Chef Herbert Diess, der auch den Posten des China-Vorstands übernommen und den Anschluss im Land verloren hatte: „Man kann nicht alles aus Europa heraus entscheiden.“

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